Die Schweizerischen Bundesbahnen sind der wohl konkreteste Ausdruck der Willensnation Schweiz. Sie sind das Resultat dessen, was sich Regierungen und Volksvertreter im Land wünschen – öffentlicher statt privater Verkehr, Güterverlagerung statt Lastwagenlawine. Sie sind ein Vehikel der Regionalpolitik, Arbeitsplatzbeschaffer in Randregionen und Tummelplatz für Staatsdiener. Kurz: Die SBB sind ein seltsames Gebilde voller struktureller Widersprüche. Das beginnt bei der Rechtsform, spiegelt sich in der Organisation und wird deutlich in der Art, wie ihre Kader das Geschäft im Personenverkehr und vor allem im Gütertransport betreiben.
Jedenfalls lohnt es sich, im Vorfeld der 6-Milliarden- Franken-Abstimmung über die FABI-Vorlage morgen über die Eigenheiten der Bundesbahn nachzudenken. Schliesslich geht es darum, wie die Bahninfrastruktur im kommenden Jahrzehnt finanziert und vor allem ausgebaut werden soll. Und es geht um eine erhebliche Summe an Steuergeldern, die nach dem Abstimmungssonntag nicht mehr anders eingesetzt werden können.
Die wichtigsten Partner der SBB sind die Steuerzahler
Gegen aussen hin tragen die SBB die Kleider eines Unternehmens. Sie sind eine Aktiengesellschaft mit den üblichen Organen. Aber: Die SBB AG ist «spezialgesetzlich», ihre Aktien liegen zu 100 Prozent beim Bund. Das Unternehmen ist ein verkleideter Staatsbetrieb. Sein oberstes Organ nennt sich Generalversammlung, ist aber faktisch der Bundesrat. Im Strategiegremium, das sich wie in der Privatwirtschaft Verwaltungsrat nennt, sind altgediente Verwaltungskader, Gewerkschafter und Verbandsfunktionäre bestens vertreten. Gestalterischer Spielraum ist kaum vorhanden, strategische Würfe politisch unerwünscht. Gemäss SBB-Gesetz legt der Bundesrat die strategischen Ziele in einer Vierjahresplanung fest. Daraus leitet sich eine Leistungsvereinbarung ab, die durch das Parlament zu genehmigen ist. Zudem stecken die Bundespolitiker einen Zahlungsrahmen ab. Nur die Vergütungen im Gremium orientieren sich an marktwirtschaftlichen Usanzen. Immerhin ist ihre Höhe vergleichsweise bescheiden.
Wären die SBB kein parastaatliches Gebilde, müssten sie schrumpfen
Ohne die Steuerzahler wären die SBB in akuter Not. Statt auszubauen, müssten sie schrumpfen – massiv. Der Güterverkehr wäre per sofort einzustellen. Die Sparte hat zwar viele Tonnen CO₂ eingespart, ist aber dennoch eine Verbrennungsmaschine: In vierzig Jahren hat sie nie einen Rappen Gewinn gemacht. Im Personenverkehr sind nur wenige Strecken zwischen den Ballungszentren lukrativ, der regionale Rest wird von den Kantonen «bestellt » und finanziert. Insgesamt verschob die öffentliche Hand im Jahr 2012 die Summe von 3,1 Milliarden Franken in die Kassen der SBB – ohne Berücksichtigung der Milliarde für die Neat-Firma Alptransit. Versiegte dieses Geld, könnte die Bahn die Schienen, auf denen sie fährt, nicht bezahlen – von Investitionen in die Zukunft ganz zu schweigen. Dennoch prangen in den Geschäftsberichten Jahr für Jahr Konzerngewinne in Millionenhöhe. Die Staatsbähnler sind eben auch begnadete Alchemisten.
Natürlich ist das polemisch, natürlich machen die SBB einen anständigen Job. Das sollen sie auch – schliesslich handeln sie als steuerabhängiges, parastaatliches Gebilde in unser aller Auftrag. Allerdings müssen wir aufhören, die SBB als Unternehmen zu begreifen. Sie sind Service public – Punkt und Schluss.
Übrigens könnte die Bahn – Handgelenk mal Pi – für knapp 500 zusätzliche Steuerfranken pro Kopf und Jahr komplett auf Einnahmen von Passagieren und Kunden verzichten. Alle könnten die SBB gratis – respektive steuerfinanziert – benutzen. Freie (Bahn-)Fahrt für freie Bürger. Ein völlig abwegiger Gedanke? Oder einfach nur konsequent?