Die Schweiz gilt als ein Hort der Stabilität. Millionen Anleger aus aller Welt, auch viele Deutsche, haben dort ihr Geld geparkt und haben in den vergangenen Monaten Schweizer Franken gekauft. Denn in die eigene Währung haben viele das Vertrauen verloren, in der Eidgenossenschaft wähnt man sein Erspartes sicher.

Doch das könnte sich als eine teure Illusion erweisen. Denn die Turbulenzen um den Franken haben in den vergangenen Monaten eine neue Lage geschaffen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist zwischen den Alpentälern eine Geldblase entstanden, die jederzeit platzen kann - mit gravierenden Folgen für die Schweiz, aber auch für Anleger und Sparer, die auf die Stabilität der kleinen und feinen Fluchtburg gesetzt haben.

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Aufwertungsrallye mit Folgen

«Es ist eine völlig unstabile Situation und man weiß derzeit nicht, wie man da wieder herauskommt», sagt Alfred Roelli, Leiter der Finanzanalyse bei der Schweizer Privatbank Pictet. Die Ursache des Problems liegt in der wilden Aufwertungsrallye, die den Schweizer Franken in den vergangenen zwei Jahren auf immer neue Höchststände trieb.

Anfang September erreichte er kurzzeitig fast die Parität zum Euro, in den Wechselstuben erhielt man also für einen Franken knapp einen Euro - noch Anfang 2010 hatte man nur 65 Cent pro Franken bekommen. Das entspricht einer Aufwertung von 50 Prozent.


Daher zog die Schweizer Nationalbank im September die Notbremse. Sie verkündete, dass sie den Kurs ihrer Währung bei 1.20 Franken je Euro festzurren und diese Linie mit allen Mitteln verteidigen werde. Falls nötig, werde sie dazu Franken in unbegrenzter Menge drucken.

Spekulationsende mit Nachwirkungen

Der Erfolg war durchschlagend, die Franken-Spekulation erstarb binnen Minuten, die Grenze hält bis heute.
 Doch auf den zweiten Blick hat sich für die Schweizer Nationalbank damit ein neues Problem aufgetürmt. Denn um diese Grenze zu errichten, musste sie tatsächlich jede Menge Franken drucken, und zwar so viele, dass sich die Geldmenge in kurzer Zeit glatt verfünffacht hat. Um das ins Verhältnis zu setzen: Die US-Notenbank, die seit 2009 schon wie wild die Notenpresse rotieren lässt, hat ihre Geldmenge damit bisher «nur» um rund 230 Prozent gesteigert.


Noch hat das für die Schweiz keine Konsequenzen, denn das viele Geld ist nicht in der realen Wirtschaft angekommen. «Es ist zu hoffen, dass es nur ungenutzt bei diversen Banken rumliegt», sagt Roelli. Doch damit ist die Gefahr nicht gebannt, vielmehr haben es die Schweizer mit einer tickenden Zeitbombe zu tun. Denn natürlich kann das Geld jederzeit in den Wirtschaftskreislauf einsickern.

Was dann passiert, bekamen sie schon einmal Ende der Siebzigerjahre zu spüren. Damals stand der Franken unter ähnlichem Aufwertungsdruck. Im Oktober 1978 zurrte man dann den Wert im Verhältnis zur Deutschen Mark fest. Dies führte dazu, dass die Inflation bis 1981 von 0,5 auf über sechs Prozent stieg. Wenn es dazu diesmal wieder kommt, könnte die Nationalbank gezwungen sein, die Zinsen kräftig zu erhöhen und damit möglicherweise die Konjunktur abwürgen.

Dem Euro ausgeliefert


Ein viel gravierenderes Problem ist jedoch, dass sich die Schweiz mit ihrer Aktion auf Gedeih und Verderb dem Euro und dessen Zukunft ausgeliefert hat. Sollte dieser doch auseinander fallen, ist die Frage, was sie dann mit ihren Euro-Beständen macht. Natürlich wird es Nachfolgewährungen geben, in die ihre Reserven getauscht werden. Doch werden diese dann ab- oder aufwerten?


Das Problem dahinter: Die Geldmenge, die die Nationalbank produziert hat, macht inzwischen rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der Schweiz aus. In den USA sind es beispielsweise nur 20 Prozent. Kleinste Veränderungen im Wert der Geldbestände bei der Schweizer Nationalbank können also schnell Verluste erzeugen, die für die Schweiz nur noch schwer tragbar sind.

Schreckensvision Bankrott


Im günstigsten Fall passiert in den kommenden Jahren gar nichts. Die Geldmenge nimmt nach und nach wieder ab, während gleichzeitig die Inflation leicht ansteigt. Im schlimmsten Fall könnte die Schweizerischen Nationalbank jedoch vor einem Bankrott stehen.


Fritz Leutwiler, der Ende der Siebzigerjahre Chef der Schweizerischen Nationalbank war und die damaligen Massnahmen beschloss, hat seine Politik im Nachhinein übrigens als «grossen Fehler» bezeichnet. So weit ist sein heute amtierender Nachfolger, Philipp Hildebrand, noch nicht.

Doch auch er warnte schon am Tag, als die Bindung des Frankens an den Euro bekannt gegeben wurde: «Der Weg, den die Nationalbank nun beschreitet, ist anspruchsvoll», sagt er: «Er kann mit sehr grossen Kosten verbunden sein.»

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