Zuletzt gab es viel Gerede um einen möglichen Pilatus-Börsengang. Was ist da dran?
Oscar Schwenk*: Das ist fast eine Beleidigung, wenn man mich fragt, ob etwas dran ist an diesem Börsengang-Gerede.
Warum?
Wer den Schwenk kennt, weiss, dass Pilatus nicht an die Börse geht. Da ist nichts dran. Null. Nichts.
Auch nicht vonseiten eines der Pilatus-Grossaktionäre, der Familie Burkart, wie kolportiert wurde?
Es stand auch geschrieben, wir brauchten Geld für die Realisierung des neuen Business-Jets PC-24. Dem ist nicht so. Das bringen wir selber fertig. Was die Grossaktionäre angeht: Das ist ausdiskutiert. Wir haben geregelte Verhältnisse untereinander. Es gibt gute Agreements. Und die haben wir gemacht, bevor die alten ausgelaufen waren. Wenn einer raus will, ist das möglich. Aber er kann nicht einfach gehen.
Sondern?
Dann ist es erst einmal meine noble Aufgabe, einen gleich guten Aktionär zu finden, der das ganze Paket nimmt.
Aber es ist schwierig, solche Schweizer Privataktionäre zu finden.
Ja. Und ein volles Portemonnaie reicht nicht einmal. Es muss auch noch jemand sein, der versteht, was wir machen. Und er muss mindestens auf fünf Jahre hinaus bereit sein, die Strategie zu 100 Prozent zu tragen.
An wen denken Sie?
Ich habe immer Leute im Kopf. Aber im Moment besteht ja kein Bedarf. Hinzu kommt: Wir sind so temporeich, wir können kein grosses Konglomerat sein, das würde uns nur bremsen. Wir brauchen ein kleines Aktionariat.
Warum hat ein IPO keinen Sinn?
Eine börsenkotierte Firma muss ständig informieren. Aber stellen Sie sich vor, eines unserer Militärgeschäfte verzögert sich, dann müssten wir sofort eine Gewinnwarnung herausgeben. An der Börse ginge es plötzlich runter und wieder rauf. Alles nur Spekulation. Das wäre schlecht für das Geschäft, vor allem mit Regierungen. Und dann sind da noch die Übernahmegelüste der Konkurrenz.
Wie laufen die Geschäfte?
Gut. Wir haben Frankreich gewinnen können. Nun können wir unsere Trainingsflugzeuge PC-21 dorthin liefern. Das ist phänomenal.
Warum ist das so wichtig?
Frankreich zu gewinnen, heisst, das Kampfflugzeug Rafale mit dem PC-21 für die Ausbildung zusammenzubringen. Und der Rafale hat ein Riesenpotenzial im Nahen Osten. Wir arbeiten nun mit Dassault, dem Rafale-Hersteller, zusammen. Wie ist das Jahresresultat 2016 ausgefallen? Genaue Zahlen kann ich noch nicht verraten, aber wir werden ein anständiges Resultat 2016 haben, besser als erwartet, aber nicht ganz so gut wie das Rekordjahr 2015.
Erhalten Ihre Mitarbeiter abermals einen Zustupf?
Die Mitarbeiter werden wiederum den vertraglich geregelten Bonus erhalten. Sie arbeiten ja auch gut.
Stellen Sie neues Personal ein?
Wir haben rund 2000 Mitarbeiter. Vergangenes Jahr sind rund 150 Mitarbeiter dazugekommen. 2017 werden es wieder rund 180 sein. On top.
Wie läuft es mit dem PC-24, dem ersten Düsenflugzeug, das Pilatus produziert?
Mit dem PC-24 haben wir uns viel vorgenommen. Es ist eine Herkulesaufgabe. Wir stehen acht Monate vor der Zertifizierung. Der Druck nimmt zu, die Zeit fehlt. Wir bauen immer noch am dritten Prototyp. Der Erstflug soll im März sein. Aber es wird klappen.
Gibt es Änderungen im Auslieferungszeitplan?
Wir liefern noch dieses Jahr im November die ersten Flieger aus. Den allerersten PC- 24 bekommt die US-Firma Planesense. Der Bundesrat erhält seinen Flieger wie abgemacht 2018.
Sie haben einen Bestellungsstopp für den PC-24. Wann nehmen Sie neue Aufträge an?
Wahrscheinlich im Verlaufe des Jahres 2018. Es drängen viele Kunden, einen PC- 24 zu erhalten. Aber ich bleibe stur.
Wie viele Bestellungen sind es bisher?
