Um sieben Uhr morgens schrillte in der Schweiz der Ticker-Alarm. Banker, die sich müde den Agenturmeldungen auf ihrem Bildschirm zuwandten, waren auf einen Schlag hellwach. «Seit einigen Monaten mache ich mir Sorgen um die Performance einzelner Fonds», war dort zu lesen. «Ich gebe meinen Rücktritt von Absolute Capital Management bekannt.» Die knappen Zeilen vom 18. September 2007 waren das Letzte, was Florian Homm von sich vernehmen liess. Seither bleibt der schillernde deutsche Hedgefonds-Manager wie vom Erdboden verschluckt – und mit ihm 152 Millionen Euro an Geldern, die Anleger in seinen Fonds gewinnbringend angelegt wähnten.
Inzwischen ist Homms Name wieder in aller Munde. Zu verdanken ist dies Josef Resch. Der 63-jährige Bayer stellte kürzlich ein Video ins Internet. Es zeigt ihn hinter einem Stapel säuberlich gebündelter 500-Euro-Scheine, 1,5 Millionen Euro insgesamt. Das ist die Belohnung, die Resch für «alle sachdienlichen Hinweise» zum Aufenthaltsort von Homm verspricht. Resch ist Privatermittler und Chef der Wirtschaftsfahndung Wifka in Lübeck. Er soll Homm finden, bevor es andere tun, und rund 30 Millionen Euro eintreiben, die Reschs Klienten von Homm wiederhaben wollen.
Willkommen bei der CS
Zahlt Homm nicht, soll er den amerikanischen Behörden übergeben werden, die ebenfalls nach dem Hedgefonds-Manager fahnden. Eine heisse Spur führt nun offenbar nach Paris und in die Schweiz. «Wir haben Informationen, dass weiterhin Gelder aus dem Umkreis von Homm in die Schweiz verschoben werden», sagt Resch.
Der Verdacht kommt nicht von ungefähr. Seit Jahrzehnten ist Homm eng mit der Schweiz verbunden. Hier begann sein Aufstieg zu einem der mächtigsten Investoren Europas. Zug und Zürich wurden zu Angelpunkten seines Imperiums. Er fand Helfer und Investoren. Der Legende nach tanzte der über zwei Meter grosse Hühne noch ein letztes Mal im Zürcher In-Klub Kaufleuten, bevor er von der Bildfläche verschwand.
Glaubt man Homms Angaben über sich selber, ging er mit dem Schweizer Finanz-Establishment schon früh auf Tuchfühlung. So will er Anfang der 1990er-Jahre für die Bank Julius Bär in Deutschland gearbeitet haben. Drei Jahre später gründete der damals erst 34-Jährige mit Value Management & Research (VMR) einen eigenen Hedgefonds und spekulierte als einer der Ersten überhaupt auf europäische Nebenwerte. Das erregte Aufsehen, obschon der Fonds zeitweise wegen herber Verluste geschlossen werden musste. Im Jahr 2000 verkündete Credit Suisse Asset Management in Deutschland stolz, dass Florian Homm von VMR als «externer Berater» für einen neu aufgelegten Dachfonds gewonnen worden sei.
Doch ein Jahr später hatte Homm VMR Richtung Mallorca verlassen und führte von dort aus neue Fonds. Gleichzeitig schrieb er für die Firma United Zurichfinance mit Sitz in Zug, an der er beteiligt war, Aktienanalysen. Eine brisante Verbindung. 2004 und 2005 musste Homm in Deutschland Zehntausende von Euro an Bussen zahlen. Der Grund: Er hatte Analysen verfasst, die den Verkauf der betroffenen Aktien nahelegten. In einem Fall ist bekannt, dass sein Hedgefonds massiv von Preisverlusten des derart traktierten Titels profitiert hätte – Kursmanipulation also. Es ist ein Muster, das sich in Homms Karriere wiederholen sollte.
