Im Mai verhaftete die italienische Polizei mehrere Personen in der Toskana und in Rom. Sie haben eins gemeinsam: Sie arbeiten alle für ein Schweizer Unternehmen mit Sitz in Zug sowie deren Filiale in der toskanischen Stadt Grosseto. Der Firmenname: Rothsinvest Asset Management.

Im Rothsinvest-Verwaltungsrat sitzt Manuel Brandenberg, berichtet das Schweizer Finanzportal Finews in einer ausführlichen Recherche. Der smarte Rechtsanwalt ist ein strammes SVP-Mitglied und Verwaltungsratsmitglied der SVP- und Auns-nahen Zeitung «Schweizerzeit».

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Verdacht auf Geldwäscherei

Die fidelen «Berater» haben vermögende Personen mit hohen Renditen geködert - der klassische Fall in solchen Angelegenheiten. Den Kunden bot man an, das Geld im Ausland zu deponieren – samt Anonymität vor staatlichen Beobachtern.

Nun scheinen die Millionen in einem Schwarzen Loch verschwunden zu sein. Rund 500 Personen seien geprellt, schätzt die italienische Staatsanwaltschaft. Die Schadenssumme könnte 250 Millionen Euro erreichen. Die Behörden ermitteln wegen Verdachts auf Kreditmissbrauch und Geldwäsche. Obendrein habe Rothsinvest gar nicht die nötigen Lizenzen für Finanzgeschäfte in Italien besessen, so ein Vorwurf der Staatsanwaltschaft Florenz.

Elio Lannutti, Senator der Di-Pietro-Partei «Italia dei valori», sprach in einem offenen Brief an den Wirtschaftsminister von einem toskanischen Fall Madoff.

Im Schatten der Camorra

Die Affäre wurde inzwischen auch von italienischen Medien aufgegriffen. Das lokale Organ «Firenze Oggi Notizie» spricht von einer «kriminellen Geldwäscherei-Organisation». Ein Grund für solche Andeutungen: Über der Sache hängt «der Schatten der Camorra».

Francesco Minunni, einer der Kunden und Vermittler von Rothsinvest, ist bekannt als Neffe von Gennaro de Angelis; Der 68-Jährige gilt als hoher Capo der Camorra, er wurde im März 2011 verhaftet. Obendrein habe ein weiterer Verhafteter aus dem Rothsinvest-Komplex, Salvatore Aria, Verbindungen zur so genannten Nuova Camorra Organizzata von Raffaele Cutolo, der unter dem Spitznamen «Il professore» (der «Professor») zu den Camorra-Anführern zählt.

Parkplatz Montenegro

Den Kunden wurde versprochen, dass ihre Gelder bei renommierten Schweizer Finanzinstituten wie Rothschild oder der Falcon Private Bank deponiert würden. Ob tatsächlich Geldflüsse zu Rothschild und zu Falcon erfolgten, werde von den Caribinieri derzeit gesprüft, meldet die italienische Nachrichtenagentur «Ansa». Gewisse Transfers führen auch nach Montenegro - ein Land, das seit Jahren bekannt ist für «Anlagen» der Russenmafia sowie der italienischen Organisierten Kriminalität.

Als Personen in Italien verhaftet wurden, befand sich der Sitz der Gesellschaft an der Adresse von Manuel Brandenbergs Kanzlei. Er ist bis heute als Vizepräsident des Unternehmens eingetragen.

Der Zuger Anwalt wirkt ansonsten für die Schweizerische Volkspartei im Kantonsrat sowie im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug, wo er auch als stellvertretender Fraktionschef amtiert; zudem ist er im Stiftungsrat der Yvette-Estermann-Stiftung zur «immerwährenden Erhaltung der Schweizerischen Eidgenossenschaft als unabhängiges, neutrales und souveränes Land».

Über die Kantonsgrenzen hinaus wurde er bekannt, als ihn die SVP letztes Jahr in die Arbeitsgruppe des Bundes zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative entsandte; die «NZZ am Sonntag» bezeichnete ihn in der Folge als «neuen Hof-Anwalt der SVP».

Eine andere zentrale Figur in der Affäre ist der ehemalige Geschäftsführer von Rothsinvest Asset Management Robert da Ponte, ein amerikanisch-italienischer Doppelbürger. Die Reste der verschwundenen 250 Millionen werden bei ihm vermutet.

