An der noblen Bahnhofstrasse in Zürich kostet der Quadratmeter Ladenfläche 100'000 Franken oder mehr. Dort, an der feinen Adresse mit der Nummer 50, breitet sich der Flagship-Store des Uhren- und Schmuckhändlers Bucherer über mehrere Stockwerke aus. In den Laden kommt nur, wem von innen die Tür geöffnet wird. Wer anschliessend mit dem Lift ins dritte Stockwerk fährt, kommt in den weltweit ersten Sotheby’s-Salon, der sich im Bucherer auf 160 Quadratmetern ausbreitet.

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Eines der grössten Auktionshäuser der Welt bietet dort eine Auswahl an Luxus- und Kunstgegenständen zum Fixpreis an. Darunter einen Diamantring Pink Diamond mit 3,39 Karat für 1,75 Millionen Franken, eine Limited Edition Kelly Bag von Hermès für 225'000 Franken und ein goldfarbener Louis Vuitton x Nike Air Force 1 Sneaker by Virgil Abloh in der Grösse 9 für 9900 Franken.

Herzstück des Salons ist eine Wein- und Spirituosenbar, wo Kundinnen sich ein Glas Champagner, Wein oder Whisky genehmigen oder auch rare Flaschen direkt kaufen können, etwa die Flasche Pétrus Pomerol mit Jahrgang 1998 für 4995 Franken.

In dieser Vitrine zuoberst liegt der weisse Diamant mit 30 Karat, Cushion Cut, für 3,9 Millionen Franken.

In dieser Vitrine zuoberst liegt der weisse Diamant mit 30 Karat, Cushion Cut, für 3,9 Millionen Franken.

Quelle: Christian Schnur für Millionär Magazin

Hier treffen wir Josh Pullan. Der fast zwei Meter grosse Mann ist Chef der Luxusdivision bei Sotheby’s. Mit ihm geht es auf einen kurzen Rundgang durch den Laden. Zuerst steuert er zu einer grossen Vitrine, wo ein Basketballtrikot von Michael Jordan hängt. Es ist der einzige Gegenstand hier, der nicht sofort zu einem Fixpreis gekauft werden kann, sondern versteigert wird.

Wie hoch ist der Schätzpreis dieses Trikots?

1 bis 2 Millionen Franken.

Wie bitte?

Jordan hat es im Jahr 1998 in einem Spiel getragen. Das hat er zwar verloren, aber es inspirierte ihn, die Meisterschaft zu gewinnen. Seinen sechsten und letzten Titel. Jordan hat es auf der Rückseite signiert.

Wenn schon der Schätzpreis für das Inspirations-Shirt bei über 1 Million liegt, was kostet dann das Meisterschaftstrikot?

Das Finaltrikot wurde letztes Jahr für 10,1 Millionen Dollar versteigert. Für mehr, als für eine Sportmemorabilie je bezahlt wurde.

Und das Inspirations-Shirt wird hier in Zürich vor Ort versteigert?

Man kann auch hier mitbieten, aber die Versteigerung findet online statt. Dabei bleiben die abgegebenen Preise verborgen. Die Bieterinnen und Bieter sehen nur, wo sie auf der Rangliste der höchsten Gebote stehen.

Man ist dann etwa Nummer vier auf der Liste, weiss aber nicht, um wie viel man sein Gebot für den Zuschlag erhöhen muss?

Ja, wir haben diese Versteigerungsmethode vergangenes Jahr lanciert, nennen sie Sotheby’s Sealed. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht.

Das Shirt, das Michael Jordan in dem Spiel getragen hat, das ihn zum Gewinn seiner letzten Meisterschaft inspirierte. Schätzpreis: 1 bis 2 Millionen Franken.

Das Shirt, das Michael Jordan in dem Spiel getragen hat, das ihn zum Gewinn seiner letzten Meisterschaft inspirierte. Schätzpreis: 1 bis 2 Millionen Franken.

