Oviesse ist gescheitert. Wie steht es mit der Nachfolge für die Oviesse-Läden?

Thomas Kern: Wir verfolgen zwei Optionen: Eine Eigennutzung und eine Abgabe der Standorte an Dritte. Wir haben für jeden Standort mindestens zwei ernsthafte Interessenten. Die Eigennutzung lehnt an die früheren Erfolge der ABM an. Es stellt sich die Frage: Braucht es wieder eine ABM?

Mit dem Aus für Epa und ABM gibt es kein Kleinpreiswarenhaus mehr in der Schweiz. Zudem will Coop City neun kleinere Warenhausfilialen schliessen. Hier würde doch eine Chance für Sie liegen.

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Kern: Aus Gründen der Risikoabwägung würde ich im heutigen Zeitpunkt aber dem Konzept einer Übernahme durch Dritte den Vorrang geben.

Bevorzugen Sie jemanden, der alle Standorte übernimmt?

Kern: Ja. Wir favorisieren eine Komplettübernahme.

Wie weit sind Ihre Gespräche mit Vögele gediehen?

Kern: Ich möchte nicht auf einzelne Gesprächspartner eingehen. Aber wir haben mindestens zwei Interessenten, welche sich für das gesamte Netz interessieren. Und eine ansehnliche Anzahl von Rosinenpickern, auch interne wie Interio oder Herren-Globus, die einzelne Standorte übernehmen wollen.

Würden die zwei Interessenten auch den gesamten Mitarbeiterstab von Oviesse übernehmen?

Kern: Diese würden die bestehenden Mietverträge übernehmen, die Mitarbeiter weiter beschäftigen und auch einen Beitrag an die getätigten Investitionen leisten. Wer am meisten bietet, erhält den Zuschlag.

Alles deutet darauf hin, dass die beiden gewichtigen Interessenten aus dem Textilbereich stammen.

Kern: Das stimmt. Zwei Unternehmen im Bekleidungsmarkt möchten das gesamte Netz übernehmen.

Wann wird entschieden?

Kern: Falls es zu einer Übernahme kommt, wird in den nächsten zwei bis drei Monaten der Entscheid gefällt. Falls wir ein eigenes Konzept entwickeln, dann würden wir Ende Oktober einige Testläden lancieren und Ende Februar 2005 über das weitere Vorgehen entscheiden.

Wer wird darüber bestimmen?

Kern: Das sind so wichtige Entscheidungen, dass in erster Instanz der Verwaltungsrat der Magazine zum Globus darüber urteilen wird. In letzter Instanz muss die Verwaltung des MGB ihre Zustimmung geben, zu der 23 Personen gehören.

Wie würde ein Konzept à la ABM aussehen?

Kern: Es wäre wie ABM sicherlich textillastig mit Schwergewicht Kinderkleidung. Es würde aber auch Heim- und Haushaltartikel sowie ein reduziertes Foodsortiment anbieten, vor allem Wein.

ABM ist aber gerade an den schwachen Umsätze der Bekleidung gescheitert.

Kern: Darum heisst ja unsere Gretchenfrage: Sind ABM und Epa verschwunden, weil sie sich zu wenig schnell anpassten? Dann hätte ein Kleinpreiswarenhaus eine Chance. Oder sind ABM und Epa verschwunden, weil sie durch andere Betriebssysteme wie Migros, H&M oder Interio ersetzt wurden? Dann würde es kein Kleinpreiswarenhaus mehr brauchen.

Ist das Mutterhaus Migros an einer ABM-Nachfolge nicht interessiert, weil es sich damit einen eigenen Konkurrenten aufbauen würde?

Kern: Ich würde Migros die Grosszügigkeit zubilligen, dass sie sich zum Wohl der Globus-Gruppe entscheidet. Aber sicherlich ist es nicht der Wunsch von Migros, einen Konkurrenten aufzubauen. Das ist aber nur ein mögliches kleines Hindernis.

Mit 60 bis 80 Mio Fr. Verlust werden Sie für den Oviesse-Ausstieg rechnen müssen.

Kern: Ich möchte mich nicht auf eine Zahl behaften lassen. Am teuersten wird es werden, wenn wir Oviesse liquidieren müssen, am billigsten würde uns ein Nachfolgekonzept kommen, und in der Mitte würde ein Verkauf liegen.

Weshalb sind Sie nicht schon vorher ausgestiegen? Man weiss doch schon lange, dass Oviesse ein Verlustgeschäft ist.

Kern: Bei meinem Amtsantritt 2002 habe ich die Verpflichtung übernommen, innerhalb von zwei Jahren mindestens 30 ABM-Filialen in Oviesse-Läden umzuwandeln und diese mindestens bis 2007 zu führen. Wären wir vorher ausgestiegen, hätte die Globus-Gruppe mit einer drastischen Vertragsstrafe in zweistelliger Millionenhöhe rechnen müssen.

Wie viel haben Sie denn Coin für den vorzeitigen Ausstieg bezahlt?

Kern: In zähen Verhandlungen ist es uns gelungen, die Franchisegeberin zu bewegen, auf die Vertragsstrafe zu verzichten. Verlangt wurde nur noch ein kleiner Betrag, der kleiner ist als 10% des ursprünglichen Strafbetrages. Dieser Betrag gilt als Abgeltung für entgangene Gewinne im nächsten Jahr.

Wie konnten Sie die Coin-Gruppe zu diesem überraschenden Verzicht bewegen?

Kern: Wir konnten Coin überzeugen, dass die Partnerschaft für beide Seiten langfristig aussichtslos ist. Geholfen hat die Tatsache, dass Coin zeitgleich mit eigenen Oviesse-Geschäften in Deutschland einen noch grösseren Misserfolg hinnehmen musste.

