Kurienkardinal – das klingt bedeutend und geheimnisvoll. Und tatsächlich feiert Kardinal Kurt Koch (65) Weihnachten im Zentrum der Christenheit: gemeinsam mit dem Papst im Petersdom. Bevor die Mitternachtsmesse am 24. Dezember um halb zehn beginnt, wird Koch seine Wohnung im vierten Stock des Palazzo del Sant’Uffizio verlassen, die zwei indische Ordensschwestern für ihn in Stand halten, dann den Petersplatz überqueren und seinen Sitz im Dom einnehmen.

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Predigen wird Koch in seiner römischen Titelkirche (jeder Kardinal hat eine) Nostra Signora del Sacro Cuore di Gesù an der Piazza Navona nicht. Womöglich speist er aber vor der Messe im Ristorante «Vittoria» in der Via delle Fornaci 17 – man kennt ihn dort seit Jahren. Eigentlich ist der Kardinal ein genügsamer Esser: aufgewärmte Dosen-Wienerli, dazu ein guter Whiskey (oder auch zwei) reichen ihm, sagen Bekannte.

Für Prunk und Protz soll Koch, der frühere Bischof von Basel, nichts übrig haben. Bescheiden hatte er vor den Papstwahlen die Hoffnung geäussert, der neue Papst möge aus der wachsenden Kirche Südamerikas kommen. Koch selber hatte für einige Beobachter als Papabile gegolten. Einst hinterfragte Koch das Verbot der Frauenordination und galt in seiner Zeit an der Universität als progressiv, heute als inhaltlich unauffällig.

Die Mitstreiter

Koch trifft sich mit Papst Franziskus (78) angeblich ab und an zum Lunch oder auf einen Wein. Der Argentinier bestätigte Koch in seinen Ämtern, in die der vorherige Papst Benedikt XVI. (88) den Schweizer erhoben hatte. Wie Benedikt gilt Koch als hochintelligenter, aber kopflastiger Wissenschaftler, als brillanter Theologe mit wenig Talent zum Seelsorger.

Seinem Nachfolger als Basler Bischof, Felix Gmür, den Koch bereits zum Priester geweiht hatte, gelingt der Umgang mit Menschen sowie den verschiedenen kirchlichen Strömungen besser. Zu seinem Vorgänger im Amt als Ökumene-Minister des Vatikans, dem deutschen Kardinal Walter Kasper (82), soll Kochs Draht sehr gut sein.

Bei der Bischofssynode 2015, die den Umgang der Kirche mit Homosexuellen und eine Wiederheirat Geschiedener zum Thema hatte, legte Koch als Teil des «Germanischen Zirkels» ein Vorschlagspapier vor, wonach die kirchliche Doktrin nicht angetastet, die Beurteilung von Einzelfällen aber dem Priester vor Ort überlassen werden sollte.

Hier arbeitete Koch mit dem einflussreichen deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller (68) und dem Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx (62) zusammen. Marx ist Mitglied des achtköpfigen Rats, der den Papst in Sachen Reform der Kurie berät. Unterstützend zur Seite steht Koch seit rund 18 Jahren sein theologischer Mitarbeiter und Sekretär Roger Liggenstorfer.

Die Gegenspieler

Einen über Jahre andauernden Streit, der schweizweit Aufsehen erregte, lieferte sich Koch in seiner Zeit als Bischof von Basel mit dem Priester Franz Sabo (62) aus Röschenz in Basel-Landschaft. Stein des Anstosses war Sabos Kritik an der Amtsführung Kochs sowie der Starrheit der römisch-katholischen Kirche. Koch entzog Sabo erst die Befugnis zur Durchführung sakraler Handlungen, suspendierte ihn dann auch vom Dienst und verlangte sogar seine Entlassung aus der Kirchgemeinde. Dazu kam es jedoch nicht. 2008 wurden die Meinungsverschiedenheiten in einem «klärenden» Gespräch beigelegt.

Ebenfalls von Koch abgestraft wurde der Theologe Peter Lack, der in einer homosexuellen Beziehung lebte; eine Verbindung, die der Kirche missfiel. Für diese Entscheidung wurde Koch kritisiert – auch aus kirchlichen Kreisen, etwa vom damaligen Pfarrer Andreas Bammatter oder vom Psychologieprofessor Udo Rauchfleisch, der zur katholischen Begleitkommission des Aids-Pfarramts beider Basel gehörte – zu jenem Zeitpunkt Lacks Arbeitsstelle. Lack verabschiedete sich hier jedoch später und schied auch aus dem kirchlichen Dienst aus.

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