Knall im Ständerat: Er ist am Mittwoch nicht auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Prämienentlastungsinitiative der SP eingetreten. Nun ist erneut der Nationalrat am Zug, der die Vorlage im Juni deutlich angenommen hatte.

Die kleine Kammer stimmte einem Nichteintretensantrag von Benedikt Würth (Mitte/SG) mit 22 zu 20 Stimmen zu. Definitiv abgelehnt wäre die Vorlage erst, wenn auch der Nationalrat nicht mehr darauf eintreten würde oder ein Rat die Vorlage ein zweites Mal nicht behandeln möchte. In diesem Fall dürften die Chancen der SP-Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien» deutlich steigen.

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Das Volksbegehren der SP verlangt, dass keine versicherte Person mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) bezahlen muss. Um dies zu erreichen, sollen Bund und Kantone mehr zur Prämienverbilligung beitragen. Der Bund soll mindestens zwei Drittel der Kosten tragen, die Kantone den Rest.

Gegner wollen Prämienverbilligungen den Kantonen überlassen

Das ist dem Bundesrat zu viel, weshalb er in der Folge einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeitete. Dieser sieht vor, dass der Beitrag jedes Kantons an die Prämienverbilligungen einem Mindestprozentsatz seiner Gesundheitskosten entsprechen soll.

Der Nationalrat hat den indirekten Gegenentwurf Mitte Juni dieses Jahres in der Gesamtabstimmung deutlich angenommen und eine Fristverlängerung für die Behandlung der Initiative bis zum 3. Oktober 2023 beschlossen. Der Ständerat stimmte der Fristverlängerung im Herbst ebenfalls zu.

Nun muss auch der Gegenvorschlag zumindest auf eine Zusatzrunde. Die knappe Mehrheit des Ständerates schloss sich den Bedenken Würths an, bei der Vorlage handle es sich um einen unerwünschten «Paradigmenwechsel». Er stelle keineswegs in Frage, dass die Krankenkassenprämien für immer mehr Haushalte zum Problem würden, betonte Würth. Allerdings wüssten die Kantone am besten, «wie man die Dosierung der individuellen Prämienverbilligung am besten macht».

«Die Kantone spüren die Verantwortung»

Weitere Verflechtungen zwischen dem Bund und den Kantonen in diesem Bereich seien der falsche Weg und «finanz- und staatspolitisch verfehlt», so Würth. Die Kantone mit ihren sehr unterschiedlichen Verhältnissen und Voraussetzungen dürften nicht übersteuert werden.

Die Kantone würden durchaus bereits auf die Lage reagieren, denn dass es Anpassungen brauche, sei offensichtlich. So habe etwa der Kanton St. Gallen am Dienstag zusätzlich 36 Millionen Franken für die Prämienverbilligungen gesprochen. «Die Kantone schlafen nicht in dieser Frage», betonte Würth.

Auch Jakob Stark (SVP/TG) wehrte sich dagegen, auf die «dirigistische und zentralistische Lösung» einzutreten, die den Kantonen ihren Spielraum nehme. «Die Kantone spüren die Verantwortung und werden sie wahrnehmen.»

Befürworter kritisieren Untätigkeit

Genau dies aber stellten die Befürworter des indirekten Gegenvorschlages in Frage. Zumindest hätten einige Kantone in den letzten Jahren massiv zurückgesteckt mit ihrer Unterstützung. Der Föderalismus bleibe auch mit dem Gegenvorschlag zur Initiative weiter gewährleistet, sagte Marina Carobbio (SP/TI). «Sonst passiert in den nächsten paar Jahren wieder nichts.»

Der Gegenvorschlag nehme insbesondere jene Kantone in die Pflicht, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen seien, unterstützte sie Peter Hegglin (Mitte/ZG). Müssten sie einen bestimmten Anteil der kantonalen Gesundheitskosten für Prämienverbilligungen aufwenden, hätten die Kantone auch einen Anreiz, Kosten einzusparen.

Das System sei mit dem nationalen Finanzausgleich (NFA) dysfunktional geworden, sagte Paul Rechsteiner (SP/SG). In vielen Familien übersteige die Prämienlast unterdessen die Steuerlast. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) sei nationales Recht. Deshalb sei es Aufgabe des Gesetzgebers, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen.

Alain Berset: Gegenvorschlag kein Paradigmenwechsel

Gesundheitsminister Alain Berset sieht im Gegenvorschlag des Bundesrates keinen Paradigmenwechsel. Es gehe der Landesregierung nur darum, den ausgehandelten Kompromiss beim NFA zu konkretisieren. Die Vorlage sei ausgewogen und strebe eine bessere Symmetrie zwischen Bund und Kantonen bei den Prämienverbilligungen an. Aktuell übernimmt der Bund rund 53 Prozent der Kosten, die Kantone 47 Prozent.

Der Nationalrat möchte über zwei Milliarden Franken für zusätzliche Prämienverbilligungen ausgeben, wie er im Juni beschlossen hat. Die Ständeratskommission hatte ihrem Rat dagegen beantragt, nur rund einen Viertel dieser Summe zu bewilligen und damit dem Gegenvorschlag des Bundesrats zu folgen.

Nach Ansicht der Ständeratskommission sollten die Kantone neu einen Mindestbetrag von 5 bis 7,5 Prozent der kantonalen Kosten der Krankenpflegeversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden. Diese neue Vorgabe hat rund 493 Millionen Franken Mehrkosten für die Kantone zur Folge.

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(sda/hzi/gku)