Quelle: Christian Schnur für Millionär Magazin

Die Preise steigen damit höher als mit anderen Methoden?

Es bringt die Dringlichkeit einer Auktion mit der Diskretion eines privaten Verkaufs zusammen. Am Schluss wissen nur Käufer, Verkäuferinnen und Sotheby’s, zu welchem Preis der Hammer fiel.

Der Käufer wird wohl ein Fan der Chicago-Bulls sein?

Das Trikot ist eine Ikone. Das zieht vor allem Trophäenjäger an.

Kann es auch jemand sein, der gar nie Fan von den Bulls oder von Jordan war?

Ja, stellen Sie sich vor, Sie haben das Trikot zu Hause.

Dann kann ich Besucher beeindrucken.

Sie können sagen, dass es das Trikot ist, das Michael Jordan inspirierte. Wir sehen diese Trophäenmentalität oft.

Neben dem Trikot ist hier alles zum Fixpreis.

Ja, Uhren – etwa von Patek Philipp und Richard Mille –, Handtaschen – etwa von Hermès, Chanel und Louis Vuitton – und sehr seltene Fashion- und Streetwear.

Auch Sneakers.

Ja, die hier für 9900 Franken sind eine Kollaboration von Louis Vuitton und Nike.

Tragen die Käufer solche Schuhe?

Manche ja. Andere sperren sie in einen Safe und berühren sie nie.

Handtaschen und Sneakers sind ein neueres Geschäft für Sotheby’s. Die schwarzen und goldenen Sneakers gibt es für 9900 Franken.

Handtaschen und Sneakers sind ein neueres Geschäft für Sotheby’s. Die schwarzen und goldenen Sneakers gibt es für 9900 Franken.

Quelle: Christian Schnur für Millionär Magazin

Was ist derzeit der günstigste Kaufgegenstand hier?

Wir haben hier einige Handtaschen für um die 3000 Franken.

Welches ist der teuerste?

Ein weisser Diamant, 30 Karat, Cushion Cut, für 3,9 Millionen Franken.

Im Salon sind einige Produktkategorien aus Ihrer Luxusdivision zu sehen. Wo steigen die Verkaufszahlen am schnellsten?

Handtaschen, Turnschuhe, Mode und Sportmemorabilien sind erst seit vier oder fünf Jahren Teil des Geschäfts. Dort wachsen die Umsätze schnell, bringen aber noch nicht die Verkaufszahlen unserer traditionelleren Bereiche Juwelen und Uhren.

Wer sind die Käufer in den neueren Produktkategorien?

Sie ziehen ein jüngeres Publikum an. Oft sind es Erstkunden und Erstkundinnen.

Was heisst «jung» in Ihrem Geschäft?

Jünger als vierzig Jahre. Bei Handtaschen und Spirituosen sind mehr als die Hälfte jünger als vierzig.

Spirituosen sind trendy bei den Jungen?

Ja, bei den Weinen sind die Kundinnen und Kunden etwas älter, aber bei den Spirituosen sind sie jung. Angetrieben sind sie von einer Sammelpsychologie, die ähnlich ist wie jene bei Turnschuhen. Es geht um die Verpackung, um die Schachtel, darum, wie limitiert die Auflage ist.

Und um die Flüssigkeit in der Flasche?

Auch. Aber im Vergleich zum Wein ist es anders. Beim Wein spielt die Verpackung weniger eine Rolle, solange der Saft in der Flasche gut ist. Bei den Spirituosen geht es mehr um die limitierte Edition.

Bei welchen Spirituosen werden die höchsten Preise erzielt?

Schottische Whiskys. Dort werden für rare, alte, sehr seltene Flaschen auch weit über 1 Million Franken bezahlt.

