Die DT Swiss AG gewinnt die Tour de France eigentlich immer. Egal ob Dauersieger Lance Armstrong oder ein anderer Velofahrer das Feld anführt – das Bieler Unternehmen rollt stets ganz vorne mit. Rostfreie Velospeichen sind seine Spezialität, 230 Mio Stück kommen jedes Jahr aus der Fabrik, Fahrrad-Stars wie Armstrong schwören ebenso auf das Produkt wie fast alle Premium-Hersteller der Velo- Branche.
Der Auftritt von DT Swiss dagegen ist eher unscheinbar. Über die Homepage des Unternehmens flimmern ein paar Bildchen von sportiven Typen im Gelände, daneben eine Schaltfläche für «XR Cross Race», von der nur Insider wissen, was sie zu bedeuten hat. Was der Websurfer nicht erfährt: Kein anderer Anbieter auf der Welt produziert so viele hochwertige Velospeichen wie die Bieler. 50% Marktanteil haben sie auf dem globalen Markt, in den USA dominieren sie das Geschäft sogar vollständig.
Weitab vom Lehrbuch
60 Mio Fr. erwirtschaftet das Unternehmen unter Führung von Marco Zingg; mit seinem Erfolg hat es sich in die Top-Liga hochgearbeitet. Es gehört zu den Hidden Champions, den kaum bekannten Weltmarktführern aus dem Mittelstand. «Gut 2000 Unternehmen zählen weltweit zu dieser Gruppe, 1317 der heimlichen Marktführer kommen aus dem deutschsprachigen Europa, geschätzte 80 davon aus der Schweiz», sagt Hermann Simon, Chairman der weltweit tätigen Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners, die ihr Schweiz-Geschäft über ein Büro in Zürich betreibt. Simon untersucht das Thema seit 20 Jahren.
Meist sind die Hidden Champions in einer lukrativen Nische tätig – und fahren eine Strategie, die nicht im Managementlehrbuch steht. Westiform im bernischen Niederwangen etwa zählt zur Champions League im Mittelstand. 1959, im Jahr seiner Gründung als Spin-off von Westinghouse, war der Betrieb eine kleine Leuchtwerbefirma, die farbige Neonröhren lieferte. Heute dagegen zeigt sich ein ganz anderes Bild: Kein anderes Unternehmen in Europa stellt so viele Leuchtwerbeanlagen und Beschriftungen für Firmengebäude her, 120 Mio Fr. Umsatz bringt dieses Geschäft im Jahr ein. BMW und Alfa Romeo sind Grosskunden – sie statten ihre Niederlassungen in aller Welt mit Schildern, Leuchtreklamen und Logos aus der Produktion von Westiform aus. Auch die weltweit 40000 Tankstellen des Ölmultis Shell werden seit 1995 mit Leuchtlogos von Westiform bestückt. «In unserem Geschäft wollen wir so bekannt wie Coca-Cola sein», beschreibt Alain Schindler, Geschäftsführer des Familienunternehmens, die Philosophie.
Kein Geschäft ist den Schweizer Champions zu nischig: Sicpa liefert fast allen Zentralbanken weltweit die Druckfarben für die Geldscheine, in Augenarztpraxen auf der ganzen Welt stehen fast immer Untersuchungsgeräte von Haag-Streit. Das Muster ist typisch. «Die Champions sind extrem fokussiert. Sie konzentrieren sich auf das, was sie gut können», sagt Simon. Teure Ausflüge in fremde Geschäfte unterbleiben meist – die Nummer-eins-Unternehmen sind das beste Beispiel dafür, dass die alte Weisheit «Schuster, bleib bei deinen Leisten» nach wie vor Bestand hat.
Der Wert zählt, nicht der Preis
Bei Universo etwa ist Diversifizierung auf fremde Märkte unbekannt. Der Betrieb in La Chaux- de-Fonds beliefert den gesamten Weltmarkt mit nur einem Produkt – Zeiger für Armbanduhren. Weil der Heimatmarkt Schweiz diesem Typ Unternehmen zu klein ist, machen diese die Welt zu ihrem Zuhause. Das Inland geschäft ist meist klein, Lantal etwa beliefert 300 Fluggesellschaften mit Sitzbezügen. 94% vom Umsatz dieses Mittelständlers kommen aus dem Ausland.
Um ihren Auftritt machen die Champions meist kein grosses Tamtam, sie haben nicht die Werbekraft eines grossen Markenartiklers. Die Mammut Sports Group als Unternehmen kennt der Mann auf der Strasse nicht, allenfalls die Produkte erregen Aufmerksamkeit. Jedem Alpinisten sind die Kletterseile des Herstellers aus Seon AG ein Begriff, weil es hier kaum konkurrenzierende Angebote gibt. Dazu rüstet Mammut die Bergsportler auch mit Schlafsäcken, Jacken und Rucksäcken aus, die extremen Bedingungen standhalten. «Alles in bester Schweizer Qualität», preist Unternehmenschef Rolf Schmid das Plus auf den Weltmärkten an.
Die Champions erweisen sich als Kraftmaschine in der Volkswirtschaft, wie Hermann Simon herausfand. «9% Wachstum im Jahr», beschreibt er die Früchte des Geschäfts bei einem typischen Champion. Das ist viel im Vergleich zu anämischen 1–2%, die die Gesamtwirtschaft in den letzten Jahren hinlegte. Heute erwirtschaftet ein Hidden Champion im Schnitt 546 Mio Fr. Vor zehn Jahren waren es 167 Mio. Fr. Das ist eine Steigerung um mehr als das Dreifache. Und dies, obwohl die Preise der Champions, je nach Branche, 10–15% über dem Schnitt des Marktes liegen. Die Weltmarktführer haben es gelernt, den Wert der Leistung in den Mittelpunkt zu stellen, nicht den Preis.
Auch die Firmentreue ist gross
Auch der Jobmotor läuft bei den Weltmarktführern aus dem Mittelstand auf Hochtouren: «In den letzten zehn Jahren schufen sie im deutschsprachigen Raum 300000 neue Arbeitsplätze», so Experte Simon. Und die Mitarbeitenden bleiben treu: Die Fluktuation liegt bei niedrigen 2,7% im Jahr, in Grosskonzernen liegt der Wert oft doppelt so hoch. Bei einem typischen Champion sind nach acht Jahren immer noch 80% der ursprünglichen Belegschaft an Bord.
Jahrzehnte dauernde Berufswege gehören hier noch zum Alltag, was nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch dem Unternehmen nützt: «Köpfe bleiben, Wissen bleibt», so lautet der einfache Grundsatz des Wissensmanagements bei den Champions. IT und grosse Datenbanken sind hier verzichtbar.