Die Strassenschilder weisen noch den Weg. Doch er führt ins Nichts. Dort, wo einst das stolze Hardturm-Stadion stand, spielen heute verloren einige Kinder. Vor fünf Jahren wurde hier der letzte Match ausgetragen, wenig später begannen Baumaschinen mit dem Abriss. Heute erinnert nichts mehr an den Glanz früherer Zeiten. Über den trostlosen Platz pfeift nur noch der Wind.

Schon in fünf Jahren soll im Hardturm wieder Spitzenfussball gespielt werden. Die Stadt Zürich plant für die beiden Profiklubs ein topmodernes Fussballstadion. Gegen 20'000 Zuschauer soll es fassen. Die Baukosten der reinen Fussballarena werden auf rund 230 Millionen Franken veranschlagt.

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Das Projekt löst unter Experten Erstaunen aus. Es ist die Antithese zum Modell des Stadionbaus, das sich in den letzten zwölf Jahren in der ganzen Schweiz mit Erfolg etablierte. Die Zürcher verzichten nicht nur auf eine ergänzende Nutzung durch Einkaufszentrum oder Büros, sondern auch auf private Investoren.

Vorbild für Stadionneubauten in der Schweiz ist der St. Jakob-Park in Basel. Konzeptionell, sportlich und wirtschaftlich setzte er neue Massstäbe. Der Basler Unternehmer und Präsident der Stadion-Genossenschaft Stephan Musfeld hatte die Idee, dass der St. Jakob-Park auch als Einkaufszentrum, Altersresidenz und Bürogebäude genutzt werden soll. Das sorgt für üppige Zusatzeinnahmen. Der FC Basel setzte im neuen Stadion zum Höhenflug an. Heute schreibt das Stadion Gewinn. Das schaffen weltweit nur wenige.

Pleiten in Genf und St. Gallen

Die Idee wurde rasch kopiert. In Genf, Bern, Neuenburg, St. Gallen, Thun und Luzern entstanden in den letzten zehn Jahren Stadien mit Mantelnutzung. In Aarau, Schaffhausen, Biel, Lausanne und Wil sind Projekte in Planung oder im Bau. Den wirtschaftlichen Erfolg der Basler konnten die Nachahmer bisher jedoch noch nicht kopieren.

Genf scheiterte grandios. Die Betriebsgesellschaft, mehrheitlich in öffentlicher Hand, ging 2005 in Konkurs. Die Steuerzahler von Stadt und Kanton Genf sowie der Gemeinde Lancy mussten zwischen 65 und 100 Millionen nachschiessen, um die Löcher zu stopfen. Auch die privaten Betreiber der St. Galler AFG Arena gingen schon nach dem ersten Jahr pleite.

Die Stimmbürger lehnten eine staatliche Rettung ab. Mit neuen Investoren befindet sich das Stadion nun auf dem Weg zur Besserung. Das Möbelhaus Ikea funktioniert als Frequenzbringer und zieht weitere Läden an. Der FC St. Gallen spielt nach dem Wiederaufstieg an der Spitze mit, die Zuschauer strömen ins Stadion.

Kein einfaches Rezept

Besser läuft es für das Berner Stade de Suisse. Dank erfolgreichen Veranstaltungen, Konzerten, Kongressen, Restaurants und einer Parkgarage erwirtschaftet es Gewinne, die den Fussballklub Young Boys quersubventionieren. «Das Wankdorf ist profitabel. Aber es ist pickelharte Arbeit, da kommt nichts von selbst», sagt Ilja Kaenzig, Chef des Stade de Suisse. Sportlich lief es aber in Bern weniger gut. Dieser Tage wurde der Klub- und Stadionmanager deshalb von seinen Chefs abgesetzt.

Nichtsdestotrotz zeigen die Beispiele aus Basel und Bern, wie man es richtig machen kann. Der Verzicht der Zürcher auf Einnahmequellen neben dem Sport stösst deshalb bei Experten auf Skepsis. «Es braucht die Mantelnutzung, um den Bau zu finanzieren», ist Jacky Gillman, Verwaltungsratspräsident beim Baukonzern Losinger Marazzi, der zahlreiche Stadien baute, überzeugt.