Im Handelsregister wurde Da Ponte vor rund einem Monat, am 4. Juni, als Direktor des Unternehmens gelöscht – wenige Tage nach der Verhaftungsaktion der Carabinieri. Auch zog die Finanzgesellschaft zu diesem Zeitpunkt von der Poststrasse 9 in Zug, dem Sitz von Brandenbergs Kanzlei, an die Eisengasse im Zürcher Seefeld. Die Website des Unternehmens wurde inzwischen geschlossen.

Strafanzeige eingereicht

Der Verwaltungsrat der Rothsinvest bestätigte am Abend die Vorwürfe gegen den untergetauchten Geschäftsführer da Ponte gegenüber Finews: Er sei Alleinaktionär des Unternehmens gewesen und habe «offenbar den Namen von Nathan Rothschild, Verwaltungsratspräsident der Gesellschaft, und denjenigen der Gesellschaft systematisch betrügerisch eingesetzt.»

Damit wird Distanz geschaffen. Da Ponte habe den Anschein erweckt, «dass er seine Tätigkeit als Vertreter der Rothschild Bank und der entsprechenden Dynastie ausübte, um so das Vertrauen der Anleger zu gewinnen.»

Da Ponte habe gefälschte Zertifikate über Vermögensanlagen ausgestellt, «welche er im Namen der Gesellschaft unterschrieb, ohne dazu berechtigt zu sein.»

In der Mitteilung betont der Verwaltungsrats auch, dass weder Nathan Rothschild noch die Gesellschaft etwas mit der Bankiersfamilie Rothschild zu tun habe.

Bis zum Untertauchen von Robert da Ponte habe man nichts von «dessen deliktischer Tätigkeit» gewusst.

Der Verwaltungsrat habe daher im Namen der Gesellschaft Strafanzeige gegen da Ponte wegen «Betrugs, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung und weiterer Delikte» eingereicht.

Fragen bleiben offen

Fragen aber bleiben offen: Das Unternehmen hatte schon seit längerer Zeit damit geworben, dass es ein Ableger des «Rothschild Family Office» sei. Und Robert da Ponte arbeitete seit 2006 im Unternehmen, erst als Verwaltungsratsdelegierter und diesen Job erledigte der Zweifachbürger offenbar so gut, dass er noch im Mai 2011 zum Generaldirektor aufstieg. Durchaus respektabel.

Dazu kommt: Verwaltungsräte haben auch in der Schweiz Aufsichtspflichten. Wie sie die wahrgenommen haben, steht in den Sternen. Ebenfalls ein Fragezeichen: Erst jetzt, nach den Recherchen von Finews und dem Bericht von Handelszeitung Online, fühlt man sich offenbar in der Schweiz bemüssigt, damit offensiv in die Öffentlichkeit zu gehen. Die Affäre war seit Anfang Juni in Italien ruchbar.

Bundesanwaltschaft aufgeschreckt

Nach den italienischen Strafbehörden eröffnet nun auch die Bundesanwaltschaft ein Untersuchung im Zusammenhang mit dem Fall Rothsinvest, bestätigte die Behörde gegenüber Finews.

Auch das mutet seltsam an: Im letzten Bericht der Fedpol wurde ausdrücklich erwähnt, dass der Finanzplatz Schweiz zunehmend Gefahr laufe, von Mafia-Organisationen missbraucht zu werden. Wie ist es möglich, dass die Schweizer Behörden davon erst durch die Presse erfuhren? Die Ermittlungen in Italien begannen nicht erst diesen Juni.

Camorra-Fall auch in Luzern

Handelszeitung.ch recherchiert seit Monaten zur Camorra auch in Luzern. Die Betroffenen sind respektable Bürger, gehen in den Tennis-Club, tauchen völlig unter in Vorortsgemeinden, sind seit Jahren respektable KMU-Leiter.

Auf Anfragen betreffend diesen Firmen in Bern, die auf den ersten Blick nichts mit Finanzgeschäften zu tun haben, war die Antwort seitens der Behörden immer gleich: Nichts bekannt.

Das ist erstaunlich: Seit Jahren werden sie in Berichten des Antimafia-Ausschusses im italienischen Parlament namentlich genannt. Eine dieser Firmen schaffte es sogar ins Buch  «Gomorrha» des neapolitanischen Journalisten Roberto Saviano. Aber hier figuriert sie unter  «unbekannt».

Für alle Involvierten gilt die Unschuldsvermutung.