Eigentlich könnte sich Stefan Borgas wie ein König fühlen. Von seinem Büro im 17. Stock des Basler Hauptsitzes in der Nähe des Bahnhofs hat der CEO des Life-Science-Konzerns Lonza nämlich eine prächtige Aussicht auf die gesamte Nordwestschweiz. Doch Borgas gönnt sich kaum Zeit, diesen Ausblick zu geniessen. Um sich ja nicht ablenken zu lassen, hat er seinen Schreibtisch entsprechend ausgerichtet – nun blickt er bei seiner Arbeit nicht direkt zum Fenster hinaus, sondern an eine nüchterne Wand.

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Beruflich und privat auf Trab

Den Blick in die Zukunft hat sich Borgas damit aber nicht verunmöglicht. «Sei gut organisiert und blicke stetig nach vorne», so umschreibt der 43-Jährige sein Leben. Dieser Satz prägt aber nicht nur sein Berufsleben, sondern dringt auch tief in den privaten Bereich ein. Als Lonza-Chef ist er für über 7500 Beschäftigte verantwortlich, die einen Umsatz von rund 3 Mrd Fr. erzielen. Als Privatmann hingegen wird er von seiner Frau und den gemeinsamen Kindern im Alter von 8, 10, 12 und 14 Jahren auf Trab gehalten. Als Konzernlenker feilt er tagsüber gerade an der Detailplanung bis in das Jahr 2015, als Vater ist er abends eine Stütze, «wenn es um das Einschlagen eines Nagels oder das Helfen bei Hausaufgaben geht», sagt Stefan Borgas.

Planung. Das ist neben dem Blick nach vorne das Stichwort, welches Borgas wohl am besten charakterisiert. «Sprich über deine Projekte und setze diese anschliessend wie angekündigt durch», ist das Motto von ihm und damit auch von Lonza. Denn: «Wir sind uns bewusst, dass wir uns viel aufgeladen haben und jetzt gute Resultate vorlegen müssen. Denn in der Vergangenheit wurde bei Lonza immer wieder viel versprochen, aber nicht eingehalten. Das ist sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Kunden katastrophal.» Diese Offenheit fällt Borgas nicht schwer. «Eine meiner grössten Schwächen ist, dass ich nichts kaschieren kann. Es bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als offen und ehrlich zu sein.»

«Begnadeter Kommunikator»

Dies bestätigt Rolf Soiron, Verwaltungsratspräsident von Lonza. «Borgas ist ein begnadeter Kommunikator.» Dabei fällt besonders auf, dass er dabei locker und humorvoll vorgeht. Im aktuellen Geschäftsbericht lässt er sich wie ein männliches Model mit verschiedenen Gesichtsausdrücken abbilden. Und er trägt kaum je eine Krawatte. Soiron widerspricht aber dem Eindruck, dass dem CEO alles spielend gelinge. «Er arbeitet hart. Aber er möchte signalisieren, dass Probleme da sind, um gelöst zu werden.» Denn die direkten Kontakte sind Stefan Borgas wichtig.

Kein Wunder, dass der Deutsche auch relativ rasch einen engen Draht zur Walliser Regierung aufbauen konnte. Dies ist für Lonza von grosser Wichtigkeit, betreibt das Unternehmen in Visp doch das «Mutterschiff» seiner global vernetzten Produktion. Er ist sich auch nicht zu schade, für einen Tag in die USA zu reisen, um dort einen besonders wichtigen Kunden zu treffen. Kein Wunder, dass er bei offiziellen Auftritten manchmal etwas müde wirkt. «Ich und das restliche Managementteam arbeiten viel – bis an die Grenzen der physischen Erschöpfung.»

Ohne Milch und ohne Zucker

Denn Stefan Borgas ist auch ehrgeizig. «Er weiss, was er will, und wozu er fähig ist», sagt VR-Präsident Rolf Soiron. Er hat aber keine Angst, dass er sich schon bald wieder nach einem neuen Chef für das Unternehmen umsehen muss. «Er hat die Ambition, aus Lonza ein Unternehmen der Champions League zu machen.» Allerdings war Borgas an der Börse bereits als neuer CEO des Basler Pharmakonzerns Novartis im Gespräch. Dafür fehlt ihm momentan aber noch ein Stück Führungserfahrung. «Ich habe noch nicht gesehen, wie er eine ernste Krisensituation bewältigt», sagt auch Soiron. «Aber ich bin überzeugt, dass er es könnte.»