Für den Immobilienexperten Fredy Hasenmaile von der Credit Suisse ist denn auch klar, dass eine clevere Mantelnutzung über den Erfolg eines Stadions entscheidet. Es vereinfache die Suche nach Investoren und senke dank Synergien die Baukosten. Die Projekte seien jedoch komplex und es gebe kein einfaches Rezept, warnt Hasenmaile. Und die Erwartungen der Investoren seien hoch. Sie verlangten eine Rendite von mindestens 5,5 Prozent, so der Experte.

Qualität der Infrastruktur entscheidend

«Es muss sich für alle Beteiligten eine vorteilhafte Situation ergeben», bestätigt Musfeld aus seiner Erfahrung in Basel: «Wenn nicht alles zusammenspielt, dann funktioniert es nicht». Ein reines Fussballstadion bleibe «ein Unding», weil es ja nur an 20 Spieltagen pro Jahr genutzt werde. In der Schweiz sei der Boden derart knapp und teuer, dass eine Mehrfachnutzung zwingend sei. «Wir haben im St. Jakob täglich Nutzer, rund um die Uhr, das ergibt eine enorme Wertschöpfung», sagt Musfeld.

Die Mantelnutzung ist zwar zentral, doch fast noch wichtiger für die Wirtschaftlichkeit eines Stadions ist die Qualität der Infrastruktur, sagt Peter Jauch. Er war Stadionmanager im St. Jakob-Park, danach Chef des Stade de Suisse in Bern. Heute berät er Stadionbauer in Grossbritannien, Deutschland, Tschechien, Griechenland und der Türkei.

«Was macht man mit der Infrastruktur, wenn nicht Fussball gespielt wird?» Dies sei die alles entscheidende Frage, sagt Jauch. «In Bern generieren 3000 VIP gleich viel Einnahmen wie 20'000 normale Zuschauer», weiss er. Daran erkenne man, dass die Infrastruktur des Stadions darüber entscheide, «ob es funktioniert oder nicht».

Bern und Basel könnens, Zürich nicht

«Ein Fussballstadion ist ein Fussballstadion. Den Unterschied macht allein der VIP-Bereich aus», sagt Jauch. Restaurants, Kongresse, Konferenzen, Logen, Lounge – «da muss man das Geld verdienen». Es seien auch die wohlhabenden Gäste, welche dann die Teilnehmer für Konferenzen, Seminare und Restaurants unter der Woche bringen würden.

Dank der sehr guten Infrastruktur seien die Stadien in Basel und Bern profitabel, während Genf und St. Gallen hier schon in der Planung grobe Fehler gemacht hätten. «Es ist erstaunlich, wie viele Fehler man heute noch machen kann, wo man doch von erfolgreichen Beispielen lernen könnte», findet denn auch Kaenzig.

Für Zürich sehen denn auch viele schwarz. Der Stadtrat richtet mit der ganz grossen Kelle an. Die Baukosten betragen pro Sitzplatz weltrekordverdächtige 11700 Franken. Üblich sind gemäss Losinger-Marazzi-Präsident Gillmann rund 5000 bis 8000 Franken.

«Die Zürcher Politiker haben wenig Ahnung»

Statt aus erfolgreichen Stadien zu lernen und sich auf die Infrastruktur für den lukrativen VIP-Bereich zu konzentrieren, erfülle man in Zürich teure Sonderwünsche der Fans, kritisiert auch Jauch: «Man müsste halt den Mut haben, den Fans zu sagen, woher das Geld kommt.» Mit dem geplanten Stadion werde man kaum Einnahmen generieren können, selbst wenn die Klubs Erfolg hätten, fürchtet er.

Tatsächlich rechnet der Stadtrat mit jährlichen Betriebsdefiziten zwischen 6,3 und 8,3 Millionen Franken. Die will er aus der Staatskasse begleichen. «Ein Stadion sollte man auf jeden Fall privat betreiben», warnt Musfeld. Basel und Bern zeigten, dass es ohne Steuergelder funktioniere, wundert sich auch Jauch: «Es ist unglaublich, aber die Wirtschaftsmetropole Zürich kann das nicht.»

Sein Urteil ist hart: «Die Zürcher Politiker haben wenig Ahnung von Stadien. Sie haben nur sehr viel Geld.»
 

So soll das «Stadion Zürich» aussehen: