Ausgerechnet im Internet wird gerade die Zeit zurückgedreht. Wieso ich das weiss? Googeln Sie mal Andrew Tate. Der Bugatti fahrende Strip-Club-Stammgast, der Leopardenmuster trägt, wünscht sich eine Frau wie in den 50er Jahren. «Die Frau gehört ihrem Mann», posaunt er – und löst bei mir Sodbrennen aus. Zum Tate’schen Manifest gehört auch das Konstrukt der «einseitig offenen Beziehung», inspiriert von Sultanen und ihren Harems im Osmanischen Reich. Sprich: Mann darf betrügen, Frau nicht.
Jedem seine eigene Meinung. Aber dieser Typ (er hat auf Instagram 4,2 Millionen Follower) verseucht mit seinem Gelaber meinen Dating Pool: Schwäche zeigen nur Weicheier, das Leben ist ein Wettkampf, den es zu gewinnen gilt, und Frauen – das sind Trophäen. Das Comeback des Jahrhunderts! Die vom Maskulinitäts-Prediger Tate Angefixten verlangen jetzt von ihren Partnerinnen «Unterwerfung». Bis vorgestern kannten sie diesen Begriff nicht mal. Widerrede kriegt er von traditionellen Medien. Doch die interessieren uns Millennials furchtbar wenig, das Internet dagegen sehr. Dort finden wir Wahrheit, und dort wird Tate gefeiert. Er ist Teil der «Manosphere» – einer grösseren Bewegung mit genauso kreativen Meinungen: Lasst uns zu den traditionellen Rollen zurückkehren, Feminismus hat uns in die Misere getrieben. Da machen es sich ein paar Herren ziemlich einfach. Andere ziemlich schwer: Links von mir ist man damit beschäftigt, Pronomen wie «zir» oder «xi» in die Sprache einzubetonieren, die wie Planeten aus «Star Wars» klingen. Rechts von mir so unsicher, so überfordert, dass sie sich die alten Zeiten und Zustände zurückwünschen. Vielleicht war es früher ja doch besser? Vielleicht ist das Hausfrauendasein inklusive fünf Gofen doch der Weg zum Glück. Retro-Sehnsucht? Nicht bei mir. Aber zugegeben: Ein bisschen Orientierungshilfe wäre manchmal nicht schlecht. Denn wenigstens wussten die älteren Jahrgänge, was man als Mann und Frau tun und lassen sollte. Heute sind jegliche Leitplanken verschwunden. An Vorbildern gibt es von Kotzbrocken wie Tate bis zu männerhassenden Opferfeministen wirklich alles. So viele Fortschritte, so viel Umdenken. So viel Verwirrung bei uns.