Es gibt Menschen, die neigen dazu, nach oben zu streben. Mona El Isa ist so ein Mensch. «Es fordert mich heraus, wenn jemand ein Buch schneller liest als ich», sagt die ehemalige Goldman-Sachs-Bankerin. So richtig gut funktioniere sie nur unter Druck. Traden und Hedgefonds: Das ist ihre Welt. «Ich brauche den Wettbewerb», sagt die Wahl-Zürcherin, welche die Branche kennt wie nur wenige Frauen. Das Magazin «Forbes» adelte sie 2012 mit der Aufnahme in die Topliste «30 Under 30».
Nun ist Mona El Isa 33 Jahre alt. Gerade startet sie ihren nächsten Wettkampf. Gegenspielerin ist die gesamte Hedgefonds-Branche. «Das Verwalten von Vermögen ist schlicht zu teuer und zu kompliziert geworden», sagt sie. Das will sie ändern mit einer neuen Plattform, auf welcher Fondsmanager ihre Fonds massiv günstiger aufsetzen und dem Publikum feilbieten können. Melonport heisst das Projekt. Nächste Woche sammelt sie dafür Geld von interessierten Kreisen. Wird Melonport ein Erfolg, könnten die Karten im Fondsgeschäft langfristig neu gemischt werden.
Hohe Eintrittshürden
Die Hedgefonds-Branche ist enorm konzentriert: 95 Prozent der investierten Gelder landen letztlich bei lediglich 500 Fonds. Der Grund liegt in den hohen Eintrittshürden. Um einen Hedgefonds rentabel betreiben zu können, braucht es wegen der Fixkosten mindestens 150 Millionen Franken an verwalteten Vermögen. Einsteiger haben es schwer. 80 Prozent der Neugründungen scheitern bereits im ersten Jahr.
El Isa kennt die Branche in- und auswendig. Lange Zeit in Griechenland aufgewachsen, heuerte die Britin mit 19 Jahren bei Goldman Sachs in London an. Sowohl der Trading Desk wie auch der Sales Desk wollten sie haben. El Isa wählte das Trading - weil es schwieriger ist, dort zu bestehen. Nach acht Jahren wechselte sie die Seite zum 6 Milliarden schweren Schweizer Hedgefonds Jabre Capital Management und arbeitete dort vier Jahre als Portfoliomanagerin.
Der Weg zum eigenen Hedgefonds schien vorgezeichnet. Es folgte der logische nächste Schritt zu diesem Ziel: der Wechsel zu einem Family Office, wo sie die Verantwortung für die Strategie der Vermögensverwaltung übernahm. Sie arbeitete durchschnittlich 14 Stunden am Tag, oft auch samstags und sonntags.
Das Desaster
Trotzdem endete es «im Desaster», wie sie sagt. Zu viel Administration, zu viele Reports für den Regulator, überhaupt zu viel Papierkram und Backoffice. «Es blieb kaum Zeit für das Entscheidende - das Bewahren des Vermögens», erklärt El Isa. «Jene Zeit öffnete mir die Augen. Ohne Support wie jenen bei Jabre oder Goldman Sachs kommt man auf keinen grünen Zweig.» Als sie das Family Office verliess, nagte der Gedanke, es müsse doch einen Weg geben, das alles einfacher und günstiger zu machen.
Sie nahm sich ein Jahr frei und begann, die jüngsten Trends in der Finanzbranche im Bereich Fintech unter die Lupe zu nehmen. Alles fesselte sie, was mit Blockchains zu tun hatte, der Technologie, die hinter der Digitalwährung Bitcoin steckt. Bereits 2010 hatte sie davon gehört, nun aber im Herbst 2014 besuchte sie Anlässe an der ETH Zürich, ging an Meetups und wirkte als Mentorin für Startups. So lernte sie Reto Trinkler kennen, einen Programmierer «so gut wie fünf zusammen», wie El Isa sagt.
Trinkler beschäftigte sich intensiv mit der Blockchain-Technologie und war daran, ein Tool für das Assetmanagement zu entwerfen. Modular, geringe Kosten, vollautomatisiert. El Isa war sofort fasziniert. «Er löste das Problem, von dem ich wusste, es musste irgendwann gelöst werden», sagt sie. Sie sah am Horizont eine Plattform für Vermögensverwaltung entstehen, die riesige Effizienzgewinne versprach.
Kunde im Zentrum
Obschon die Erfolgschancen des Projekts schwer abzuschätzen waren, war Trinkler bereit, seinen bisherigen Job zu künden und mit ihr zusammen «at full steam» das Projekt voranzutreiben. Firmengründung in Zug, Businessplan, dann der Prototyp. Es ging Schlag auf Schlag.
