Der heutige Fifa-Präsident Joseph «Sepp» Blatter wusste, dass Fifa-Funktionäre Schmiergelder erhalten haben. Doch er hat nichts dagegen unternommen. Das geht aus einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zug hervor, die «Handelszeitung» und «Beobachter» vorliegen.

«Nicht in Frage gestellt werden kann die Feststellung, dass die FIFA Kenntnis von Schmiergeldern an Personen ihrer Organe hatte», steht in der Einstellungsverfügung. Bezahlt wurde das Geld von der konkursiten Sportvermarktungsagentur ISL aus Zug. Chef war Jean-Marie Weber, ein langjähriger Freund und Geschäftspartner von Blatter.

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Laut Einstellungsverfügung bezahlte die ISL zwischen 1989 und 1998 insgesamt «Provisionen von CHF 122'587'308.93». Zwischen 1999 und 2001 kamen weitere 37'399'114.05 Franken hinzu. Insgesamt schüttete die ISL also fast 160 Millionen Franken an Provisionen aus.

Zu den Zahlungsempfängern gehörte Ricardo Tera Teixeira. Die Staatsanwaltschaft hat ihm den Empfang von über 12 Millionen Franken nachgewiesen. Bei weiteren bezahlten fünf Millionen Franken vermutet die Staatsanwaltschaft, dass Teixeira zumindest einer von zwei Empfängern war. Das Geld floss an eine Firma, deren Domizil nicht eruiert werden konnte.

Zweiter Beteiligter an jener Gesellschaft sei Joao Havelange gewesen, der ehemalige Präsident und heutiger Ehrenpräsident der Fifa. Havelange hat laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zudem mindestens weitere 1,5 Millionen Franken aus der ISL-Kasse erhalten.

Jahrelang standen der Weltfussballverband Fifa und zwei Fifa Exponenten im Visier der Zuger Staatsanwaltschaft. Sonderermittler Thomas Hildbrand beschuldigte sie der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Veruntreuung. Im Mai 2010 stellte Hildbrand das Verfahren dann ein. Zuvor hatten Fifa und die beiden Fifa Exponenten insgesamt 5,5 Millionen Franken Wiedergutmachung bezahlt.

Hintergrund der Strafermittlungen waren Schmiergeldzahlungen an die Fussballfunktionäre. Die Zuger Sportvermarktungsagentur ISL sicherte sich mit Millionenbeträgen die Gunst der Funktionäre, die ihr im Gegenzug jahrelang die lukrativen Marketing- und Fernsehrechte an Fussballweltmeisterschaften zuschanzten. Im Mai 2001 ging die ISL Konkurs, die zuvor geheimen Zahlungen kamen an die Öffentlichkeit.

Tarnfirma in Liechtenstein

Laut der Einstellungsverfügung, die Handelszeitung und Beobachter vorliegen, handelt es sich bei den zwei beschuldigten Funktionären um die beiden Brasilianer Joao Havelange und Ricardo Teixeira. Teixeira, der Anfang Jahr aus der Fifa-Führung zurückgetreten ist, erhielt laut Erkenntnissen von Staatsanwalt Hildbrand 12,74 Millionen Franken von der ISL. Das Geld floss an seine Tarnfirma Sanud in Liechtenstein. Zudem soll Teixeira einer der wirtschaftlich Berechtigten gewesen sein an der Firma Renford Investments Ltd. Laut einer geheimen internen ISL-Zahlungsliste, die der Handelszeitung vorliegt, erhielt diese Gesellschaft mit unbekanntem Domizil alleine zwischen März 1998 und Mai 2000 über 5 Millionen Franken Schmiergelder.

Fifa-Präsident Blatter steht in der Verantwortung

An Renford ist laut dem Staatsanwalt auch Teixeiras Ex-Schwiegervater Havelange beteiligt. Er ist Vorgänger des aktuellen FIFA-Präsidenten, Joseph «Sepp» Blatter. Zusätzlich zu den Zahlungen an die Tarngesellschaft hat Havelange im März 1997 zudem 1,5 Millionen Franken erhalten.

Zu den Schmiergeldempfängern innerhalb der Fifa zählt auch der Paraguayer Nicolas Leoz. Er allerdings musste sich strafrechtlich nicht verantworten. Seine Bezüge waren denn auch signifikant tiefer als jene der beiden Brasilianer.

Doch nicht nur die beiden Funktionäre mussten sich vor dem Staatsanwalt verantworten, sondern auch die Fifa. Die Justiz beschuldigte sie, von den Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben, aber nichts dagegen unternommen zu haben. In der Verantwortung steht dabei insbesondere Fifa-Präsident Blatter, der seit 1998 als sogenannter Exekutivpräsident das Tagesgeschäft der Weltorganisation leitet. Bereits vor seiner ersten Wahl zum Fifa-Präsidenten war er als Generalsekretär für das Tagesgeschäft verantwortlich. Denn der damalige Präsident Havelange lebte in Brasilien und weilte nur sporadisch in Zürich.

Fifa lehnt Stellungsnahme ab

Die Fifa wollte auf Anfrage der «Handelszeitung» keine Stellung nehmen. Teixeira und Havelange hatten in der Strafuntersuchung nicht bestritten, Gelder von der ISL kassiert zu haben. Sie bestritten einzig, dass dies von strafrechtlicher Relevanz sei.

Bereits Ende Dezember 2010 hatte das Obergericht des Kantons Zug entschieden, die Einstellungsverfügung dürfe den Medien zugänglich gemacht werden. Es wies damit eine Beschwerde der Fifa und der beiden Fifa-Exponenten zurück. Daraufhin gab die Fifa auf und stieg aus dem Verfahren aus. Nur die beiden Männer zogen den Entscheid an das Bundesgericht weiter. Mit mehreren Eingaben versuchte deren Anwalt bis zum Schluss zu verhindern, dass die Einstellungsverfügung veröffentlicht wird – vergeblich.