Der Kurs von Bitcoin hat einen neuen Rekordstand erreicht. Mal wieder. Und dies, obwohl der digitalen Währung noch vor einer Woche der Untergang vorausgesagt wurde. Denn damals drohte eine Spaltung in zwei Versionen. Diese Spaltung ist tatsächlich erfolgt, doch den Untergang hat sie nicht herbeigeführt, mehr noch: Der Wahnsinn der Preisexplosion geht weiter, schneller denn je.

Wer heute einen Bitcoin in Dollar tauscht, bekommt dafür knapp 3400 Dollar, mehr als drei Mal so viel wie noch zu Jahresbeginn. Bei Ethereum, einer von unzähligen anderen Varianten der digitalen Währungen, hat sich der Preis innerhalb weniger Monate sogar verfünfzigfacht. Viele Spekulanten haben so Unsummen verdient.

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Technologie hat Zukunft

Doch dies beweist letztlich nur, dass die digitalen Münzen keine Zukunft haben. Bitcoin werden scheitern. Diese Währung wird nicht überleben, weil sie schon lange nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck dient. Vielmehr ist sie zu einem Ort vollkommen entfesselter Spekulation verkommen, an dem sich vor allem Kriminelle und Betrüger wohlfühlen.

Spätestens wenn die aktuelle Spekulationsblase in sich zusammenfällt, werden das auch glühende Fans erkennen, von denen viele derzeit noch vollkommen immun gegen jedwede Kritik sind, darauf sogar meist erbittert und wütend reagieren. Dabei sollten sie sich lieber auf das konzentrieren, was wirklich Zukunft hat: die Technologie, die hinter Bitcoin steckt und die wirklich revolutionär ist.

Wie ein virtuelles Kassenbuch

Um die Emotionen zu verstehen, die mit der Internetwährung verbunden sind, muss man ihre Funktionsweise kennen. Denn daran knüpfen manche eine Vision von einer neuen Finanzwelt, die die Macht völlig neu verteilt und altbekannte Institutionen überflüssig macht.

Bitcoin wurden einst von Internet-Freaks ins Leben gerufen, um damit im Internet bezahlen zu können, unabhängig von herkömmlichen Devisen wie Euro oder Dollar. Revolutionär ist dabei vor allem, dass Bitcoin-Zahlungen in Echtzeit möglich sind, man muss nicht zwei Tage warten, bis das Geld auf dem Konto eintrudelt, sondern es ist in einer Sekunde da.

Ermöglicht wird dies durch die sogenannte Blockchain-Technologie. Man kann sich diese sehr vereinfacht wie ein Kassenbuch vorstellen, in dem alle Transaktionen vermerkt werden. Nur liegt dieses Kassenbuch nicht bei einer zentralen Stelle, sondern jeder Beteiligte hat eine Kopie auf seinem Computer, also beispielsweise alle, die Bitcoin nutzen. Wenn irgendjemand mit Bitcoin bezahlt oder damit handelt, wird dies sofort in allen Kopien des Kassenbuchs vermerkt.

Das Entscheidende: Mit einer solchen Technologie entfällt der Daseinszweck eines Mittlers, also von Banken und Notenbanken, die heute Zahlungen abwickeln. Diese würden in einer Welt, in der alle mit Bitcoin bezahlen, überflüssig. Genau deshalb finden die digitalen Münzen auch und gerade unter Kritikern der gegenwärtigen Notenbankpolitik und Euro-Hassern viele Anhänger. Sie sehen in ihnen eine Alternative, die frei von politischem Einfluss ist.

Verbrecher schätzen die Anonymität

Seit einigen Monaten ist jedoch noch eine andere Gruppe auf die digitalen Währungen aufmerksam geworden: Spekulanten. Denn natürlich kann man Bitcoin auch in herkömmliche Devisen wie Euro oder Dollar tauschen. Hedgefondsmanager oder andere Risikoinvestoren stecken also ein paar Millionen Dollar in Bitcoin oder andere digitale Varianten, treiben die Preise in die Höhe und tauschen die Internetwährungen dann zurück in Dollar – mit gigantischem Gewinn.