Auch das Schweizer Personal blieb dasselbe. Manager der später liquidierten United Zurichfinance fanden sich bald am Zuger Sitz von Absolute Capital Management wieder. Jene Firma gründete Homm im Sommer 2004 in Mallorca, und sie wurde zum Instrument seines Durchbruchs. In den besten Zeiten war Absolute Capital in London an der Börse kotiert und verwaltete Vermögen von über 3 Milliarden Dollar in acht Hedgefonds.
Zoff um Zander
Im gleichen Jahr glückte Homm ein weiterer Coup. Er kaufte sich in den deutschen Fussballklub Borussia Dortmund ein und liess sich als dessen Sanierer feiern. Ab sofort stand er im Rampenlicht der Medien, wo er sich als Zigarre paffender Firmenschreck in Szene setzte. «Der Plattmacher», wie sie ihn bald nannten, griff mit seinen Hedgefonds auch nach Schweizer Unternehmen.
Absolute Capital war zeitweise an Mobilzone, Ascom, Comet und SIG beteiligt. Heimlich hatte Homm sich zudem ein Aktienpaket an der Medienfirma Highlight Communcations aufgebaut und versuchte den Putsch. Nur haarscharf konnte der Angreifer 2005 vom Verwaltungsrat zurückgeschlagen werden.
Noch dramatischer verlief Homms Part beim Verkauf des deutschen Anlagebauers M+W Zander an die österreichische Beteiligungsfirma Victory. Diese wollte das Unternehmen mit dem in ihrem Besitz befindlichen Schweizer Technologiekonzern OC Oerlikon verschmelzen. Homm hatte sich mit seinen Fonds am Deal beteiligt, verkrachte sich dann aber mit dem Verkäufer, Martin Gruschka, und dessen Springwater Capital. Doch Homm kämpfte mit den härteren Bandagen. Es gelang ihm, Gruschka eine direkte Beteiligung an M+W Zander abzuringen. «Wir haben zuerst gut mit Absolute Capital Management zusammengearbeitet. Erst später hat sich die Partnerschaft unangenehm entwickelt», sagt der in Genf lebende Gruschka heute. Für Absolute Capital habe sich das Geschäft aber gelohnt. «Sie haben ihren Einsatz nach abgeschlossenem Deal doppelt zurückgewonnen.»
Das kriegerische Auftreten von Absolute Capital machte bei Schweizer Investoren offenbar Eindruck. «Homm empfing hiesige Vermögende in seiner Villa in Mallorca», berichtet ein Weggefährte aus jener Zeit. Um wichtige Fonds und Banken zu gewinnen, nahm Homm den Weg in die Schweiz auf sich. «Alle grossen Häuser am Platz wurden kontaktiert», erinnert sich ein Genfer Hedgefonds-Manager. Bei den meisten sei der Deutsche allerdings abgeblitzt – wer dennoch zugegriffen habe, verschweige den Fehlgriff tunlichst. «Noch immer kriegen wir Gänsehaut, wenn wir Homms Namen nur hören», sagt der Branchenkenner.
Andere Investoren wollen jedoch Revanche. «Es ist anzunehmen, dass sich unter unseren Auftraggebern auch Schweizer befinden», sagt Privatermittler Resch.
Klage in Amerika
Am selben Tag, als Homms Verschwinden Schlagzeilen machte, war eine Sitzung mit Geschäftspartnern anberaumt. Diese hätten von Homm gerne wissen wollen, warum dessen Europa-Fonds 500 Millionen Dollar in illiquide amerikanische Nebenwerte investiert hatten.
Die Frage beschäftigte auch die Ermittler der amerikanischen Börsenaufsicht SEC. Sie sahen dahinter bald das Indiz eines gigantischen Anlagebetrugs. 2011 reichte die Behörde Klage gegen Homm und weitere Personen ein. Sie werfen den Beschuldigten vor, die Kurse von nahezu wertlosen Pennystocks nach oben getrieben und den Anlegern teuer verkauft zu haben. Das soll gelungen sein, weil Homm gemäss SEC die Hälfte an der Brokerage-Firma Hunter besessen habe. Über Hunter lief ein Grossteil der Transaktion mit den betroffenen Titeln. Die mutmasslich ertrogene Summe: 63 Millionen Dollar. Noch weit grösser sind die Verluste der Investoren mit Absolute Capital. Die Fonds wurden nach Homms Ausscheiden geschlossen. Der Aktienkurs fiel ins Bodenlose. Als das Unternehmen 2009 von der Börse genommen wurde, waren die 3 Milliarden Dollar Kundengelder auf 2,3 Millionen Dollar geschrumpft.
