Sechs grosse Take-away-Schachteln lagen auf einem langen Stehtisch. Die Bitcoin-Cracks griffen sich ihr Stück Pizza, dann begannen die Diskussionen. Die meisten kannten sich. Es waren etwa 30 Personen, die sich zum zweiten Bitcoin-Meeting in Zug versammelten, in einem unscheinbaren Haus gleich neben der Hauptpost. Am Eingang klebte ein Zettel, der die Gäste in den ersten Stock bat. «Bitcoin meet-up enter 1st floor.» Englisch, handgeschrieben. So wie bei anderen Anlässen der Bitcoin-Community in Zürich und anderswo in der Schweiz.

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Doch Zug unterscheidet sich in einem zentralen Punkt: Wie nirgendwo sonst in der Schweiz hat die Digital-Finance-Gemeinschaft begonnen, sich hier niederzulassen. Mehr als zehn Start-up-Unternehmen aus dem In- und Ausland haben sich bereits amtlich eintragen lassen oder sind in der Evaluationsphase. Eine Ballung von Know-how entsteht, ein Cluster. Bereits spricht die Branche von Zug als dem sogenannten «Crypto Valley». Crypto - weil die neuen digitalen Zahlungsmittel auf Verschlüsselungstechnologien setzen.

Buhlen der Kantone

Was all den Unternehmen gemein ist, ist ihre Hoffnung auf den gesellschaftlichen Durchbruch der neuen Währungen, von denen Bitcoin nur die bekannteste ist. Die einen vertreiben Automaten, an denen Franken in Bitcoins gewechselt werden können. Die anderen bauen Börsenplattformen. Dritte entwickeln Dienst- leistungspakete, die sie etablierten Geldinstituten wie Banken anbieten wollen.

Einer, der die Szene gut kennt, ist Johann Gevers. Er ist im Vorstand des Schweizer Bitcoinverbands und berät angehende Start-ups aus dem Bereich Digital Finance. «Es gibt etwa knapp 15 Firmen, die sich für Zug als Standort interessieren», sagt Gevers. Einige hätten sich bereits entschieden, bei anderen liefen noch Abklärungen.

Um die Start-ups bemühen sich zahlreiche Kantone. Wie üblich werben die Kantone mit Steuererleichterungen. «Uns wurde in einem Kanton eine zehnjährige Steuerbefreiung angeboten», erzählt etwa ein ausländischer Firmengründer, der nicht namentlich genannt werden will.
Derzeit scheint Zug für Digital-Finance-Unternehmen die Nase vorn zu haben. Von einem Boom sprechen die Behörden allerdings nicht. «Es handelt sich bisher um Einzelfälle», sagt Bernhard Neidhart, Leiter des Zuger Amts für Wirtschaft und Arbeit. Es gebe keine einzelbetrieblichen Sonderförderungsmassnahmen. Zug wolle grundsätzlich gute allgemeine Rahmenbedingungen bieten.

Sicherheit in Steuerfragen

Wichtig ist für die Bitcoin-Firmen letztlich, wie ihr Geschäft in steuerlicher Hinsicht behandelt wird. Spezialregeln für die Kryptowelt gibt es aber offenbar keine. «Das meiste regelt das Obligationenrecht», sagt Patrick Meier von der Zuger Steuerverwaltung. Zudem könne man sich auf ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2009 stützen, das sich zu Fremdwährungen in Jahresabschlüssen äussere. Im Klartext heisst das: Kryptowährungen werden derzeit in steuerlicher Hinsicht als Fremdwährungen behandelt.

Beim zweiten Bitcoin-Meet-up in Zug diskutierten die Kryptopioniere allerdings weniger über Steuerbehörden als vielmehr die Frage, wie Bitcoin breitere Schichten erreichen könnte. Für die meisten Start-ups dürfte mittelfristig entscheidend sein, wie sich die Banken gegenüber den neuen digitalen Währungen verhalten. Ohne Anschluss an die kontrollierte Finanzwelt dürfte es für jedes Bitcoin-Unternehmen schwierig werden, dauerhaft rentabel operieren zu können.

Noch keine Regulierung

Doch derzeit verhalten sich die Banken konservativ abwartend. Niemand will sich aus dem Fenster lehnen in einem Geschäftsfeld, das noch nicht reguliert ist. Erst diese Woche warnte beispielsweise die niederländische Nationalbank die Finanzinstitute vor möglichen Reputationsschäden, da Bitcoin-Transaktionen auch der Geldwäscherei dienen könnten.

In der Schweiz erarbeiten die eidgenössischen Behörden unter Federführung des Finanzdepartements noch dieses Jahr einen Bericht, der die Haltung gegenüber den Kryptowährungen klären soll. Das ist ganz im Sinne der Start-up-Szene in Zug. «Wir brauchen Rechtssicherheit», sagt Johann Gevers. Und so gelte es, die Befürchtungen und Vorbehalte gegenüber den Kryptowährungen ernst zu nehmen, wonach mit Bitcoins auf einfache Weise der Terror finanziert oder Steuern hinterzogen werden könnten.

Deshalb gründet er in diesen Tagen zusammen mit Juristen die «Digital Finance Compliance Association». Der Verein will bei der Ausgestaltung der Regulierung mitwirken, «damit alle Akteure in der Branche wissen, was die Standards und Compliance-Anforderungen sind». Fernziel sei es, später eine Selbstregulierungsorganisation (SRO) zu gründen, der sich Bitcoin-Finanzdienstleister unterstellen könnten.

So gross die Pläne in der Schweiz auch sind - im internationalen Kontext spielt sie noch keine führende Rolle. Die meisten Start-ups werden im kalifornischen Silicon Valley gegründet. Ein Unternehmer in Zug streicht allerdings heraus, dass die Rechtssicherheit für die Schweiz ein entscheidender Standortvorteil werden könnte, und prognostiziert, dass auch grössere Firmen in die Schweiz zügeln werden.

Doch das sind Spekulationen. Konkreter am Bitcoin-Meet-up waren die Pizzas. Am Ende waren alle gegessen. Ob sie mit Bitcoins bezahlt wurden, ist unbekannt.