84 PC-24 sind fix bestellt, Stückpreis je nach Ausrüstung und Ablieferdatum zwischen 9 und 10 Millionen Dollar. Wären wir börsenkotiert, hätten wir jetzt allerdings ein Mehrfaches an Options-Bestellungen angenommen. Und jeder Kunde hätte nur wenig angezahlt und alle diese Kunden hätten wieder stornieren können. Unser Aktienkurs wäre dann ganz oben gewesen. Das zeigt, warum ein Börsengang für uns keinen Sinn hat.
Die PC-24-Bestellungen zu stoppen, war ein guter Marketingtrick von Ihnen.
Es war kein Trick. Aber wenn das Flugzeug bei den ersten Kunden ankommt, wird die zweite Tranche sicherlich teurer sein als die erste.
Warum braucht es den PC-24 überhaupt?
Unser PC-12-Modell ist sehr erfolgreich. Dann haben wir unsere Kunden gefragt. Sie haben gesagt, sie wollen eine genauso gute Qualität wie beim PC-12, inklusive grosser Frachtluke. Der neue Flieger soll zudem eine langsame Anfluggeschwindigkeit haben, aber möglichst schnell fliegen können. Also haben wir erstmals einen Pilatus-Flieger mit Düsenantrieb gebaut, der auf sehr kurzen Pisten starten und landen kann. Damit können wir weltweit 21 000 Flugplätze zusätzlich anfliegen, als es ein normaler Business-Jet könnte. Mehr Flugplätze heisst: schneller am Ziel.
Stichwort Amerika: Was halten Sie von Donald Trump?
Ich hätte Donald Trump nicht gewählt, aber noch weniger Hillary Clinton. Trump macht jetzt nichts anderes, als er im Wahlkampf gesagt hat. Nun kommt allerdings für viele Menschen das grosse Erwachen, weil sie von den Politikern wissen, dass sie Wahlversprechen selten einhalten.
Beeinflusst Trump Ihr Geschäft?
Selbstverständlich. Kürzlich hatten wir unsere Sales-Konferenz in Amerika. Die Stimmung ist eigentlich gut. Aber nicht überall. Zum Beispiel in Mexiko: eine Katastrophe. Man weiss nicht, was jetzt noch geht.
Und in den USA?
Die USA sind für uns einer der wichtigsten Märkte. Wir haben bereits eine kleine Niederlassung dort, welche wir nun erweitern. Es wird im US-Bundesstaat Colorado sein. Wir werden den Endausbau für einen Teil der für den US-Markt bestimmten PC- 24 dort machen, zum Beispiel den Innenausbau. Bereits heute machen wir den Endausbau für den PC-12 dort. Zurzeit arbeiten rund 75 Mitarbeitende dort, zukünftig werden es 200 sein.
Ist diese Entscheidung nach der Trump-Wahl gefallen?
Nein, das hatten wir vorher schon entschieden. Immerhin geht ein Grossteil der PC-24 in die USA.
Da haben Sie Glück gehabt, dass Sie die Fabrik nicht in Mexiko geplant hatten.
Das hätten wir ohnehin nicht gemacht. Wir wollen dort produzieren, wo die Kunden sind, nicht irgendwo in einem Billiglohnland. Wir stellen keine Massenware her.
Belastet Sie der stärkere Dollarkurs nicht? Das ist für Pilatus die wichtigste Währung.
Ich will gar nicht mehr über den Dollar reden. Den Dollarkurs können wir nicht beeinflussen. Wir sind eine nachhaltige Bude, die eine Long-Term-Strategie fährt. Wir können nicht wegen Währungsschwankungen unsere Strategie sofort ändern. Manchmal verdient man halt mehr, manchmal eben weniger.
Trump forciert den Protektionismus; machen Sie sich Sorgen um den Freihandel?
Hat es jemals einen komplett freien Handel auf der Welt gegeben? Wenn Trump Importzölle einführt, dann trifft uns das natürlich. Aber wenn nur ein Teil der Produktion ausserhalb der USA gemacht wird und wir den Rest in den USA fertigen und dort auch Lehrlinge ausbilden, dann müssen wir sehen, wie sich das entwickelt. Ich bleibe Optimist.
Setzen Sie in Zukunft mehr auf die zivile Aviatik oder auf das Militärgeschäft?
Mit Blick auf den PC-12 und den PC-24 ist unsere Strategie, zur Hälfte vom Militärgeschäft und zur Hälfte von der Zivilaviatik zu leben. Allerdings sind die Margen im Militärgeschäft erheblich höher, der Initialaufwand ist auch grösser. Im Fall Frankreich hat es sieben Jahre gedauert, bis der Vertrag unter Dach und Fach war. Ständig neue Offerten, das kostet eben. Es zeichnet sich allerdings ab, dass das Militärgeschäft etwas abnimmt. Der PC-24 soll kompensieren. Das Modell ist auch sehr gut geeignet für unterschiedliche Missionen, zum Beispiel Rettungseinsätze: So erhält auch der Royal Flying Doctor Service in Australien mehrere PC-24.