Warum konnten Sie das Oviesse-Konzept nicht optimieren?

Kern: Unsere Handlungsfreiheit war sehr eingeschränkt. In den Verträgen war festgehalten, dass die alleinige Verantwortung für Sortiment, Qualität, Preis und Mengenzuteilung bei der Franchisegeberin Oviesse liegt. Wir, die Franchisenehmer, mussten aber das unternehmerische Risiko allein tragen.

War die ABM-Schliessung richtig?

Kern: Nachdem der Turnaround der ABM nicht gelang, war die Schliessung wirtschaftlich richtig und notwendig. Aus heutiger Sicht war aber die Umwandlung in Oviesse, Estorel und Nannini zu risikoreich und auch zu teuer.

Was passiert mit der Drogeriekette, an der Estorel und Globus beteiligt sind?

Kern: Wir haben in den letzten Tagen unser Joint Venture mit Estorel, die Globest, ganz übernommen und damit die alleinige Handlungsfreiheit über diese 14 Standorte. Estorel beliefert und managt die Standorte aber weiterhin.

Wie viel bezahlten Sie dafür?

Kern: 125000 Fr.

Wie geht es mit den Nannini-Cafés bei Globus weiter?

Kern: Bei den sechs ehemaligen Nannini-Cafés sind wir nur noch Vermieter. Diese werden von Gerantinnen auf eigene Rechnung geführt.

Wie viele Leute sind von ihren Entscheidungen betroffen?

Kern: Oviesse beschäftigt 400 Personen, und wir werden alles daran setzen, dass diese auch bei einer Übernahme weiter beschäftigt werden. Bei einer Eigennutzung behalten wir die Mitarbeitenden gerne.

Wird das Oviesse-Debakel für Sie persönlich Konsequenzen haben?

Kern: Nein, ich war durch die Verträge gebunden. Ich geniesse das volle Vertrauen meines Vorgesetzten, des Migros-Chefs Anton Scherrer. Ich baue aber lieber etwas auf statt abzubrechen.

Mit dem Warenhaus Globus am Bellevue in Zürich haben Sie etwas Neues aufgebaut.

Kern: Das ist unser Imageträger Nummer eins nicht nur für die Warenhausgruppe, sondern für die Globus-Gruppe überhaupt.

Planen Sie weitere solche Restaurants und Takeaways?

Kern: Wir haben im Globus in Genf in Anlehnung an Zürich ebenfalls einen Restaurationsbetrieb eröffnet, und in unserem Flaggschiff bei der Bahnhofstrasse in Zürich ist ein solcher Restaurantbetrieb im Parterre geplant. In Bern überlegen wir, im ehemaligen Bally-Gebäude zwischen Globus und Herren Globus einen weiteren Betrieb in diesem Stil zu installieren.

Sie werden immer mehr zum Gastrounternehmen.

Kern: Wir verstehen uns nicht als Gastrounternehmen, sondern als Gastgeber und brauchen dies als Bühne. Globus sucht immer wieder neue Inszenierungen.

Beim Globus am Bellevue läuft aber nur der Restaurantbetrieb hervorragend, die anderen Abteilungen weniger. Als Gastrounternehmer sind Sie erfolgreicher denn als Warenhausunternehmer.

Kern: Mit dem Gastrobetrieb liegen wir 80% über dem Budget, die anderen Bereiche haben noch Potenzial. Wir wollen ein Haus des Genusses sein.

Ein einseitiger Genuss: Die Lieferanten der Globus-Warenhäuser werden zur Kasse gebeten und sollen 3% des Umsatzes von 2003 an Globus zahlen. Warum eigentlich?

Kern: Wir investieren 150 Mio Fr. in die Warenhäuser in den nächsten drei Jahren. Als Gegenleistung hat Globus die Lieferanten gebeten, 3% ihres Umsatzes einmalig zu leisten.

Und wie viele Lieferanten haben in den sauren Apfel gebissen?

Kern: Nur etwa ein Drittel hat sich ablehnend geäussert. Mit diesen Lieferanten laufen Gespräche.

Die Globus-Gruppe ist ein Mischkonzern mit Billigketten wie Interio und Teuerketten wie die Globus Warenhäuser und Herren-Globus. Wie passt das zusammen?

Kern: Meine Strategie heisst Konzentration auf die starken Marken im Inland wie Globus, Herren-Globus, Interio und Office World. Wir wollen diese Marken stärken. Wir haben alle unsere Auslandaktivitäten aufgegeben und die Verlustquellen wie ABM eliminiert. Wir sind kein Gemischtwarenladen, sondern ein Verbund von starken Marken.

2003 betrug der Konzernverlust 91,4 Mio Fr. Wie hoch wird der Konzernverlust 2004 sein?

Kern: Wir rechnen mit einem leicht positiven Resultat. Das hängt aber davon ab, welche Variante wir für die Nachfolge von Oviesse wählen. Die anderen Unternehmungen der Globus-Gruppe haben dieses Jahr bisher ein Umsatzplus von 2 bis 6% erzielt. Das Warenhaus liegt 2% im Plus, Office World gar 6% .

Die Globus-Gruppe wurde nie ganz in die Migros integriert. Stecken dahinter Börsenpläne?

Kern: Nein. Sobald unsere Gruppe wieder auf stabilem Fundament steht, können wir aber wieder etwas Neues unternehmen, kaufen oder entwickeln.

Profil: Steckbrief

Name: Thomas Kern

Funktion: CEO Globus Gruppe

Alter: 51

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Hobbies: Reisen, Fotografieren

Karriere:

1986-2000 Unternehmensleiter Interio

2001-2002 Unternehmensleiter Globus Warenhäuser, Herren Globus, Globi Verlag

Seit 2002 CEO Globus-Gruppe