Die Waadt wartet bei den Unternehmenssteuern nicht länger auf Bundesbern und setzt ihre eigene Vorlage bereits auf Anfang 2019 um. Der Schritt dürfte den Steuerwettbewerb unter den Kantonen neu lancieren. Der Druck auf eine rasche Lösung auf Bundesebene wächst.

«Wir nehmen unser Schicksal in die Hände», sagte der Waadtländer Finanzdirektor Pascal Broulis (FDP) am Mittwoch vor den Medien in Lausanne. Sämtliche Kantone hätten die Dringlichkeit der Unternehmenssteuerreform stets betont.

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Verschärfter Steuerwettbewerb

Die Waadt senkt die Unternehmenssteuern, ohne die Kompensationszahlungen aus Bern über die höhere Beteiligung an der direkten Bundessteuer abzuwarten. Im 2018 müssen normal besteuerte Unternehmen 20,95 Prozent Steuern zahlen, ab 2019 noch 13,79 Prozent. Das sorgt für massive Unterschiede am Genferseebogen. Im Kanton Genf liegt der Steuersatz für die normal besteuerten Unternehmen bei derzeit 24,2 Prozent.

Dennoch wollte der Waadtländer Finanzdirektor den Entscheid nicht als Kriegserklärung im Steuerwettbewerb unter den Kantonen verstanden wissen. «Ich habe mit über 15 Amtskollegen in der Schweiz telefoniert, und alle begrüssen die Arbeit der Waadt», sagte Broulis.

Genf drängt auf rasche Umsetzung

Auf allfällige Zuzüge von Unternehmen aus anderen Kantonen angesprochen, entgegnete der Waadtländer Finanzdirektor: «Das ist eine gesunde Konkurrenz, wenigstens bleiben die Steuererträge in der Schweiz, die Wertschöpfung wird in diesem Fall mit dem Finanzausgleich unter den Kantonen umverteilt.»

Der Finanzdirektor des Nachbarkantons Genf, Serge Dal Busco (CVP), betonte in einer ersten Reaktion die Bedeutung einer raschen Umsetzung auf Bundesebene. Auch die Genfer Parteien müssten nach dem Entscheid des Nachbarkantons ihre Verantwortung wahrnehmen, hielt Dal Busco fest.

Vom Volk abgelehnt

In der Waadtländer Umsetzung auf 2019 ist der Kernpunkt der Unternehmenssteuerreform auf nationaler Ebene, die Abschaffung der Statusgesellschaften, nicht enthalten. Von diesem Privileg profitieren bislang international tätige Firmen in der Schweiz.

Weil die Ungleichbehandlung von normal besteuerten Firmen und Statusgesellschaften international nicht mehr akzeptiert wird, muss sich die Schweiz bewegen. Die USR III wurde jedoch am 12. Februar vom Schweizer Stimmvolk mit 59,1 Prozent Nein-Mehrheit verworfen.

Soziales Ausgleichspaket

Ganz anders im Kanton Waadt, wo die Regierung den Stimmberechtigten bereits am 20. März 2016 eine kantonale Umsetzungsvorlage zur Abstimmung vorlegte. Es resultierte ein überwältigendes Ja von 87,12 Prozent. Ein Hauptgrund für die hohe Zustimmung war das soziale Ausgleichspaket, welches der Finanzdirektor Pascal Broulis (FDP) zusammen mit dem Gesundheits- und Sozialdirektor Pierre-Yves Maillard (SP) geschnürt hatte.

Es sieht einen massiven Ausbau der Verbilligung der Krankenkassenprämien vor, höhere Kinderzulagen und generell eine Stärkung der Kaufkraft der Familien und Haushalte mit mittleren und tiefen Einkommen.

Reformfreudige Sozialdemokraten

Obwohl die SP auf nationaler Ebene die USR III bekämpfte, sprachen sich die Sozialdemokraten in der Waadt stets für die Reform aus und begrüssen auch deren rasche Umsetzung, weil ab 2019 auch das soziale Ausgleichspaket vollständig umgesetzt wird. Diesem Beispiel folgt im kleinen Rahmen auch die Bundespolitik. Im Nachfolgeprojekt der USR III auf nationaler Ebene, der Steuervorlage 17, ist ebenfalls eine Erhöhung der Kinderzulagen vorgesehen. Zudem wurde die zinsbereinigte Gewinnsteuer – ein Hauptkritikpunkt der Gegner der USR III – aus dem Projekt gestrichen. Die Steuervorlage 17 befindet sich noch bis Anfang Dezember in der Vernehmlassung.

Die Waadt kostet der Verzicht auf die Kompensationszahlungen des Bundes 94 Millionen Franken. Durch den Aufschub der leichten Steuererhöhungen für die bisherigen Statusgesellschaften entgehen dem Waadtländer Fiskus weitere 34 Millionen Franken. Die Waadt legt für die Jahre 2019 und 2020 in diesem Jahr je 128 Millionen Franken beiseite. Dafür braucht es keinen Beschluss des Kantonsparlamentes mehr, weil die Budgetregeln auch in den kommenden Jahren eingehalten werden, obwohl sich Defizite abzeichnen.

Neue Schulden

Die Waadt nimmt auch eine erneute Anhäufung der im letzten Jahrzehnt fast vollständig getilgten Schulden in Kauf. Auf nationaler Ebene beschreitet die Waadt damit einen einzigartigen Weg, sagte am Mittwoch Charles Juillard (CVP), Finanzdirektor des Kantons Jura und Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren, auf Anfrage.

Der anvisierte Steuersatz von knapp 14 Prozent sei im Vergleich mit anderen Kantonen nicht aussergewöhnlich, eine vorzeitige Umsetzung könne sich aber nicht jeder Kanton leisten. Juillard räumte ein, dass der Schritt der Waadt den Steuerwettbewerb verstärken wird. Deshalb müsse die Steuervorlage 17 rasch umgesetzt werden. Charles Juillard rechnete mit einer Umsetzung per 2020. «Eine Verspätung auf 2021 wäre äusserst schädlich für den Wirtschaftsstandort Schweiz

(sda/ise/mbü)