Niemand wird bestreiten, dass die Schweiz über eine höchst leistungsfähige Finanzwirtschaft verfügt. Aber wie steht es um deren Reputation? Eben. Der Bundesrat hat vor drei Jahren zusammen mit der Branche – Banken, Versicherungen, Pensionskassen – die Ambition formuliert, die Schweiz führend in nachhaltigen Finanzdienstleistungen zu positionieren.
Laut einem Bericht des Beratungsunternehmens McKinsey & Company in Zusammenarbeit mit dem WWF und Economiesuisse ist der Schweizer Finanzplatz für das 14- bis 18-Fache der inländischen klimaschädlichen Emissionen im Ausland mitverantwortlich. Insofern verfügt die Schweiz als internationales Wirtschafts- und Finanzzentrum über enorme Hebel, eine Energie- und Ressourcenwende herbeizuführen.
Das Gesetz verlangt anderes Geschäftsgebaren
Hier macht das in diesem Jahr vom Volk angenommene Klima- und Innovationsgesetz eine klare Zielvorgabe, nämlich den Verbrauch von Öl und Gas zu reduzieren und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem neuen Gesetz hat der Bund auch dafür zu sorgen, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet. Es sollen Massnahmen zur Verminderung von klimaschädlichen Auswirkungen von nationalen und internationalen Finanzmittelflüssen getroffen werden.
Das heisst, die Innovationskraft der Finanzbranche ist gefragt, wenn sie nicht über kurz oder lang vom Bundesrat übersteuert werden will. Sie hat es in der Hand, ihrer Reputation einen Boost zu verleihen. Doch mit welchen Anreizen soll die auf Wirtschaftsfreiheit pochende Finanzindustrie motiviert werden, den Wandel im Geschäftsgebaren umzusetzen? Nichts scheut die Branche mehr als zusätzliche Regularien.
Es lohnt sich, über den Tellerrand zu schielen und sich ein Beispiel einer erfolgreichen, liberalen und dennoch verbindlichen Selbstregulierung anzuschauen. Vorbild hierfür könnte das Vorgehen beim Schweizer Erfolgsmodell des PET-Recyclings sein: Schafft es die Getränkebranche, dass mindestens 75 Prozent der verkauften PET-Flaschen rezykliert werden, kann sie ein staatlich aufgebrummtes Pfand auf den Verkaufspreis vermeiden. Das ist offensichtlich ein starker Anreiz zur Selbstregulation, das selbst regulierte Recycling rekordverdächtig gut. Einen ähnlichen Ansatz schlage ich mit meiner Motion «Ausrichtung der Finanzmittelflüsse gemäss Übereinkommen von Paris stärken» vor.
Klimaschutz muss belohnt werden
Der Ball liegt beim Bundesrat, der mit der Annahme der Motion bekräftigt, der Finanzbranche klare Zielvorgaben setzen zu wollen. Den Weg zum Ziel soll die Branche mit einer verbindlichen Selbstregulierung selber finden.
Dabei sollen jene, die auf einem mit dem Klimagesetz kompatiblen Pfad unterwegs sind, einen Bonus erhalten, beispielsweise in Form einer Entlastung bei der Revisions- und Berichterstattung. Jene wiederum, die vom Ziel abweichen, sollten mit einem Malus sanktioniert werden, etwa in Form von Preisaufschlägen auf nicht klimakompatible Produkte.
Eine kluge Umsetzung der Motion hat das Potenzial zum Befreiungsschlag für den Finanzplatz, denn es könnte den Zwist zwischen Branche, Politik und NGO in der Sache beenden, indem Verbindlichkeit bezüglich der klimafreundlichen Ausrichtung der Finanzflüsse hergestellt wird. An der Finma wird es sein, festzustellen, ob sich die Branche dereinst in den Worten Kants «sittlich autonom» verhält. Schafft sie es aus eigenem Antrieb, wird sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Klimaziels geleistet, sondern zugleich auch Ansehen, Standortattraktivität sowie die internationale Anschlussfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes gesteigert haben.