Das Thema Geschlechtergleichstellung wird seit Jahren heftig diskutiert. Dabei geht es auch und gerade um die Rolle von Frauen in Unternehmen. Denn Firmen ohne Frauen in leitenden Positionen verzichten auf erhebliches Potenzial, da sie ebenso qualifiziert, leistungsstark und motiviert sind wie ihre männlichen Arbeitskollegen.
Auch verweisen viele Verfechter von mehr Frauen in der Chefetage darauf, dass sich deren Herangehensweise positiv auf die Motivation der Mitarbeitenden und das Arbeitsklima auswirke und das Vertrauen in die Strategie eines Unternehmens stärken könne. In vielen Ländern hat der Gesetzgeber darauf reagiert und Richtlinien für den prozentualen Anteil von Frauen in den Führungspositionen von Unternehmen erlassen.
Zur Autorin
Gastautorin Silke Schulz ist Head of People Central Europe bei Dun & Bradstreet Europe. Die Datenfirma stellt Geschäftsdaten und analytische Erkenntnisse aus der Wirtschaftswelt zur Verfügung.
So weit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Dun & Bradstreet hat das in einer aktuellen Studie für verschiedene europäische Länder sowie die USA untersucht. Und hier zeichnet sich für die Schweiz zunächst ein positives Bild ab. So ist zwischen 2018 und 2022 der Frauenanteil in Führungspositionen um 2,7 Prozent gestiegen. Der Anteil der Firmen, bei denen die Leitung komplett weiblich ist, hat um 0,1 Prozent zugelegt.
Höherer Frauenanteil auf Führungsebene in KMU
Spiegelbildlich ist der Anteil der Firmen, in denen die Leitung nur aus Männern besteht, um 2,7 Prozent zurückgegangen. Dabei gilt es aber, zu berücksichtigen, dass noch immer knapp 54 Prozent der untersuchten Unternehmen eine rein männliche Führungsriege haben. In mehr als der Hälfte der Firmen gibt es also keine weiblichen Führungskräfte.
Bemerkenswerte Unterschiede ergeben sich hierzulande auch bezüglich der Grösse von Unternehmen. So ist laut der Untersuchung der Anteil von Frauen in Führungspositionen in kleineren Unternehmen höher als in grösseren Konzernen.
Unter den Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten haben nur 1,5 Prozent eine komplett weibliche Führungsriege, bei Konzernen mit über 50 Millionen Euro Umsatz sind es 1,2 Prozent. Dagegen liegen die Vergleichszahlen bei Organisationen mit 50 bis 250 Angestellten bei 2,4 Prozent und bei Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern bei 3,6 Prozent.
Wie die Studienergebnisse zeigen, ist es um die Geschlechtergleichstellung in der Firmenleitung in anderen Ländern zum Teil klar schlechter bestellt. In Deutschland finden sich in drei von vier der untersuchten Firmen (75 Prozent) gar keine Frauen in der Chefetage.
Die Frauenquote entwickelt sich von Land zu Land unterschiedlich
Und in Österreich, wo sich der prozentuale Anteil der Unternehmen ähnlich verteilt wie in der Schweiz, ist die Anzahl der Unternehmen, die allein auf Frauen als Führungskräfte setzen, zwischen 2018 und 2022 um 1 Prozent gesunken. Aber auch in den USA, in Grossbritannien sowie in Deutschland ist die Zahl der rein von Frauen geführten Unternehmen rückläufig.
Dafür hat die Zahl der Unternehmen, in denen Frauen einen Anteil von 51 bis 75 Prozent an der Führungsriege haben, zuletzt in vielen Ländern zugenommen. In Deutschland ist dieser Anteil um 0,2 Prozent gewachsen, in Grossbritannien um fast 0,3 Prozent und in Österreich sogar um 1,4 Prozent – allerdings von einem sehr niedrigen Niveau aus.
Die zweite, vielleicht sogar noch wichtigere Frage aber ist, wie sich eine höhere Frauenquote in der Unternehmensführung auf die Entwicklung der Firma selbst auswirkt. Auch diesem Thema ist die Untersuchung von Dun & Bradstreet nachgegangen.
Keine Abhängigkeit vom Geschlecht in Bezug auf den Umsatz
In der Schweiz weist knapp jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent), dessen Leitung überwiegend weiblich geprägt ist, für die vergangenen fünf Jahre ein Wachstum von über 15 Prozent auf, während 37,5 Prozent einen Umsatzrückgang von über 15 Prozent hinnehmen mussten.
Bei Organisationen mit männlich dominierter Leitung sind die Zahlen etwas schlechter: Mit 20,2 Prozent waren es etwas weniger Firmen, deren Umsatz mit über 15 Prozent zulegte, während sogar 42,6 Prozent Umsatzeinbussen von 15 Prozent und mehr hinnehmen mussten.
Anders stellt sich die Situation dar, wenn man auf den Auf- und Abbau von Arbeitsplätzen fokussiert. Hier haben über 22 Prozent der Unternehmen mit männlich dominierter Führung Arbeitsplätze geschaffen, während dies nur bei 5 Prozent Firmen mit überwiegend weiblicher Leitung der Fall war.
Jedoch lassen sich diese Zahlen nicht einfach auf andere Länder übertragen. In Deutschland waren es jeweils 28,8 Prozent der Firmen, die Beschäftigung aufbauten – und zwar sowohl bei männlich als auch bei weiblich dominierten Chefetagen. Dagegen mussten fast 22 Prozent der Firmen mit überwiegend männlicher Leitung Arbeitsplätze streichen, bei den weiblich dominierten Gesellschaften waren es lediglich 15 Prozent.
Soweit es das Umsatzwachstum betrifft, waren überwiegend von Frauen geleitete Firmen zwar etwas weniger erfolgreich als männlich dominierte Unternehmen, dafür mussten überwiegend weiblich geleitete Firmen seltener Umsatzeinbussen von 15 Prozent und mehr hinnehmen.
Weibliche Führungskräfte beeinflussen weder Umsatz noch Fluktuation
In Österreich wiederum schnitten mehrheitlich von Frauen geführte Firmen hinsichtlich der Umsatzentwicklung schlechter ab. Bei den Beschäftigtenzahlen dagegen lief es bezüglich Stellenabbau für die von Frauen geführten Unternehmen besser, während von den überwiegend von Männern geführten Unternehmen prozentual weniger Firmen Stellen streichen mussten.
Ähnlich durchwachsen fällt das Ergebnis für die USA aus. Während knapp 22 Prozent der Organisationen mit überwiegend männlicher Leitung ein Umsatzwachstum von 15 Prozent oder mehr schafften, waren es bei den weiblich dominierten Unternehmen nur 20,2 Prozent. Einen Umsatzeinbruch von 15 Prozent oder mehr dagegen mussten von Frauen geführte Firmen seltener hinnehmen.
Diese Zahlen, die auch für viele andere Länder nicht eindeutig ausfallen, deuten darauf hin, dass für den wirtschaftlichen Erfolg von Firmen einfach auch andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Klar ist damit aber auch, dass Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen nicht schlechter abschneiden als Firmen mit männlich dominierter Chefetage. Es gibt also keinen Grund, das Potenzial weiblicher Führungskräfte nicht zu nutzen.