Pro, Contra oder doch noch unentschlossen? Viele Wähler tun sich schwer, was sie von der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) halten sollen, über die am 5. Juni abgestimmt wird. Die Antworten zu vielen Fragen sind komplex, die Auswirkungen unvorhersehbar. Werden mit einem Grundeinkommen alle aufhören zu arbeiten? Wer soll das alles bezahlen? Und kommen dann immer mehr Ausländer in die Schweiz?

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In der langen Nacht zum Grundeinkommen im Theater Basel versuchten Politiker, Akademiker und Kulturschaffende, Kurzantworten auf die drängendsten Fragen zu geben. Ein Überblick über die Ansätze der Befürworter und Gegner des BGE.

Wie soll das Grundeinkommen finanziert werden?

Pro: Filmemacher und Initiant Enno Schmidt argumentiert, dass unsere Löhne um die Höhe des BGE sinken würden, sollte dieses eingeführt werden. Dasselbe gelte für die Sozialleistungen und dadurch auch für die Steuern, weil der Staat nicht mehr so viel einnehmen müsste um die Sozialleistungen zu finanzieren. Diese tieferen Lohn-, Steuer- und Sozialkosten würden dann zu niedrigeren Preisen auf dem Markt führen. Diese Preisdifferenz entspreche nun dem Guthaben, mit dem das BGE finanziert werden könnte – in Form einer Abgabe oder Steuer.

Contra: Finanzprofessor Reiner Eichenberger von der Universität Fribourg widerspricht dem vehement. Um die 208 Milliarden Franken* für das BGE aufzutreiben, bräuchte es ungeheuerliche Steuersätze, sagt er. Wälzte man die Kosten auf die Mehrwertsteuer ab, stiege diese massiv an. Wolle man das BGE über die Einkommenssteuer finanzieren, könnte diese auf bis zu 100 Prozent steigen. Auch eine Finanztransaktionssteuer sei keine Option - dafür sei der Finanzmarkt zu klein. Das BGE über eine Steuer finanzieren zu wollen treibe die Menschen in die Schattenwirtschaft, der Staat entwickle sich zum Kontrollorgan, das seine Bürger überwacht um Steuern einzutreiben.

Wer arbeitet dann noch?

Pro: Prof. Dr. Theo Wehner, Arbeits- und Organisationspsychologe an der ETHZ, geht davon aus, dass der Mensch ein tätiges Wesen ist. Dieses könne zwar durch Anreize motiviert werden, zu arbeiten. Dieser Arbeitswille könnte aber auch durch Selbstbestimmung gespiesen werden. Ein BGE würde uns demnach also nicht alle dazu bewegen, nicht mehr zu arbeiten. Das BGE biete ihm zufolge vielmehr die Möglichkeit, von einer Arbeits- zu einer Tätigkeitsgesellschaft zu wechseln. Hier könnten wir in bislang unbezahlten Bereichen arbeiten oder in Bereichen tätig werden, die heute noch gar nicht bearbeitet würden.

Contra: Avenir Suisse-Projektleiter Lukas Rühli befürchtet, dass mit die Teilzeitarbeit mit einem BGE wegfallen würde. Es würde sich etwa für Mütter nicht mehr lohnen, überhaupt zu arbeiten. Das BGE sei also ein Weg, Frauen zurück an den Herd zu schicken. Auch die Niedrig-Qualifizierten würden aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, weil ihr Einkommen kaum höher wäre, als das BGE. Dieses würde zu einer Zweiklassengesellschaft führen: Schlechtgebildete würden weniger arbeiten, während Gutgebildete sich fragen würden: Wieso finanziere ich mit meiner Arbeit eigentlich die Nichtverdienenden? Letztere würden Rühli zufolge als Konsequenz häufiger das Land verlassen.

Kommen dann noch mehr Ausländer in die Schweiz?

Pro: Prof. Dr. Sascha Liebermann von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft sagt, ein BGE ändere nichts an der Zuwanderung. Wenn europäische Länder heute schon attraktiv für Länder mit weniger Wohlstand seien, würde das BGE keine bedeutsame Veränderung mit sich bringen. Denn die Frage, ob jemand einen Aufenthaltsstatus erhält, der ihn zum Grundeinkommen berechtigt, die bleibe in Zukunft so wie sie heute auch beantwortet werden müsse.

Contra: Avenir Suisse-Projektleiter Lukas Rühli widerspricht: Die Schweiz werde mit einem BGE viel attraktiver für Einwanderer. Bei der Zuwanderung aus Drittstaaten werde sich wohl kaum etwas ändern, da diese kontingentiert seien.  Das Problem stellte sich mit der Zuwanderung aus der EU, aus der dank der Personenfreizügigkeit einfacher Menschen in die Schweiz ziehen könnten.

Werden damit alle Sozialleistungen gestrichen?

Pro: SP-Nationalrätin Silvia Schenker sagt, die Absicht der Initiative sei nicht, alle Sozialleistungen zu streichen. Sie stelle sich ein System vor, in dem neben dem BGE auch Ergänzungsleistungen bestünden - ähnlich wie bei der heutigen AHV. Menschen, die heute die AHV-Beiträge zahlen, bekämen die AHV im Prinzip bedingungslos. Wer davon nicht leben könnte, habe auch heute schon das Recht auf Ergänzungsleistungen.

Contra: Basler FDP-Parteipräsident Luca Urgese hält dagegen: Auf lange Sicht würden Sozialleistungen seiner Meinung nach gestrichen. Sozialversicherungen basierten auf Solidarität der Mitmenschen. Wenn jedoch einige anfingen, nicht mehr zu arbeiten, sei dies der Anfang vom Ende der Solidarität: Viele seien dann nicht mehr bereit, mit einem zwangssolidarischen Grundeinkommen für jene Mitmenschen zu arbeiten, die die Solidarität missbrauchten.

*so viel würde das BGE nach einer Berechnung des Bundes etwa kosten