Die weiter fortschreitende Digitalisierung kostet Schweizer Bankhäuser sehr viel Geld. Colombus Consulting hat nun in seiner sechsten Studie zu diesem Thema errechnet, wie viel Geld Schweizer Banken im Retailgeschäft schultern müssen: Es sind jährlich 48 Millionen Franken. Zudem entwickelten Banken neue Dienste für die Kundenbeziehung mit generativer KI. Die Colombus-Studienautoren orten aber auch Schwachstellen. So hinke die Einführung von «verantwortungsvoller Digitalisierung» in diesem Sektor, in dem Technologie für fast 40 Prozent der Kohlenstoffemissionen verantwortlich ist, immer noch hinterher.
Grossbanken auch 2023 noch an der Spitze
Das Podium 2023 bleibt stabil mit den Grossbanken: UBS, Postfinance, Raiffeisen. Dagegen setzt Revolut ihren Aufstieg auf den 4. Platz fort, auf Kosten von Credit Suisse, die logischerweise an Bedeutung verliert. Schliesslich fällt die Neobank Yuh, die im letzten Jahr mit einem erfolgreichen Start für Aufsehen gesorgt hatte, in der Rangliste zurück.
Ein weiterer Befund der Studie: Viele Privatkundenbanken bauen ihre digitalen Dienstleistungen weiter aus – ohne jedoch die Spitzenleistungen der Neobanken zu erreichen.
«Die grossen Privatkundenbanken haben massiv in neue digitale Funktionen investiert, während sie einen hybriden Ansatz mit relationalen Dienstleistungen und Beratern, die im Zentrum der Kundenbeziehung bleiben, beibehalten. Aber die Neobanken behalten mit ihren hervorragenden digitalen Dienstleistungen einen Vorsprung», analysiert Jean Meneveau, geschäftsführender Gesellschafter von Colombus Consulting Schweiz.
Neobanken weiterhin führend bei Mobile Apps
Die Banken bemühen sich besonders um die unter 18-Jährigen, indem sie ihre speziellen Angebote und Apps überarbeiten, mit denen man Geld ausgeben, sparen, sein Taschengeld vermehren, eine Patenschaft übernehmen oder Geld an Freunde schicken kann.
Während Revolut ein besonders umfassendes Angebot hat, sind auch die traditionellen Banken aktiv, mit einigen Neuheiten: Credit Suisse (Digipigi Kids), GKB (GKB Gioia Sackgeld) und SGKB (MiniBank). Dennoch bleiben die Neobanken bei der Verwaltung und Aktualisierung ihrer Anwendungen am proaktivsten. Der Unterschied, den die Columbus-Studie ermittelt hat, ist frappant: Mit durchschnittlich 40 jährlichen Aktualisierungen pro Neobank, führen Revolut und andere Online-Banken rund doppelt so viele Neuerungen auf ihren Portalen ein wie traditionelle Bankhäuser in der Schweiz.
Generative KI als Relais für die Digitalisierung
«Der Finanzdienstleistungssektor ist sehr anfällig für generative KI, mit Beispielen für Projekte, die auf Konversationsdienste für Berater oder auf die direkte Interaktion mit Kunden ausgerichtet sind. In den USA investieren Banken doppelt so viel in KI wie in Europa. Morgan Stanley hat zum Beispiel seine Chatbot-Lösung bereits bei 16’000 Beratern weltweit eingesetzt. Auch Bankverlage wollen den Weg ebnen, darunter Temenos, das nun generative KI innerhalb seiner Plattform für seine Bankkunden anbietet», sagt Jean Meneveau.
Verantwortungsvolle Digitalisierung ist unterentwickelt
«Verantwortungsvolle Digitalisierung» wurde als neues Kriterium in den Index aufgenommen, um auch die Umweltverträglichkeit von Webseiten anhand ihrer Komplexität, ihres Gewichts und ihrer Ressourcenoptimierung zu messen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Nur sehr wenige Banken scheinen dies als Kriterium für die Verwaltung ihrer Webseiten herangezogen zu haben. Die Banken geben eher Absichtserklärungen ab, indem sie z.B. der Charta für verantwortungsbewusste Digitalisierung des Institut du Numérique Responsable (INR) [Institut für verantwortungsvolle Digitalisierung] oder dem Digital Trust Label der Swiss Digital Initiative beitreten. In der Praxis und bei den Messungen, die in der Studie durchgeführt wurden, hat nur Swissquote diesen Kriterien besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
«Wenn sich die Banken der ESG-Kriterien angenommen haben, wird die nachhaltige Entwicklung zu einer starken Dimension in den Bankprodukten. Dieser Trend könnte noch weitergehen, indem die CSR-Dimensionen in alle Aktivitäten der Bank integriert werden. Die schwachen Leistungen der Schweizer Akteure im Bereich der verantwortungsvollen Digitalisierung zeigen, dass der Weg noch lang ist, wobei sich dieser hoffentlich in den kommenden Monaten beschleunigen wird», schliesst Jean Meneveau. (pm/hzb/ajm)