In Ihrem aktuellen Marktkommentar kommen Sie zum Ergebnis: «Ja, man kann trotz Hausse noch immer in Aktien investieren.» Welche Gründe sprechen dafür?
Burkhard Varnholt: 
Ich spreche von einem Mehrjahres-Trend – nicht von einer taktischen Einstiegsgelegenheit.

Heisst konkret?
Mein Punkt ist der, dass wir uns in einer Mehrjahres-Hausse befinden, welche in erster und zweiter Linie von der westlichen Geldpolitik, von der hohen Liquiditätshaltung – die sich übrigens als dauerhaft ertragslos erweisen wird – und in dritter Linie von der Überlegenheit von Unternehmen gegenüber Staaten in Bezug auf die finanzpolitischen Dilemmata der nächsten Jahre nährt. Bewusst vergleiche ich die Situation mit der Aktien-Hausse von 1982 bis 2000.

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Wo sehen Sie Parallelen?
Auch diese dauerte länger und trug Aktien höher als selbst die optimistischsten Auguren Mitte der Achtzigerjahre zu hoffen gewagt hätten. Wenngleich diese Hausse nicht frei von Krisen und Korrekturen war – Beispiel 1987. Aus all diesen Gründen empfehle ich einem Anleger, der über einen Anlagehorizont von drei Jahren und mehr verfügt, Aktien gegenüber festverzinslichen Anlagen klar zu favorisieren.

Inwieweit überrascht Sie die aktuelle Hausse?
Sie überrascht mich nicht. Ich argumentiere seit dem Einsetzen der ultraexpansiven Geldpolitik des Westens – also seit Anfang 2009 –, dass wir uns in einer mehrjährigen Aktien-Hausse befinden. Diese steht nun in ihrem vierten Jahr – und dürfte meines Erachtens noch mindestens sechs Jahre anhalten. Selbstverständlich wird sie Rückschläge haben und selbstverständlich traue ich mir nur sehr begrenzt zu, solche zeitlich vorherzusehen. Aber viel wichtiger als die Rückschläge ist das langfristige Momentum – welches letztlich auch dem Grundsatz «Don’t fight the Fed» folgt.

Das lässt sich rückblickend einfach sagen.
In einem Kommentar vom November 2012 (siehe Downloads, Anm. d. Red.) schrieb ich in dem Kapitel «Was uns 2013 überraschen wird» auf Seite 5 als Überschrift eines Unterkapitels: «2013 wird eines der besten Aktienjahre seit langem – trotz zahlreicher, wirtschaftlicher Herausforderungen».

Das tönt alles sehr rosig: Sehen Sie keine Gewitterwolken aufziehen?
Doch, es gibt zahlreiche Gewitterwolken. Doch das war in den vergangenen Jahren nie anders. Diesen Sommer könnten wir aber gleichwohl eine willkommene Kurskorrektur erleben, welche uns neue Einstiegsgelegenheiten beschert. Die wichtigsten Indikatoren für eine solche, kurzfristige Korrektur dürfte die momentan synchrone Abschwächung der Weltwirtschaft und Unternehmensgewinne darstellen, welche Anlegern im zweiten und dritten Quartal wahrscheinlich günstigere Einstiegskurse für Aktien bescheren wird.

Sie stellen die Rechnung auf: Falls der Dow Jones bis ins Jahr 2020 auf 25'000 Punkte klettert, «kann der SMI wohl auch auf 15'000 Punkte ansteigen». Eine Zahlenspielerei – oder halten Sie diese Werte wirklich für realistisch?
Ja, diese Indexstände sind absolut realistisch. Denken Sie nur an die letzten grossen Mehrjahres-Haussen von Aktien. Zwischen 1982 und 2000 genauso wie zwischen 1958 und 1970 stiegen die meisten Aktienindizes um den Faktor zehn – japanische Aktien sogar um den Faktor dreissig. Wenn im Jahr 2020 die wichtigsten Leitzinsen und Bondrenditen – so wie ich es erwarte – immer noch nahe am Nullpunkt stehen, dann müssen Sie damit rechnen, dass Anleger plötzlich bereit sein werden, durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnisse von zwanzig und mehr für gut geführte Aktien zu bezahlen.

Gestützt wurde die jüngste Rekordjagd auch von guten bis hervorragenden Serie an Quartalszahlen.
Genau. In den letzten fünf Jahren haben sich die Gewinne aller im S&P 500 enthaltenen Unternehmen um 140 Prozent mehr als verdoppelt. Solche Entwicklungen stehen im bezeichnenden Gegensatz zu den haushaltspolitischen Dilemmas der Staaten und auch im Gegensatz zur damit verbundenen Zukunftssorge der meisten Investoren und Wirtschaftsbeobachter. Aber der entscheidende Punkt ist, dass zu viele Markt-Kommentatoren nicht zwischen den tatsächlich deplorablen Finanzperspektiven von Staaten und den wesentlich besseren Wachstumsperspektiven von global aufgestellten Unternehmen unterscheiden.

Jetzt wollen wir noch konkrete Titel hören, in die Anleger einsteigen sollen.
Es wäre jetzt inkonsistent, wenn ich Ihnen für den von mir genannten mittleren Anlagehorizont auch noch Aktien-Tipps nennen würde. Denn wir schichten unsere Aktienpositionen einfach zu häufig um, als dass ich Ihnen nun auch Einzeltitel empfehle. Sie sind auch nicht entscheidend, denn erfahrungsgemäss resultieren über 80 Prozent der Performance eines Wertpapierportfolios aus der strategischen Asset Allocation – und nur die letzten zwanzig Prozent resultieren aus der Titel-Selektion.