Konkret will Melonport einen Online-Marktplatz schaffen, auf dem künftige Fondsmanager ihre Strategien feilbieten können. Der Clou an der Sache ist volle Transparenz und mehr Kontrolle für den Kunden. Was der Manager eines bestimmten Fonds machen will und was nicht, wird offengelegt. Gewisse Parameter werden fix programmiert und auf der unkorrumpierbaren Ethereum-Blockchain festgehalten.
Das gibt dem Kunden Sicherheit. Wenn der Kunde beispielsweise einen Fonds wählt, der nur in zwei bestimmte Assets investieren soll und diese nur bei einer bestimmten Börse und nur in festgelegten Mengen handeln darf, dann gelten diese Regeln unumstösslich. Das Programm schränkt den Spielraum des Fondsmanagers entsprechend ein. Gleichzeitig kann der Kunde seine Anteile jederzeit verkaufen oder die entsprechenden Assets innerhalb von Sekunden beziehen. Möglich macht das die Blockchain-Technologie.
Vollautomatisiert
Die Vorteile liegen auf der Hand: unmissverständliche Aufträge, vollautomatisierte Abwicklung und unmittelbarer Audit. Das senkt die Kosten für die Kunden genauso wie für die Portfoliomanager. "Sekunden und Cents statt Monate und Millionen" heisst es im Grundlagenpapier. Die Hürden, um als Portfoliomanager einzusteigen, sinken dramatisch. Gleichzeitig führt die Transparenz zu einem klarem Track-Record des Managers, zu mehr Wettbewerb und weniger versteckten Risiken. Kunden wie Regulatoren dürften daran Freude haben.
Die nächsten zwölf Monate hat El Isa vor allem eine Aufgabe: Chefentwickler Trinkler den Rücken freihalten, ihn vor jeder Ablenkung schützen, während er programmiert. Ihre Sache sind die Verhandlungen mit Beta-Testern, alles Rechtliche und die Auftritte nach Aussen.
In zwei Wochen sammelt Melonport bei Interessierten Geld ein, um das Projekt für die nächsten zwei Jahre zu finanzieren. Das Ziel sind 2,5 Millionen Franken. Im Gegenzug erhalten die Geldgeber sogenannte Melon-Token. Diese digitalen Crypto-Einheiten sind handelbar und werden künftig gebraucht, um die Melonport-Plattform benutzen zu können.
Der Fonds in wenigen Clicks
«Natürlich stehen wir erst am Anfang», sagt El Isa. Heute gibt es erst einige Dutzend Blockchain-Assets, in die ein Melon-Fonds investieren könnte. Beispiele sind Ether, die Währung des Weltcomputers Ethereum, oder Golem, das Token einer Plattform, auf der Computerleistung gekauft werden kann.
Aber jede Woche kommen neue dazu. Und auch klassische Assets wie Dollar oder Aktien könnten dereinst auf der Blockchain gehandelt werden. Die Bank Santander experimentiert bereits damit. «Noch sind Crypto-Assets als Anlageklasse nicht breit akzeptiert», sagt El Isa. «Aber früher waren ETF und Rohstoffe ebenso tabu und heute Standard.»
In ein bis zwei Jahren soll die Plattform live gehen. El Isa hofft, dass der erste Fonds aus der Schweiz kommt. Sie selber dürfte zu den ersten gehören, die einen Fonds aufsetzen wird. Mit ein paar Klicks, mit wenig Aufwand. Schneller als die Zeit, die es braucht, um ein Buch zu lesen.
WARUM BLOCKCHAIN-PROJEKTE BOOMEN:
Weltweit gibt es mittlerweile Tausende von Programmierern, die von Blockchains fasziniert sind. Oft sehen sie Analogien zur Entwicklung des Internets. Das Internet war ein Erfolg, weil das freie Versenden von Information etwa per E-Mail plötzlich für alle möglich wurde. Öffentliche Blockchains ermöglichen nun etwas Ähnliches, aber im Bereich von Werten und Rechten. Dank Blockchains werden Menschen einander Geld, Eintrittstickets, Fondsanteile oder Hotelzimmer-Zugangsberechtigungen übertragen können, ohne jemanden fragen zu müssen. Wohin das führt, weiss niemand.
Heute müssen digitale Werte und Zugangsrechte von einer zentralen Instanz verwaltet werden, um zu verhindern, dass diese einfach kopiert und vermehrt werden. Diese Instanzen wie etwa Banken führen Buch, wer was besitzt oder wer zu etwas berechtigt ist. Bei öffentlichen Blockchains braucht es keine Zentralinstanz. Die Verwaltung übernehmen automatisiert Tausende Computer, die sich gegenseitig kontrollieren.
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