Die Fenster stehen weit offen in dieser alten Industrieanlage ganz hinten im Glarnerland. Ausserdem treiben grosse Ventilatoren zusätzlich kühle Luft in die Halle. Dort steht Computer neben Computer, die bei hoher Leistung rund um die Uhr vor sich hin rechnen. Doch die Kühltricks helfen kaum. 45 Grad zeigt das Thermometer in der Halle. Die Luft ist stickig, die Hitzeentwicklung der Spezialchips grösser als die Kraft jedes Winterwindes.

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«Die Spezialcomputer rechnen so viel und so schnell sie können. Nur dafür wurden sie gebaut», sagt Guido Rudolphi. Der Cyber-Experte ist Initiator des Projekts in Linthal. Hier erzeugen die Computer durch aufwendige Berechnungen neue Bitcoins. Seit sechs Jahren gibt es nun diese globale digitale Währung, die dank Internet per Handy und Computer überallhin auf der Welt überwiesen werden kann. Nun wollen Investoren Linthal zu einem Knotenpunkt in der Bitcoin-Welt machen.

Schweizer Investoren

Ein Projekt in diesem Ausmass hat es in der Schweiz noch nicht gegeben. Im Grunde geht es in Linthal um den Aufbau einer Serverfarm. Solche Bitcoin-Anlagen gibt es zu Hunderten auf der Welt.  Sie verarbeiten Überweisungen, die weltweit mit Bitcoins getätigt werden. Sie garantieren den reibungslosen Ablauf des neuen Zahlungssystems und führen quasi Buch darüber, auf welchen Konti wie viele Bitcoins liegen. Die Serverfarmen bilden im globalen Verbund das Rückgrat der Bitcoin-Währung.

«Wir sind in Linthal in der Pilotphase», sagt Rudolphi. «Wir möchten hier gerne massiv ausbauen.» Der IT-Sicherheitsberater verfolgt die digitale Währung seit Jahren. Das nötige Kapital für die Investition in Linthal kommt von seiner Firma Cryptocash, hinter der mehrere Investoren stehen. Die meisten davon sind Schweizer, die von der Bitcoin-Technologie überzeugt sind.

«Miner» wie beim Goldschürfen

Selbstlos sind die Betreiber solcher Serverfarmen allerdings nicht. Das müssen sie auch nicht sein, denn für ihre Dienste werden sie entschädigt. Das regelt die Software, die auf allen Bitcoin-Computern weltweit läuft. Konkret erhalten Serverfarmen wie die in Linthal das Recht, in genau festgelegtem Ausmass neue Bitcoins an sich selber auszugeben. Die neuen Einheiten werden quasi aus dem Nichts geschaffen, «gedruckt» und der digitalen Brieftasche der Serverbetreiber gutgeschrieben. Wegen dieses Vorgangs werden die Serverbetreiber in Analogie zu den Goldschürfern auch «Miner» genannt. Sie sind die Einzigen, die neue Bitcoins in Umlauf bringen können. Alle Miner weltweit kontrollieren sich gegenseitig. Darum ist es für sie kaum möglich, zu betrügen.

Auch Rudolphis Firma Cryptocash, die fünf Investoren sowie andere Bitcoin-Enthusiasten, die sich der Serverfarm angeschlossen haben, erhalten solche neu geschaffenen Bitcoins. Die Rechnung für die Beteiligten ist rasch gemacht: Die Serverfarm lohnt sich, wenn diese neuen Bitcoins mehr wert sind als die Kosten für Strom, Miete und Computer. Derzeit erhält man an den Börsen rund 250 Franken für einen Bitcoin. Das ist für die Firma genug, um das Geschäft knapp rentabel betreiben zu können.

Tiefe Stromkosten

Doch der globale Konkurrenzkampf ist hart, denn je grösser die Rechenpower ist, desto höher ist die Entschädigung. Deshalb rüsten alle Miner mit noch mehr und noch neueren Computern auf. «Sehr viel hängt vom Strompreis ab», erklärt Rudolphi. Die Stromkosten sind mit Abstand der grösste Kostenblock. Da zählt jeder Zehntelrappen pro Kilowattstunde. Im Sudan baut eine Investorengruppe gerade eine Anlage in der Wüste, bei einem Preis von rund 2 Rappen pro Kilowattstunde inklusive Kühlung. In Rumänien und einigen US-Bundesstaaten sind die Preise ähnlich. Deutschland ist deutlich teurer.

In Linthal und Umgebung besteht dank Vorzugsenergie aus langfristigen Verträgen die Möglichkeit, grossen Stromkunden einen attraktiven Preis bieten zu können. Letztlich befinden darüber die lokalen politischen Gremien. Der Preis wird aber auch im besten Fall noch über der Dumping-Konkurrenz im Ausland liegen. «Die Schweiz und speziell Glarus haben jedoch andere Vorteile zu bieten», so Rudolphi. Dazu gehören Rechtssicherheit, politische Stabilität, ein starkes Datenschutzgesetz, gute Infrastruktur. Im Fall von Glarus kommen die kurzen Wege zu den politisch Verantwortlichen hinzu. So dauerte es keine 14 Tage, bis nach der konkreten Anfrage die Stromleitung in die Halle verlegt war. «Hier hat man Chancen wie sonst fast nirgends in der Schweiz», sagt Rudolphi. In der Welt von Bitcoin könne man nicht lange zuwarten, sonst sei man weg vom Fenster. Die Dynamik in der Branche sei beträchtlich.

Expansion möglich

Die im Innovationsranking  weit hinten liegende Gemeinde Glarus Süd wurde zuletzt nicht gerade überhäuft mit Anfragen aus dem Technologiesektor. «Natürlich bemühen wir uns um neue wirtschaftliche Aktivität im Tal», erklärt Gemeinderat Hanspeter Zweifel. Er ist beim Projekt die Vermittlungsperson zwischen den politischen Instanzen, der Stromlieferantin, der Liegenschaft und den Investoren. Auch Zweifel weiss, wie wichtig der Strompreis ist. «Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir lokales Gewerbe, das viel Strom benötigt, mit günstiger Vorzugsenergie unterstützen können», sagt er.

Rudolphi erwägt, über Linthal hinaus zu expandieren. Alte Textilhallen und Trafostationen aus lokaler Stromproduktion hat es im Tal genug, um noch mehr Bitcoin-Computer laufen zu lassen. Schon heute lösen die Computer in der Testphase 500 000 Milliarden mathematische Rätsel in der Sekunde (500 Terahash). Für Rudolphi ist denkbar, dass die Computer im Tal dereinst ein Mehrfaches an Leistung erbringen. «Die Bitcoin-Serverfarmen sind idealerweise nur der Anfang», erklärt er. Sie alleine brächten noch kaum Arbeitsplätze, aber es gebe Projekte zur entstehenden Abwärme und andere, die mehr im Hightech-Bereich angesiedelt seien.

In der Industriehalle laufen die Rechner natürlich noch immer. Faustdicke Stromkabel teilen den Raum. Drei Mal pro Sekunde schicken die Menschen irgendwo auf der Welt Bitcoins herum. In Linthal wird – wie im Sudan oder in Island auch – jede einzelne Transaktion aufgezeichnet.