Im Zuge der unterschiedlichen Diskussionen rund um die Reform der Altersvorsorge taucht auch im Zusammenhang mit der zweiten Säule regelmässig das Wort Solidarität auf. Dies obwohl verschiedene Experten immer wieder von einer «AHV-isierung» des BVG warnen, weil der Grundgedanke der zweiten Säule darin besteht, dass jeder und jede Versicherte für sich selbst spart.

Fakt ist: Seit dem Inkrafttreten des BVG 1985 hat sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich einiges verändert. So ist beispielsweise Teilzeitarbeit mittlerweile gang und gäbe, Erwerbsbiografien verlaufen immer häufiger nicht linear und Patchwork-Jobs, also das Arbeiten in verschiedensten Kleinstpensen, sind salonfähig geworden. Und last but not least steigt die Lebenserwartung nach wie vor an.

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Umverteilung untergräbt BVG-Grundidee

Aufgrund der genannten Entwicklungen können die Leistungsversprechen der Vergangenheit nicht mehr eingehalten werden und die Erträge der aktiven Versicherten werden teilweise für die Renten von Pensionierten verwendet.

Gemäss der Oberaufsichtskommission der Beruflichen Vorsorge flossen in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt jährlich 3,3 Milliarden Franken von den Erwerbstätigen zu den Pensionierten. Eine Solidarität, die eigentlich in der zweiten Säule nichts verloren hat. Die zunehmende Umverteilung untergräbt den Grundsatz des Für-sich-selbst-Sparens und für die Versicherten bedeutet es, dass ihre künftigen Altersleistungen nicht so hoch sind, wie sie sein könnten.

Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Private Vorsorge zeitgemäss gestalten», die in Zusammenarbeit mit der Sammelstiftung Vita realisiert wurde.

Fixer Umwandlungssatz ist unsolidarisch

Solidarität in der zweiten Säule, so Jérôme Cosandey, Directeur Romand und Forschungsleiter bei Avenir Suisse, sei beim Versicherungsteil richtig und wichtig. «Beim Sparteil ist aber der fixe Umwandlungssatz ungerecht und unsolidarisch. Daher ist es gut,
dass die Pensionskassen nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag gewartet und diesen selbst verändert haben. Aktuell liegt der Median-Umwandlungssatz der Pensionskassen bei 5,25 Prozent. Also weit unter den von der Politik festgelegten 6,8 Prozent.

Damit die zweite Säule auch künftigen Generationen finanzielle Sicherheit geben kann, braucht es Veränderungen. Doch solche haben es schwer. Einerseits fassen die Politikerinnen und Politiker die heisse Kartoffel nur ungern an, andererseits hat das Stimmvolk bis dato fast jede Anpassung in der beruflichen Vorsorge abgelehnt.

Vom fixen Renten- zum Referenzalter

Für eine nachhaltige Veränderung der zweiten Säule ist es für Jérôme Cosandey zentral, dass die Verantwortung für den Umwandlungssatz von der Politik entkoppelt wird, der Koordinationsabzug wegfällt und die Lohnbeiträge unabhängig vom Alter gestaltet werden. «In Liechtenstein funktioniert das ja auch, warum also bei uns nicht?»

Weiter müssten die Versicherten in Sachen Vorsorgepläne Wahlfreiheit haben, und zwar bis hin zu der Art der Anlagen. «Mehr Wahlfreiheit würde dafür sorgen, dass sich die Leute mehr für das Thema Pensionskasse interessieren», ist er überzeugt.

Dass auf dem politischen Parkett mittlerweile von einem Referenzalter und nicht mehr von einem Rentenalter gesprochen wird, stellt für den Experten ein Signal in die richtige Richtung dar. «Deutschland erhöht das Rentenalter jedes Jahr um ein paar Monate, Dänemark
koppelt das Rentenalter an die Lebenserwartung, und Schweden hat die Altersgrenze ganz abgeschafft.» Von diesen Ländern könnte sich die Schweiz inspirieren.