Nach dem ersten Hype um Online-Hypotheken haben einzelne Player dann doch zweistellige Millionenbeträge in den Sand gesetzt und den Geschäftsbereich bereits wieder eingestampft. Die Gründe sind vielschichtig. Klar ist, dass mit zu grosser Kelle angerichtet wurde; Budget war im Überfluss vorhanden, Zeit aber nicht. Die Konsolidierung bei den Online-Hypotheken-Brokern wird für die wenigen verbleibenden Player im B2C-Geschäft umso mehr wie ein Katalysator wirken. Es spricht vieles dafür, dass sie einer goldenen Zukunft entgegenblicken.

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Die fast unerschöpflich scheinenden Werbebudgets in der Boomphase, um Online-Hypotheken zu promoten, blieben nicht wirkungslos. Die Kunden erkennen die Vorteile des neuen Vertriebskanals immer mehr. So sicher wie das Amen in der Kirche ist aber, dass die immer noch weit verbreiteten Online-Hypotheken, die heute viele Banken auf ihren Websites anbieten, nur eine Zwischenstufe des tiefgreifenden Wandels weg von der Bankfiliale hin zum Online-Kanal darstellen.

Die Zukunft des Online-Vertriebs von Hypotheken gehört den Plattformen. Der Kern ihrer Dienstleistung stellt ein Glied in der Wertschöpfungskette des Hypothekargeschäfts dar, das bis vor kurzem gar nicht existierte: Hypotheken vieler Anbieter vergleichen und direkt abschliessen. Diese neue Möglichkeit bedeutet eine Revolution, weil es den Entscheidungsprozess der Kundschaft bei der Wahl der Hypothek umkehrt. Auf einer Plattform wählen Kundinnen zuerst die beste Hypothek für genau ihre persönliche Situation. Erst im zweiten Schritt zählt für den Kunden, welcher Kreditgeber überhaupt hinter dem Angebot steht. Die Folge: Es kann ein wirklicher Wettbewerb zwischen den Anbietern entstehen, der vorgelagert direkt auf der Plattform passiert. Dank der Digitalisierung wird es für Kundinnen möglich, ohne Verhandeln das beste Angebot auf dem ganzen Markt zu finden.

Der Gastautor

Florian Schubiger, Mitgründer Vergleichsplattform Hypotheke.ch/Vermögenspartner AG.

Reisebüro oder Bankfiliale?

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass sich im Hypothekargeschäft ein bekanntes Muster wiederholt: Alte, tief verankerte Denkweisen und Prozesse werden durch eine technische Revolution abgelöst. So war es bereits beim PC, der die Schreibmaschine überflüssig machte, oder bei den Smartphones, welche die herkömmlichen Handys fast gänzlich vom Markt verdrängten. In der Geschichte zeigt es sich an unzähligen Beispielen, dass durch technologische Fortschritte ein Kundenbedürfnis plötzlich besser befriedigt werden kann und sich dadurch die Gewohnheiten der Konsumenten verändern.

In jüngerer Vergangenheit haben Anbieter wie Booking.com, Amazon oder Zalando durch die Digitalisierung ganze Branchen revolutioniert. Banken sollten sich die Frage stellen, ob sich Reisebüros, Buchhandlungen oder Kleidergeschäfte wirklich so stark von einer Bankfiliale unterscheiden. Kaum jemand konnte sich vor zwanzig Jahren vorstellen, dass die Bewertungen Hunderter Hotelbesucherinnen mehr Aussagekraft haben als der gut gemeinte Ratschlag eines Reisebüroangestellten. Heute sind wir schlauer: Täglich werden 1,5 Millionen Übernachtungen über Booking.com gebucht, während physische Reisebüros ums Überleben kämpfen.

Beratung ist die Königsdisziplin, bei der Banken seit Jahrzehnten auftrumpfen. Eine wirkliche Revolution im Hypothekenvertrieb wird es nur geben, wenn die Beratung im Online-Kanal mindestens gleich gut ist wie bei der Bankberaterin. Wie weit davon entfernt sind wir noch? Mit dynamischen Tools lässt sich bereits heute innert Sekunden herausfinden, welche Auswirkungen die Anpassungen einzelner Parameter – etwa der Belehnungshöhe – auf die Zinsen, Amortisationen und andere Vertragsbedingungen verschiedener Anbieter haben.

Konkrete Optimierungsvorschläge werden von einem Algorithmus besser als von einem Berater erarbeitet. Das gilt insbesondere dann, wenn sie nicht nur bei einem, sondern bei einer Vielzahl von Kreditgebern überprüft werden sollen. Das Stichwort lautet datenbasierte Beratung. Der Vorteil: Daten sind objektiv und neutral. Das kann nicht jede «analoge» Beraterin von sich behaupten. Die Fähigkeiten künstlicher Intelligenz sind bei diesem Blick in die nahe Zukunft noch nicht einmal berücksichtigt. Bis im digitalen Vertrieb bei der Beratung aus Kundensicht Gleichstand zum persönlichen Berater herrscht, wird es noch etwas dauern. Wir sprechen aber nicht von Jahrzehnten, sondern von wenigen Jahren.

Fintech steht erst am Anfang

Selbst wenn Plattformen für Hypotheken nur einen Bruchteil des Erfolgs anderer bereits digitalisierter Branchen haben, wird der Bankensektor auf den Kopf gestellt. Durch Transparenz und Vergleichbarkeit schwinden die heute noch üppigen Margen, und zugleich wandert Volumen ins Internet, und der Wettbewerb verschärft sich. Zwei gleichzeitig auftretende Effekte, die bei den heutigen Cost-Income-Ratios nicht alle Banken gleich gut verkraften werden.

Effizient aufgestellte Finanzinstitute werden profitieren und Hand in Hand mit den Plattformen Marktanteile gewinnen. Wenn aber Drucker und Stempel noch zu den wichtigen Tools in der Kreditverarbeitung gehören, wird auch die beste Beraterin das digitale Defizit nicht kompensieren können.

Dass Herr und Frau Schweizer bei Geldangelegenheiten wenig wechselfreudig sind, verschafft dem Finanzsektor im Vergleich zu beispielsweise Reisebüros eine längere Reaktionszeit. Doch es ist wie beim Popcornmachen in einer Pfanne: Es passiert zuerst sehr lange nichts – und irgendwann macht es plötzlich «Popp». Ein paar Sekunden später poppt es erneut. Daraufhin startet ein dynamischer Prozess, und blitzschnell haben sich alle Maiskörner in Popcorn verwandelt. Vielleicht werden die reinen Online-Player noch eine Weile ein Mauerblümchendasein fristen. Trotzdem lautet die einzig wichtige Frage für Banken im Hypothekargeschäft nur, wann es das erste Mal poppt. Oder ist das durch die Konsolidierung bei den Online-Brokern vielleicht schon passiert?