Das von der Bank geliehene Geld darf höchstens 80% des Gesamtpreises betragen.» So lautet eine der goldenen Regeln beim Kauf von Wohneigentum. Die Sicherheitslimite ist nicht ohne Not entstanden sie ist eine Konsequenz aus der Mitte der 90er Jahre geplatzten Immobilienblase. Damals gerieten viele Hypothekarschuldner in Zahlungsschwierigkeiten, die Banken verloren geschätzte 50 Mrd Fr. wegen geplatzter Krediten.
Höhere Belehnung gefragt
Doch mit dem neuerlichen Boom am Häusermarkt scheint die Regel wieder in Vergessenheit zu geraten: Die so genannte Belehnung das Verhältnis zwischen Hypothek und Kaufpreis einer Liegenschaft wird offenbar immer öfter nach oben gedehnt. «Belehnungen zu 90% und mehr nehmen zu, das habe ich in letzter Zeit an realen Fällen erleben können», bestätigt Lorenz Heim, Hypothekenspezialist beim Vermögenszentrum (VZ), den Trend.
Tatsächlich machen die grossen Player am Hypothekarmarkt Ausnahmen zur goldenen Regel. «Grundsätzlich setzen wir die Limite bei der Belehnung im Zuge der 1. und 2. Hypothek bei 80 bis 85%. Jeder Fall wird jedoch einzeln beurteilt», heisst es bei der Grossbank Credit Suisse. Ähnlich tönt es bei der Migrosbank, der PostFinance und der Schweizer Marktführerin UBS: In Einzelfällen könne die Belehnung höher als 80% sein, so UBS-Mediensprecher Axel Langer. Etwa dann, wenn die Hypothekarnehmer noch über wenig Eigenkapital, dafür aber ein grosses Einkommen verfügten. Damit sind vorab Jungverdiener mit guter Stelle angesprochen.
Für einen zusätzlichen Kredit der Bank verpfänden sie neben ihrem Lohn oft auch Gelder der 2. und 3. Säule. Trotz der Auflagen zieht das Angebot: «Wir stellen fest, dass eine höhere Belehnung deutlich häufiger in Anspruch genommen wird», sagt Roger Wiesendanger, Leiter Produktmanagement bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Neben den Sicherheiten untersucht die Bank jeweils die langfristige Tragbarkeit des Kredits: Ein Hypothekarschuldner der ZKB etwa hat mindestens einen kalkulatorischen Zinssatz von 5% auf seiner Hypothek zu gewährleisten. Die Tragbarkeit wird von den Instituten verständlicherweise ernst genommen, denn die Hypozinsen steigen: Gemäss dem Vergleichsdienst Comparis haben sie im Fall der beliebten 3-jährigen Festhypotheken seit letztem September um satte 44% zugenommen. Larger gehandhabt wird Beobachtern zufolge jedoch die Bewertung von Immobilien.
«Es kommt vor, dass bei der Kalkulierung der Belehnung der Kaufpreis der Liegenschaft fast eins zu eins übernommen wird», so Heim vom VZ. Der tatsächliche Wert liegt aber meist tiefer, weshalb der fremd finanzierte Anteil von «offiziellen» 80% rasch einmal auf tatsächliche 90% klettern kann. Das ist problematisch. Denn Bewertungsfehler sind nicht nur für die Kreditgeber unangenehm, sondern noch viel mehr für die Schuldner. Heim: «Mir sind Fälle bekannt, wo die Bank aufgrund einer zu hohen Bewertung die Amortisationsquote des Hypothekarnehmers ein Jahr später verdoppelt hat.»
Solche Vorkommnisse werden von den Banken bestritten die Anreize im Hypothekarmarkt weisen jedoch in diese Richtung. Das Zinsgeschäft ist mit einem Bruttoertragsanteil von rund zwei Dritteln das Hauptstandbein der Schweizer Retailbanken. Der Konkurrenzkampf ist hart und wird vorab über die Konditionen bei der Verzinsung ausgefochten. Das drückt die Marge. Da bietet es sich an, die Wachstumsziele über die Kreditmasse, sprich über eine höhere Belehnung, zu erreichen. «Tendenziell wird das Volumen wichtiger genommen als der Preis», sagt Walter Berchtold, Mitglied der Geschäftsleitung der Aargauer Kantonalbank (AKB).
Anzeichen der Überhitzung
Für Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbands (HEV) Zürich, zeugt die Ausweitung der Belehnungen bereits von einem Heisslaufen des Immobilienmarkts. Die in Fülle vorhandenen Gelder haben ausserdem dazu geführt, dass im Bereich Wohnungsbau viel neue Fläche auf den Markt gekommen ist. In der Folge sind die Preise für Stockwerkeigentum schweizweit eher abgeflacht (siehe Grafik).
Sollten die Preise gar ins Wanken geraten, wird es für Hypothekarschuldner mit hoher Belehnung eng: Der Wert des Eigentums nimmt bei unveränderten Schulden ab und dies in einem Umfeld steigender Hypozinsen. Berchtold von der AKB sieht sich bereits wieder an die Situation zu Anfang der 90er Jahre erinnert.
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Rauere Zeiten für Hypothekarnehmer: Grundregeln sind aktueller denn je
«Goldene Regeln» Gerade bei steigenden Hypozinsen und Anzeichen einer Marktüberhitzung sollten sich Hypothekarschuldner an gewisse Grundsätze halten: Die Belehnung sollte nicht mehr als 80% betragen. Zudem sollte die jährliche Belastung Zinsen, Amortisation, Unterhalt einen Drittel des Bruttoeinkommens nicht überschreiten. Bei der Tragbarkeit ist von einer langfristigen Zinserwartung bis 6% auszugehen. Wichtig ist zudem der richtige Hypotheken- und Laufzeitenmix.
Hypotheken-Mix: Empfohlen werden Festhypotheken zu gestaffelten Laufzeiten (z.B. fünf und zehn Jahre) sowie die frühzeitige Fixierung der Sätze für auslaufende Hypotheken.