Was war für Sie persönlich die überraschendste Erkenntnis aus der Studie?

Wirklich überrascht haben mich die Resultate nicht. Verschiedene Thesen, die wir hatten, wurden allerdings zum Teil eindrücklich bestätigt. So fanden wir zum Beispiel heraus, dass Mütter im Alter 25 bis 34 – im Gegensatz zu den Vätern – nur selten in einem 80 Prozent-Pensum oder mehr erwerbstätig sind. Sie gehen mehrheitlich auch nicht davon aus, im weiteren Verlaufe des Erwerbslebens – auch wenn die Kinder grösser sind – ihr Pensum wieder auf über 80 Prozent zu erhöhen.

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Andreas Christen ist seit 2019 Senior Researcher Vorsorge bei Swiss Life und Autor der Studie «Verliebt, verlobt, versorgt?» 

Die klassischen Rollenbilder halten sich noch immer hartnäckig. Woran liegt das?

Rollenbilder sind auch gesellschaftliche Werthaltungen – und die ändern sich nur langsam. Allerdings hat sich das traditionelle Rollenbild in den letzten Jahren bereits verändert, und zwar von: «Vater erwerbstätig, Mutter nicht» zu «Vater Vollzeit erwerbstätig, Mutter Teilzeit.»

Wir sehen, dass Frauen von Jahr zu Jahr in durchschnittlich höheren Pensen erwerbstätig sind

Andreas Christen, Swiss Life

Gleichzeitig verändert sich die Arbeitswelt in Riesenschritten. Liegt hier nicht gerade für Frauen eine grosse Chance, die Arbeitspensen zu erhöhen?

Wir sehen, dass Frauen von Jahr zu Jahr in durchschnittlich höheren Pensen erwerbstätig sind. Dieser Prozess ist also im Gange. Zudem konnten wir in der Studie aufzeigen, dass viele Mütter in einer idealen Welt mehr arbeiten würden, als sie es tatsächlich tun. Der Wille wäre also häufig da, oft sind es aber Sachzwänge, die eine höhere Erwerbstätigkeit verhindern. So war in unserer Umfrage ein häufig genannter Grund, weshalb junge Mütter nicht Vollzeit erwerbstätig sind, fehlende, ungeeignete oder zu teure ausserfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten. Solange solche Sachzwänge und Rollenbilder existieren, wird sich die Arbeitsmarktbeteiligung von
Frauen auch nur langsam derjenigen von Männern annähern.

Es gibt immer mehr Konkubinatspaare, was das Risiko von Vorsorgelücken für Frauen vergrössert. Wird dieser Trend anhalten und was sind die Konsequenzen daraus?

Momentan zeichnet sich nicht ab, dass sich der Trend verlangsamt. Das hat zur Folge, dass sich Familien – insbesondere, wenn sie sich für eine klassische Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit entscheiden - stärker aktiv mit Vorsorgefragen auseinandersetzen müssen, als dies im Rahmen einer Ehe nötig ist. Tun sie das nicht, setzen sich insbesondere teilzeitarbeitende (oder gar nicht
erwerbstätige), unverheiratete Mütter erheblichen Vorsorgerisiken aus. Vorsorgerisiken, die früher weniger verbreitet waren, da man häufiger verheiratet war.

Gerade in jungen Jahren wird das Thema Altersvorsorge gerne zur Seite geschoben. Wie kann hier aus Ihrer Sicht eine grössere Sensibilität geschaffen werden?

Sicherlich in dem mehr darüber gesprochen wird, was meines Erachtens auch zunehmend geschieht. Dies ist ein wichtiger Grund, weshalb wir überhaupt diese Studie veröffentlicht haben. Immer wieder wird auch die Idee geäussert, grundlegendes Finanzwissen an der Schule stärker zu vermitteln. Dies würde sicherlich helfen.

Die Vermittlung von grundlegendem Finanzwissen an den Schulen würde sicherlich helfen.

Andreas Christen, Swiss Life

Was würden Sie Frauen empfehlen, wie sie den Pension Gender Gap zumindest verringern können?

Erstens würde ich sowohl Frauen als auch Männer in die Pflicht nehmen. Der Gender Pension Gap entsteht vor allem im Rahmen der Familiengründung und in Paarbeziehungen. Paare bilden oft eine ökonomische Einheit und sollten daher auch gemeinsam die finanzielle Verantwortung für die gemeinsamen Entscheide tragen. Zweitens ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Einfluss Lebensentscheide wie Familiengründung oder eine Heirat – oder eben keine Heirat – auf die Altersvorsorge haben.

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Drittens würde ich – wann immer finanziell sinnvoll und organisatorisch möglich – empfehlen, dass man auch nach der Familiengründung einen möglichst grossen Fuss im Arbeitsmarkt behält. Das heisst auch, dass beide Partner einen entsprechenden Teil der Familienarbeit übernehmen sollten. Möchte man das nicht, wenn die Kinder noch klein sind, wäre es aber gut, nach der Kinderbetreuungsphase wieder in einem höheren Beschäftigungsgrad zu arbeiten.

Wer sich viertens trotzdem für ein klassisches Familienmodell entscheidet, sollte zum Beispiel im Rahmen der dritten Säule dafür sorgen, dass die Mutter eine gute Altersvorsorge aufbauen kann. Dies ist besonders wichtig, wenn man nicht verheiratet ist und es eventuell zu einer Trennung kommt.