Gleichzeitig jedoch werden die digitalen Münzen für ihren ursprünglichen Zweck so gut wie gar nicht mehr eingesetzt: zum Bezahlen. Die Anzahl der grossen Internetplattformen, die Bezahlungen in Bitcoin akzeptieren, ist zuletzt sogar zurückgegangen. Eine gewisse Verbreitung haben Bitcoin nur noch bei kriminellen Geschäften: Drogenhandel, Waffenschiebereien, Geldwäsche. Verbrecher nutzen die Tatsache, dass solche Zahlungen unter Pseudonym und damit anonym ablaufen können.

Die eingefleischten Bitcoin-Fans kann das alles nicht schrecken. Sie sprechen von Anfangsproblemen. Das werde sich beruhigen, auswachsen, normalisieren. Und dann blühe den digitalen Münzen eine glorreiche Zukunft, dann werde der Traum von einer Welt ohne Banken und Notenbanken wahr.

Doch diese Vision wird ein Traum bleiben. Denn Grundvoraussetzung für eine Währung ist, dass die Nutzer Vertrauen in sie haben. Dieses wird jedoch niemals erwachsen, wenn die Währung von Spekulanten und Kriminellen gekapert ist.

Die Wall Street testet schon

Solange diese nicht ausgesperrt werden, haben Bitcoin und Co. keine Chance auf eine Verbreitung als echte Währungsalternativen. Um eine solche Bereinigung zu erreichen, bedürfte es einer zentralen Instanz, eines Regulators. Den gibt es aber bei Blockchain-Währungen nicht, soll es ja gerade nicht geben.

Selbst wenn eine Bereinigung gelänge, so wäre immer noch die Frage, ob eine digitale Währung, die keine Grenzen kennt und weltweit genutzt würde, wirklich wünschenswert ist. Schon der Euro steht oft in der Kritik, weil er höchst unterschiedliche Volkswirtschaften unter ein Dach presst. Bei einer globalen Währung wäre dies noch in weit stärkerem Masse der Fall.

Bitcoin und Co. haben daher keine Überlebenschance. Die Blockchain-Technologie dagegen sehr wohl. Sie könnte unser Leben tatsächlich revolutionieren. In manchen Ländern wird beispielsweise schon überlegt, Grundbücher so zu organisieren.

Der nächste Innovationssprung

Und auch die Finanzindustrie nimmt sich des Themas an. Bundesbank und Deutsche Börse erforschen, wie Blockchains im Wertpapierhandel eingesetzt werden können. Auch an der Wall Street gibt es entsprechende Initiativen. Und vielleicht kann auch das Bezahlen damit revolutioniert werden.

Dies sollte aber unter Aufsicht von Notenbanken und Regulierungsbehörden stattfinden. Bei aller Kritik an ihnen gibt es keine Institution, die besser geeignet ist, in der Bevölkerung das notwendige Vertrauen zu wecken, ohne das keine Währung funktionieren kann.

Wir befinden uns damit in einer ähnlichen Phase wie Anfang 2000, als für Internet-Klitschen, die kein Geschäftsmodell vorweisen konnten, an der Börse Mondpreise gezahlt wurden. Am Ende platzte die Blase, viele dieser Firmen gingen pleite. Doch das Internet überlebte, und erst danach begann die Phase der Kommerzialisierung richtig. Inzwischen sind Firmen wie Facebook zu Giganten geworden, die Anfang 2000 noch nicht einmal existierten.

Genau so wird Blockchain in einigen Jahren Geschäftsmodelle hervorbringen, von denen wir heute noch nichts ahnen, und diese werden unser Leben revolutionieren. Dass dann noch jemand von Bitcoin spricht, ist jedoch unwahrscheinlich.

Dieser Text erschien zuerst bei unserem Schwesterblatt «Die Welt» unter dem Namen «Bitcoin werden scheitern – und die Welt verändern».