Kaum jemand rechnete mit einer Rally so kurz vor Weihnachten. Trotzdem setzte die Kryptowährung Bitcoin zu einem atemlosen Sturm nach oben an. Sie schoss auf 42’000 Dollar hoch, getrieben von Hoffnungen auf die Einführung von Krypto-ETFs, also Exchange Traded Funds, auf Zinssenkungen der wichtigen Zentralbanken und durch allerlei Hype auf Meinungsplattformen, diesmal vor allem in Korea.

Bitcoin-Apologeten gewinnen wieder die Oberhand dieser Tage, doch auch skeptische Stimmen sind zurück. Michael O’Rourke, Chief Market Strategist bei JonesTrading, sagte Bloomberg: «Werden Leute, die die Rally bei 20’000 Dollar verpasst haben, das Doppelte bezahlen, nur weil es ETFs gibt? Wahrscheinlich nicht.» Und fügte dann hinzu: «Kryptos stehen für rein spekulatives Glücksspiel, und in den 14 Jahren, die es sie gibt, haben sie keinen Nutzen gezeigt, der über reine Spekulation und illegalen Geldtransfer hinausgeht.»

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Der grösste Token bei Bitcoin, also die grösste handelbare Einheit, kostet jetzt eine halbe Million Dollar nach drei Monaten Kurswachstum am Stück und 11 Prozent Kurssteigerung allein im Dezember. Seit Jahresbeginn legte der Bitcoin-Kurs um 150 Prozent zu. Dahinter steckt vor allem die Hoffnung, dass die US-Aufsichtsbehörden börsengehandelte ETFs zulassen, die ihrerseits Bitcoin besitzen.

Was wie eine Technikalie klingt, würde den Kryptomarkt wahrscheinlich wirklich fundamental verändern. Denn auch heute ist es noch immer nicht wirklich einfach, Bitcoin zu kaufen und zu besitzen. Man benötigt elektronische Brieftaschen, sogenannte Wallets. Zwar gibt es Hunderte Anbieter unterschiedlicher Seriosität und auch grosse Banken, die Wallets anbieten. Auch treten Länder wie die Schweiz hervor, die ein Bitcoin-freundliches Klima pflegen.

Der Gastautor

Christoph Keese ist Verwaltungsratspräsident der Stiftung World.minds sowie Unternehmer und Unternehmensberater aus Berlin. Der Autor von sechs Büchern schreibt regelmässig über Technologie und Innovation – auch alle zwei Wochen in der «Handelszeitung».

Doch nach wie vor sind Kryptowährungen ein Phänomen von Nischenmärkten. Weltweit besitzen geschätzt rund 400 Millionen Menschen Kryptowährungen. Doch von dieser Zahl muss man all jene abziehen, die einfach ein wenig experimentieren oder Bitcoin nach vielen Enttäuschungen innerlich abgeschrieben und im Wallet vergessen haben. Von einem Massenphänomen ist Bitcoin noch immer weit entfernt. Die 19,5 Millionen Bitcoin, die bisher erzeugt wurden, besitzen beim jetzigen Kurs zwar einen Wert von 819 Milliarden Dollar. Doch im Unterschied zum Dollar, Franken oder Euro besitzt der Bitcoin keinen ständig am Markt bewiesenen Handels- und Tauschwert. Seine Milliarden-Bewertung ergibt sich – wie bei einer Aktie – rein rechnerisch aus dem Preis der zuletzt gehandelten Stück multipliziert mit der Anzahl der Stücke. Würden alle Bitcoins auf einmal auf den Markt kommen, fiele der Kurs vermutlich weit nach unten – sehr im Unterschied zu klassischen Währungen wie Franken, Dollar oder Euro. Sie befinden sich ihrerseits ständig in Tausch und Handel und stellen ihren tiefen Wert dabei fortlaufend unter Beweis.

Mit Einführung von Bitcoin-ETFs würde die Handelbarkeit des Bitcoin erhöht werden. Man könnte die Wertpapiernummer leicht eintippen und sich den Titel ins Depot legen. Damit würde der Bitcoin seinem Ziel etwas näher kommen, ein Instrument der Wertaufbewahrung zu sein, ähnlich wie Gold. Dass er zu langsam und zu teuer als Handelswährung und für Transaktionen ist, das geben selbst Bitcoin-Fans zu.

Doch selbst dann, wenn Bitcoin-ETFs kommen sollten, bleibt ein Grundproblem der Kryptowährung bestehen: seine mangelhafte Regulierung. Bitcoin ist per se kein Schwarzgeld, doch er erleichtert illegale Zahlungen ungemein. Solange der Bitcoin sich keine ethisch saubere Verfassung gibt und nicht gewährleistet, dass er nicht zu illegalen Zwecken missbraucht werden kann, so lange wird er ein volatiles Spekulationsobjekt bleiben – ohne echten Wert und wahren Nutzen.

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