Borgas selbst will «sicher» noch die nächsten fünf Jahre als CEO bei Lonza bleiben – sagts, und steht zum wiederholten Male vom Besprechungstisch auf, um sich bei seiner Teekanne frischen Schwarztee zu holen. Ohne Milch. Und ohne Zucker.

Nachdem Stefan Borgas in Deutschland aufwuchs und einen Teil seiner Kindheit in Frankreich verbracht hatte, wechselte er für das Studium der Betriebswirtschaft an die Universitäten Saarbrücken und St. Gallen. «Ich war ein schneller Student – die Ökonomie ist ja bekanntlich die Balance zwischen Input und Output», blickt er schmunzelnd zurück. Während den vier Jahren, die er an der Universität verbrachte, gönnte er sich nie Ferien. «Gesamthaft habe ich in den Semesterferien ungefähr acht bis zehn Praktika bei verschiedenen Unternehmen und in verschiedenen Ländern absolviert», erzählt er. «Diese waren wie Ferien für mich.» Weil Borgas möglichst rasch den Schritt in die Praxis wagen wollte, wollte er auch keine Dissertation schreiben.

Anschliessend startete Borgas 1990 seine Karriere beim Chemiekonzern BASF. Er war unter anderem Logistikchef einer Kunststoff-Geschäftseinheit, Marketingchef im Bereich der Tiergesundheit oder innerhalb der Feinchemie-Geschäftseinheit für die Regionen Europa, Afrika sowie Naher und Mittlerer Osten und später dann für Nordamerika zuständig. In dieser Zeit lebte er in Europa, in den USA und in China. 2004 folgte der Umzug nach Basel und der Wechsel an die Lonza-Spitze.

Borgas wird schnell unruhig

«Wenn ich mich nach zwei, drei Jahren nicht verändern kann, werde ich unruhig», muss er zugeben. Deshalb delegiert er zwar viel, will über die einzelnen Projekte aber dennoch genau und regelmässig informiert werden. Dabei geht es ihm nicht um die Kontrolle der Mitarbeiter. «Passiert jemandem ein Fehler, wird er bei Lonza deshalb nicht degradiert», sagt er.

«Ich möchte vor allem spüren, dass die Leute mit Begeisterung und Engagement dabei sind. Dann ist das Projekt in guten Händen», erklärt Borgas eines seiner wichtigsten Führungsprinzipien. «Wir vom Managementteam müssen aber ständig aufpassen, die Mitarbeiter nicht zu überfordern.»

Gleichzeitig ist ihm ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zeit für den Beruf und Zeit für das Private wichtig. Er nimmt deshalb drei Wochen Sommer- und zwei Wochen Winterferien. Er hat das Glück, «unheimlich rasch» abschalten zu können. «Wenn ich am Abend mit dem Auto die zehn Minuten von der Arbeit bis nach Hause fahre, ist die Firma anschliessend bereits weit weg.» Dann zählt nur noch die Familie. Eine weitere Gabe von ihm: Er kann «überall» schlafen, etwa im Taxi auf dem Weg vom Flughafen in ein Hotel oder zwischen dem Start des Flugzeuges bis zum Beginn der Verpflegungsausgabe. Borgas leidet laut eigenen Angaben auch nicht an der Zeitverschiebung, die seine ständigen Reisen mit sich bringen. «Jetlag ist aus meiner Sicht ein psychologisches Problem», sagt er.

Hausmusik mit der Familie

«Damit die Glieder nicht einschlafen», geht er drei bis vier Mal pro Woche 5 km joggen. Manchmal schafft es Borgas auch, Tennis oder Golf zu spielen. Er liest im Schnitt zwei Bücher pro Woche; gerne besucht er klassische Konzerte oder Opern. Und alle Familienmitglieder des praktizierenden Katholiken spielen ein Musikinstrument. «An den Wochenenden gibt es bei uns manchmal Hausmusik», erzählt Borgas. Er selbst spielt Cello. Aber auch hier gilt: «An den freien Tagen ins Blaue hinein leben geht bei uns nicht. Weil ich nur wenig Freizeit habe, und auch die Kinder viele Sport- und Musiktermine haben, müssen wir jeweils sorgfältig planen. Auch wenn es manchmal schön wäre, etwas spontaner zu sein.»