Es war eine symbolische Geste in Zeiten der Krise. Als die Chefs ihren Angestellten in der Schweiz im Sommer längere Arbeitszeiten aufbrummten, erklärte sich auch der Verwaltungsrat bereit, auf einen Zehntel seines Jahreshonorars für 2011 zu verzichten.
Für die wichtigsten Aktionäre des angeschlagenen Berner Technologieunternehmens sind die Sitzungsgelder allerdings sowieso nur ein Klacks. Willy Michel verdiente mit Insulinspritzen Millionen. Michael Pieper machten Küchen reich. Zusammen mit den Gründerfamilien besitzen sie zwei Drittel der Adval-Tech-Aktien. Da können sie einige tausend Franken ausfallende Honorare verschmerzen.
Weh tut Adval Tech den beiden Industriellen trotzdem. Der Produzent von Metall- und Kunststoffteilchen für so unterschiedliche Kunden wie Autobauer, Medizinaltechnikbetriebe oder Konsumgüterhersteller steckt seit Jahren tief in den roten Zahlen. Eine Wende ist nicht in Sicht. Zuerst machte der Traditionsfirma die Krise der Autoindustrie zu schaffen. Mittlerweile zwingen sie die starken Währungen in den Produktionsländern zu immer härteren Einschnitten. Adval Tech musste bereits Fabrikationsstätten schliessen. Anderen Werken droht das Aus.
Entsprechend verunsichert sind die Angestellten. Auch unter den Aktionären ist die Stimmung nicht gut. Schon länger erhielten sie keine Dividende mehr, der Kurs sank über die letzten fünf Jahre um rund die Hälfte. Langsam verlieren die Grossaktionäre die Geduld. «Bis im Frühling müssen Entscheide fallen», fordert Michel. «Alles steht zur Diskussion.»
Geld für Investitionen fehlt
Es sind harte Worte für einen, der vor bald fünf Jahren noch voller Elan und Optimismus bei Adval Tech eingestiegen war. Michel hatte den Gründerfamilien Styner, Bienz und Dreier für geschätzte 45 Millionen Franken über einen Fünftel am Unternehmen abgekauft. Damit sicherte er seiner Medizinaltechnikfirma Ypsomed einen direkten Zugang zum Zulieferer.
Michel war vom Wissen Adval Techs in der Spritzgusstechnologie begeistert. Er sah im «fantastischen Werkzeugbauer mit tollen Fertigkeiten» noch viel Potenzial. So liess sich der Investor wie Grossaktionär Pieper vor ihm in den Verwaltungsrat wählen. Dort wollte er die zukunftsträchtige Medtech-Sparte entscheidend stärken.
Doch Adval Tech sieht noch immer wie ein Gemischtwarenladen aus. Verpackungen für Glace gehören genauso zum Sortiment wie ABS-Bremssysteme und Injektionsspritzen. Damit besteht «die Gefahr, sich zu verzetteln», wie ein Insider sagt. Hält die Gesellschaft an allem fest, fehlt ihr auch das Geld für Investitionen. Ohne dieses kann Adval seine Strategie aber nicht umsetzen und im Medtech-Markt zulegen. Die Abhängigkeit von der zyklischen Autoindustrie bleibt bestehen.
Eigentlich ist das am Hauptsitz in Niederwangen allen klar – und so scheut sich Michel denn auch nicht zu sagen: «Wir müssen uns fragen, ob wir alle Bereiche weiterführen wollen.» Verkauft ist damit noch nichts. Offenbar hat Verwaltungsratspräsident Walter Grüebler zuletzt immerhin mehrere Offerten geprüft – Kaufangebote für einzelne Sparten oder das ganze Unternehmen. Bestätigen will er dies freilich nicht. Der gut vernetzte Industriemanager, der auch Sika präsidiert, sagt nur: «Heute muss man für alles offen sein. Man muss in Szenarien denken.»
Ein solches Szenario ist etwa, die Autosparte von Adval Tech mit dem Lysser Industriezulieferer Feintool zu verschmelzen. Interessant wäre ein solcher Plan vor allem deshalb, weil Adval-Aktionär Pieper am Feinschneidetechnologie-Konzern Feintool die Mehrheit hält. Vor einigen Monaten liess er sich denn auch mit der Aussage zitieren, dass ein Schulterschluss «in Teilbereichen denkbar» sei.
Doch nun hüllt sich der Investor plötzlich wieder in Schweigen. Fragen zu Adval Tech möchte er derzeit nicht beantworten. Auch Pieper soll aber langsam ungeduldig sein, ist aus seinem Umfeld zu erfahren. Und Unternehmer Michel bestätigt: «Pieper und ich sprechen die gleiche Sprache. Wir ziehen am selben Strick.»