Spiel mit Kurs von New Value
Im September 2010 wurde Absolute Capital Management in Zug liquidiert. Anrufe bei bis dahin für die Firma Verantwortlichen blieben ohne Antwort. Bis zu Redaktionsschluss nicht zu erreichen waren auch die Lenker von DYVA Holding in Zug. Die Beteiligungsgesellschaft taucht in einer Pressemitteilung der deutschen Immobiliengesellschaft Informica Real Invest in Würzburg auf. Das Unternehmen meldet geflissentlich, dass die Aktienmehrheit ab sofort nicht mehr von Absolute Capital Management gehalten werde, sondern neu von DYVA. Datiert ist die Nachricht auf den 8. April 2009 – anderthalb Jahre nach Homms Verschwinden.
Auch anderswo sind die Erinnerungen an den flüchtigen Spekulanten lebendig. Einmal mehr geht es um frisierte Kurse – und zwar um den grössten solchen Fall überhaupt in Deutschland, den sogenannten «SdK-Skandal». Vergangenen März verurteilte das Landgericht München den früheren Chef der Vermögensverwaltung TBF, Tobias Bosler, sowie Markus Straub, den früheren Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), wegen Marktmanipulationen zu Freiheits- und Geldstrafen.
Die Masche der Verurteilten war immer dieselbe. Sie kauften wenig bekannte Nebenwerte. Dann versandten sie Börsenbriefe aus eigener Feder, die mit spektakulären Versprechungen die Kurse ebendieser Aktien beflügeln sollten. Stiegen die Kurse auf die Nachrichten hin tatsächlich, verkauften die Täter mit Gewinn. 21 Millionen Euro sollen sie so eingeheimst haben – auch auf Kosten von Privatanlegern in der Schweiz. Denn die Aktien der hiesigen Firmen 3S Swiss Solar Systems und New Value sollen manipuliert sein (siehe auch «Handelszeitung» vom 9. Februar 2012). Die Aktionäre der Beteiligungsgesellschaft verloren gleich doppelt, weil sich die Gewinne rasch auflösten und die Aktie in den letzten Jahren massiv Wert einbüsste.
Im SdK-Skandal tauchte auch früh der Name Homm auf. Nicht nur wurden Aktien seiner Absolute Capital Management hochgejubelt. Der verurteilte Bosler war einst Angestellter bei Homm. Die beiden kannten sich ebenfalls von der deutschen Aktienbank VEM her, an der Homm einst beteiligt gewesen sein soll und die infolge des SdK-Prozesses durchsucht wurde.
Zu reden gibt ferner die mysteriöse Firma Swissconsult in Tschechien, die laut Medienberichten dem Umfeld von Homm zugerechnet wird. Gemäss Anklageschrift der Münchner Staatsanwaltschaft wurden über Swissconsult Adresssätze von Anlegern eingekauft, die hernach mit den Börsenbriefen aus der Feder von Bosler beliefert wurden. Der im Prozess verurteilte Markus Straub sieht jedoch keine Verbindung. «Seit dem Untertauchen von Herrn Homm bestand kein Kontakt mehr zu Tobias Bosler, wie dieser mir gegenüber versicherte», so Straub.
Anders sieht das der deutsche Rechtsanwalt Walter Späth, der Geschädigte im SdK-Fall vertritt. «Nachdem nun rechtskräftige Urteile vorhanden sind, bereiten wir für unsere Mandanten zivilrechtliche Klagen vor. In diesem Rahmen untersuchen wir auch mögliche Querverbindungen zum Fall Homm», so Späth.
Auch Ermittler Resch interessiert sich für die Spur. «Gemäss neuen Informationen, die uns zugetragen wurden, besteht ein Konnex zwischen dem Fall Homm und den Vorgängen bei TBF Capital in München», sagt er. Die Jagd geht weiter.