Der Luxusmann

Josh Pullan ist Leiter der Global Luxury Division beim Auktionshaus Sotheby’s. Er war massgeblich an der Einführung neuer wachstumsstarker Kategorien wie Handtaschen, Sneakers und Streetwear beteiligt. Pullan ist schon seit dem Jahr 2006 bei Sotheby’s. Vor seiner jetzigen Position war er zehn Jahre in New York als Global Head of Ecommerce tätig. Pullan hat ein Anwaltspatent in Australien. Zudem hat er einen Master in Art Business vom Sotheby’s Institute of Art in London.

Josh Pullan ist Leiter der Global Luxury Division beim Auktionshaus Sotheby’s. Er war massgeblich an der Einführung neuer wachstumsstarker Kategorien wie Handtaschen, Sneakers und Streetwear beteiligt. Pullan ist schon seit dem Jahr 2006 bei Sotheby’s. Vor seiner jetzigen Position war er zehn Jahre in New York als Global Head of Ecommerce tätig. Pullan hat ein Anwaltspatent in Australien. Zudem hat er einen Master in Art Business vom Sotheby’s Institute of Art in London.

Josh Pullan

Quelle: Christian Schnur für Millionär Magazin

Wo sollte eine Trophäenjägerin heute einsteigen, wenn sie mit ihrer Sammelleidenschaft auf Rendite aus ist?

Ich würde empfehlen, vor allem das zu sammeln, was Spass macht, nicht wegen der Rendite.

Das ist der sicherste und auch einfachste Ratschlag. Aber wo ist die Erfolgswahrscheinlichkeit am höchsten für einen Einsteiger oder eine Einsteigerin?

Ich habe keine Kristallkugel. Aber es könnte sich vielleicht lohnen, in den Kategorien zu schauen, wo die Sammlermärkte noch nicht allzu etabliert sind. Zum Beispiel bei den Sportmemorabilien. Der Markt wächst und wird professioneller, etwa was die Authentifizierung der Sammlerstücke betrifft.

Wie das?

Es geht um Fotoabgleiche, die Sichtung des historischen Filmmaterials und darum, alle Perforationen und die Webart eines bestimmten Hemdes zu verstehen, um wirklich sicher sein zu können, dass eine Sportmemorabilie hundertprozentig authentisch ist.

Wo sonst sehen Sie Chancen?

Man muss Trends antizipieren können. Das gilt für alle Produktkategorien.

Ein Experte für Classic Cars beim Auktionshaus Bonhams hat mir mal gesagt, dass man darauf schauen soll, welche Autos etwa vor vierzig Jahren auf Postern in den Kinderzimmern hingen. Denn wer später das Geld dafür habe, werde genau diese als Trophäen jagen. Gilt das auch in den anderen Luxuskategorien?

Ja, bis zu einem gewissen Grad. Wenn sich die Geschmäcker der Generationen ändern und sich der Wohlstand verlagert, gibt es bei vielen Menschen ein Gefühl der Nostalgie, und man möchte zu dem zurückkehren, was man gesucht oder was einen als Kind oder Jugendliche angesprochen hat. Ich glaube, das ist oft der Fall, ob es nun die Musik ist, die wir in unserer Kindheit gehört haben, oder ob es die Autos sind, die Uhren oder der Schmuck. Aber bei einigen Produktkategorien wie etwa den Weinen glaube ich weniger daran.

Die hängen kaum als Poster in einem Kinderzimmer.

Nein. Es wird sowieso nicht nur Nostalgisches gesucht, sondern auch Zeitgenössisches – wie viele der Uhren, die wir hier haben, oder die Taschen und die Turnschuhe. Die sind oft dieses oder letztes Jahr in sehr limitierten Auflagen produziert worden. Bei diesen Produkten geht es mehr um Qualität und Rarität.

Der Sotheby’s Salon im Flagship-Store von Bucherer an der Bahnhofstrasse 50: Auf 160 Quadratmetern können hier rare Luxusgüter des Auktionshauses zum Fixpreis gekauft werden.

Der Sotheby’s Salon im Flagship-Store von Bucherer an der Bahnhofstrasse 50: Auf 160 Quadratmetern können hier rare Luxusgüter des Auktionshauses zum Fixpreis gekauft werden.

