Unbeirrt zieht die Post ihren Plan durch und schliesst nach und nach Poststellen. Bis 2020 sollen von den 1400 noch 800 bis 900 übrig sein. Damit stösst der gelbe Riese auf Widerstand in Bevölkerung und Politik.

Bundesrätin Doris Leuthard hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge zum künftigen Postnetz erarbeitete. Am Mittwoch wurde der Bericht veröffentlicht. Verschärft werden sollen die Kriterien zur Erreichbarkeit einer Poststelle.

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20-Minuten-Regel

Bisher mussten laut Gesetz 90 Prozent der Bevölkerung innert 20 Minuten zu Fuss oder mit dem öV eine Poststelle oder eine Postagentur erreichen. Neu gälte dieses Kriterium nicht mehr national, sondern kantonal. Profitieren würden davon ländliche Kantone, die weniger dicht besiedelt sind. Für den Erhalt von Poststellen ist jedoch ein anderes Kriterium entscheidender: Neu sollen Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs in 20 statt wie bisher 30 Minuten erreicht werden.

Die Arbeitsgruppe schlägt vor, die Erreichbarkeit künftig auf Stufe Kanton zu messen.

Da Postagenturen – etwa im Volg oder in einer Tankstelle – keine Bargeldgeschäfte übernehmen dürfen, bräuchte es folglich auch in Zukunft mehr Poststellen, als die derzeitigen Pläne der Post vorsehen. Der Vorschlag zur Gesetzesänderung kann also Folgen haben. «Es ist denkbar, dass die Post letztlich weniger Poststellen abbauen darf als geplant», sagt der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl. «Die Arbeitsgruppe wurde nicht eingesetzt, damit nichts geschieht.»

Post kann Regel umgehen

Doch so einfach ist es nicht. Die Arbeitsgruppe, zu der neben der Post selbst etwa die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete, der Gemeinde-, Städte- und Gewerbeverband sowie die Volkswirtschaftsdirektoren-Konferenz gehören, hat der Post ein Schlupfloch eingebaut: Sie kann die 20-Minuten-Regel umgehen, wenn sie einen Hausservice anbietet. Kunden erledigen dabei Bargeldeinzahlungen direkt beim Pöstler an der Haustür.

Für Guhl ist der Hausservice aber keine befriedigende Lösung. «Es besteht die Gefahr, dass der Pöstler überfallen werden könnte.» Man müsste sich gut überlegen, wie viel Geld er überhaupt auf sich tragen dürfte. Auch Christian Capacoel von der Gewerkschaft Syndicom kritisiert den Hausservice: «Die wenigsten Personen können ihren Alltag um den Pöstler herum planen.» Der Hausservice sei kein angemessener Ersatz für eine Poststelle.

Bernhard Guhl

Der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl.

Quelle: Keystone

Bargeldeinzahlungen in Agenturen?

Es gäbe aber noch eine andere Möglichkeit für die Post. Der Bericht der Arbeitsgruppe will den Postagenturen mehr Kompetenzen einräumen. Dürfen Agenturen einst Bargeldgeschäfte abwickeln? «Postagenturen erfüllen die Kriterien nicht, die für den Zahlungsverkehr notwendig sind», sagt Capacoel. Die Sicherheitsvorkehrungen und Auflagen zur Verhinderung von Geldwäscherei stellten hohe Anforderungen an Personal, Firma und Immobilie. «Nichts davon kann eine Agentur gewährleisten.»

Selbst die Post winkt ab: «Wir haben Bareinzahlungen bei Postagenturen vertieft geprüft. Für die Post macht eine Einführung aber keinen Sinn», sagt Post-Sprecherin Léa Wertheimer. Würden Bareinzahlungen angeboten, «hätte dies für einen möglichen Partner hohe Investitionen für Sicherheitseinrichtungen und einen unverhältnismässigen Aufwand bei der Personalausbildung zur Folge». Die Suche nach geeigneten Partnern wäre fast verunmöglicht.

Wertheimer verteidigt hingegen den Hausservice: «Wir bieten den Dienst in zahlreichen Gemeinden schon länger an. Bisher haben wir damit gute Erfahrungen gemacht.» Auch gefährlich sei das nicht: Ab einem gewissen Betrag bringe der Briefträger das Geld auf die Post. Zudem würden Zahlungen unregelmässig ausgeführt, sodass sich nicht eruieren lasse, ob und wieviel Bargeld der Pöstler mit sich führt.

Druck aus dem Parlament

Die Signale sind deutlich: Geht es nach der Post, setzt sie statt auf Poststellen vermehrt auf Agenturen, Zugangspunkte und Dienstleistungen wie den Hausservice. Damit passt sie sich dem digitalen Zeitalter an, stösst jedoch auf Kritik, weil viele den Service Public in Gefahr sehen. Zwar wehrten sich die betroffenen Gemeinden, sie setzten sich in den Verhandlungen mit der Post aber nicht durch. Den Abbau von Poststellen bremsen kann nur noch das Parlament – mit einem einfachen Bubentrick: Es müsste schlicht durchsetzen, dass die 20-Minuten-Regel für Bargeldgeschäfte nicht via Hausservice umgangen werden kann.

Im Sommer will der Bundesrat seinen Vorschlag auf Basis des nun veröffentlichten Berichts präsentieren, danach kommt er ins Parlament. «Wenn das Parlament die Bevölkerung ernst nimmt, dann kann es sich mit diesen Empfehlungen nicht zufrieden geben», sagt Syndicom-Sprecher Capacoel. Bernhard Guhl geht davon aus, dass die Post ihre Pläne nicht vollständig durchsetzen wird. «Der politische Wille im Parlament ist deutlich zu spüren.»