Die Gründerfamilien der Firma treffen sich hingegen kaum noch. «Seit dem Tod von Rudolf Styner vergangenes Jahr ist der Zusammenhalt nicht mehr so stark», sagt Hansruedi Bienz. Der frühere Adval-Chef geht nur noch selten bei der Firma vorbei. Einmischen mag er sich trotz seinem Aktienpaket von 7,5 Prozent nicht mehr. Auch Hans Dreier, der für die Familien im Verwaltungsrat sitzt, äussert sich nicht.
Für Präsident Grüebler ist aber immerhin klar: «Wir müssen vorwärtsmachen.» Hoffnung gibt den Managern der Autobauer BMW. Adval Tech stellt für den Konzern in Ungarn seit einigen Wochen Plastikteile für die Trennung von Luft und Wasser im Kühlerraum der Wagen her. Ein Referenzprojekt. Kommendes Jahr sollen die Artikel auch in der Fertigungsstätte in China in Grossproduktion gehen.
Schweizer Werke gefährdet
Die Probleme der Schweizer Standorte sind damit aber noch nicht gelöst. Abhilfe schafft auch das andere neue Vorzeigeprojekt nicht. Die Kunststoffteile für Spritzen, die Adval Tech für den Medizinaltechnik-konzern Becton Dickinson macht, werden in einem Werk in Mexiko produziert.
Damit die Schweizer Werke langfristig überleben können, muss sich der Franken weiter abschwächen. «Der Euro-Kurs muss bei mindestens 1.30 Franken liegen», sagt der inzwischen abgetretene Adval-Tech-Chef Jean-Claude Philipona. Sonst sei man gezwungen, neue Aufträge ausserhalb der Schweiz auszuführen und Investitionen im Ausland zu tätigen.
Auch nach zwei Jahre langer Restrukturierung fertigt Adval Tech allerdings noch immer zu rund 40 Prozent in der Schweiz. Trotz Aufgabe der Werke in Wolfwil sowie Merenschwand arbeiten hierzulande weiterhin 540 der total 2500 Angestellten.
Das ist auch ohne starken Franken eine Bürde: Ein Angelernter kostet den Betrieb in der Schweiz mindestens 3500 bis 4000 Franken im Monat, wie Patron Michel vorrechnet. In Ungarn lägen die Stundenlöhne dagegen nur bei 3 bis 4 Euro – inklusive Sozialleistungen. «Da liegt die Diskussion über weitere Standortverlagerungen auf der Hand», so Michel.
Gefährdet ist etwa das Werk in Uetendorf bei Thun. Doch Philipona ist vorsichtig: «Zurzeit steht die Schliessung nicht zur Diskussion.» Für die Angestellten geht die Unsicherheit damit weiter. In den nächsten Tagen will das Management entscheiden, ob die Beschäftigten auch 2012 bei gleichem Lohn zweieinhalb Stunden pro Woche länger arbeiten müssen.
Chefwechsel
Der langjährige CEO Jean-Claude Philipona verlässt Adval Tech, wie am Freitag (2.12.) bekannt wurde. Zum interimistischen Nachfolger sei vom Verwaltungsrat Stephan Mayer ernannt worden, teilt die Firma mit. Mayer werde die Gruppe in einer Übergangsphase führen, bis die langfristige Nachfolge geregelt sein werde.
Philipona stehe Mayer in der Einführungsphase bis Frühjahr 2012 zur Verfügung und verlasse die Gruppe anschliessend, um sich neuen Herausforderungen zu stellen, heisst es weiter.
Traditionsfirma: Vom Lenksystem bis zur Spritze
Breit diversifiziert
Adval Tech war einst eine kleine mechanische Werkstätte in Bern Bümpliz. Heute produziert der Industriekonzern in Mexiko, Brasilien, Ungarn und China. Die Palette an Produkten ist breit. So stanzt und formt das Unternehmen mit einem Umsatz von rund 317 Millionen Franken für die grossen Autobauer weltweit Lenksysteme, Kraftstoffeinspritzungen oder ABS-Bremssysteme. Zum Sortiment gehören aber auch Spritzen für das Gesundheitswesen oder Spezialverschlüsse für die Konsumgüterindustrie.
Erben reden mit Fritz Styner und Rudolf Bienz hatten den Betrieb 1924 gegründet. Die Gründerfamilien halten auch 14 Jahre nach dem Börsengang 21,1 Prozent an Adval Tech. Nach den Verwaltungsräten Willy Michel (23,5 Prozent) und Michael Pieper (21,2) sind sie die wichtigste Aktionärsgruppe. Ihr Vertreter, Hans Dreier, sitzt in der Firmenleitung und im Verwaltungsrat.