Quelle: Christian Schnur für Millionär Magazin

Haben es die Classic Cars bei den Jungen schwierig?

Wieso sollten sie?

Weil sie viel Benzin verbrauchen und das Klima schädigen. Ein Thema, das bei den Jungen viel Aufmerksamkeit geniesst.

An Autoauktionen haben wir oft tausend Leute im Saal. Darunter sind viele Familien, generationenübergreifend und -verbindend. Grosseltern, Eltern und Kinder. Sie teilen die Freude an den Autos und deren Schönheit.

Sie glauben also stark an den Markt.

Sicher, am 13. November werden wir in New York einen Ferrari GTO aus dem Jahr 1962 versteigern. Der Schätzpreis liegt bei über 60 Millionen Dollar.

Dieser Wagen wird so angepriesen: «One Lifetime. One Car. One Chance.»

Der GTO ist mehr als ein Auto, er ist auch Kunst und Kultur.

Für eine solche Ikone spielt die Wirtschaftskonjunktur wohl keine Rolle?

Nein, sowieso nicht. Auch insgesamt läuft unser Geschäft gut. In der ersten Hälfte dieses Jahres konnten wir 10 Prozent zulegen, im Vergleich zum Vorjahr.

Aber die Zeit des billigen Geldes, der tiefen Zinsen ist vorbei.

Das brachte vielleicht ein bestimmtes Käufersegment zum Verschwinden oder zumindest dazu, einen etwas kühleren Kopf zu bewahren. Aber das hatte keinen wesentlichen Einfluss auf unser Geschäft.

Das soll mit dem Salon-Konzept hier bei Bucherer weiter blühen.

Für unseren Geschäftsplan ist es von entscheidender Bedeutung, dieses Einzelhandelsumfeld und das Fixpreisgeschäft auszubauen. Die Auktionen sind fantastisch, aber manchmal entspricht das nicht den Bedürfnissen der Kundschaft. Die Möglichkeit, hierherzukommen, etwas zu kaufen und es gleich mitnehmen zu können: Das ist etwas anderes, als bei einer Auktion zu bieten und zu gewinnen oder zu verlieren.

Inzwischen gehört Ihr Geschäftspartner Bucherer zur Uhrenfirma Rolex. Hat das einen Einfluss auf Ihr Geschäft? 

Wir sind begeistert von unserer Partnerschaft mit der Firma Bucherer und freuen uns über die Veränderungen für sie. Wir sind also genauso aufgeregt, wenn nicht sogar noch mehr, was die Zukunft angeht.

Ich sehe, Sie tragen heute selber eine Rolex. Und ich habe auf Ihrem Instagram-Profil gesehen, dass Sie die Daytona mögen.

Ja, ich habe mehrere Uhren.

Ein Sammler?

Würde ich nicht sagen. Aber irgendwie hat man dann doch ein paar mehr, als man dachte. Das ist, weil mein Job auch Spass macht. Mein Job sind Autos, Wein, Spirituosen, Uhren, Schmuck, Sneakers und Sport. Meine Frau neckt mich deswegen manchmal.

Sammeln Sie Autos?

Ich mag Autos, aber als Sammler würde ich mich hier auch nicht bezeichnen. Ich habe einen modernen Porsche 911er, einen Carrera T.

Wieso dieses Auto?

Er ist manuell geschaltet. Das war mir sehr wichtig. Und er hat eine schöne Symmetrie. Mein Vater hatte auch immer einen 911er. Meiner ist jetzt eine schöne Fortsetzung dieser Familientradition. Ich hoffe, dass meine Kinder auch mal Spass daran haben werden.

Vielleicht haben sie dereinst selbstfahrende Autos.

Selbstfahrende Autos sind eine andere Art, sich von A nach B zu bewegen. Aber ich glaube nicht, dass das Fahren ist. Ich glaube nicht, dass manuelle Autos verschwinden werden.

Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der Handelszeitung, erschienen (Oktober 2023).