Und die Rega?
Die Rega hat sich noch nicht für den PC-24 entschieden, sie fliegt schon lange mit Bombardier.
Die Entwicklungszeiten für Flugzeuge sind sehr lang. Haben Sie eine Idee, was nach dem PC-24 kommt?
Dafür habe ich momentan wirklich keine Zeit. Wir konzentrieren uns auf den PC-24. Und wir brauchen auch mal Zeit, unsere Firma zu konsolidieren. Ein neuer Flieger wird ja nicht mehr so wie früher gebaut. Die Technik ändert sich radikal. Wir sind gerade daran, unsere gesamte Fabrik hier in Stans umzubauen: Es gibt neue Fräsmaschinen, wir investieren rund 48 Millionen Franken. Das hilft, die Produktionskosten zu senken.
Ist das Ihr Bekenntnis zum Standort Schweiz?
Natürlich. Aber ebenso werden wir auch bestimmte Arbeiten in Ländern wie den USA machen. Die PC-24-Inneneinrichtung bietet 28 verschiedene Leder-Variationen. Da ist es natürlich sinnvoll, das vor Ort in Amerika direkt mit dem Kunden zu besprechen. Die Herstellung von Strukturbauteilen, die belassen wir natürlich in Stans.
Sie sind seit vier Jahrzehnten bei Pilatus, wie lange wollen Sie den Job noch machen?
Ja, das ist so eine Sache. Ich frage mich das eben nicht. Ich arbeite einfach weiter. Was ich auf jeden Fall mache, ist das PC- 24-Projekt fertigzumachen. Der PC-24 muss anständig fliegen und die Kunden müssen zufrieden sein. Dann gilt es, das PC-24-Geschäft auszubauen, es bieten sich für das Flugzeug sehr viele Anwendungsmöglichkeiten.
Und wie stellen Sie sicher, dass es für Pilatus gut weitergeht, auch ohne Sie?
Natürlich gibt es immer die Frage, was ist, wenn ich die Firma nicht mehr führen sollte. Man muss sich nichts vormachen: Natürlich würde sie dann etwas anders geführt werden, aber es würde auch funktionieren. Ich gebe ja zu, dass es nicht immer einfach ist, mit mir zu arbeiten. Ich habe sehr hohe Ansprüche. Unsere Kultur bei Pilatus ist, dass wir sehr viele gute Mitarbeiter haben. Aber mein Evangelium ist auch, dass einer oben stehen und entscheiden muss. Der ist der Visionär und der ist auch bereit, Risiken einzugehen, aber auch dafür verantwortlich zu sein ...
... nun spricht Schwenk über Schwenk ...
... Natürlich! Ich hatte es vor dreissig Jahren sehr viel schwieriger als heute. Das PC- 12-Programm war zweimal abgestellt worden von der Firma. Aber es wäre das Ende von Pilatus gewesen, wenn wir alle nicht dafür gesorgt hätten, dass es weitergeht.
Ihre Sturheit hat sich ausgezahlt?
Natürlich bin ich stur. Ich will dafür sorgen, dass alle Pilatus-Produkte gut laufen, wenn ich gehen sollte. Denn eines ist sicher: Pilatus lebt nur von der Nachfrage seiner Kunden, wir bekommen keine Subventionen. Die Firma lebt von kurzen Wegen und schnellen Entscheiden. Wenn man das ändern sollte, dann wird es schwierig für Pilatus. Ich denke, das sehen hier alle so.
Sie sind VR-Präsident, repräsentieren Pilatus stark nach aussen. Was ist die Rolle von Pilatus-CEO Markus Bucher?
Wir haben alle bei Pilatus unheimlich viel zu tun, besonders mit dem PC-24. Die Arbeitsteilung funktioniert gut. Natürlich haben wir auch mal Crash miteinander, aber das ist ja normal. Vor allem, wenn man zusammen ein neues Flugzeug baut.
Wird es manchmal zu viel?
Es ist sehr viel los. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Mitarbeiter nicht überfordern. Wir wollen sie ja nicht verlieren.
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zur Ruag?
Ich verstehe nicht, dass der Bund der alleinige Eigner ist und dauernd unterschreibt, damit die Ruag im Ausland aktiv sein kann und im Ausland wächst. Es wäre doch möglich, die Ruag aufzuspalten und zu verkaufen.
Kommen Sie einander in die Quere?
Die Ruag Air lebt zu einem beträchtlichen Teil von Pilatus, besonders vom PC- 21-Programm. Die Ruag baut in unserem Auftrag PC-21-Strukturkomponenten zusammen, das heisst Rumpf, Tragflächen und Ruder. Besonders für Flieger, die ins Ausland gehen, wie nach Australien. Es ist okay, wenn die Ruag an unseren Geschäften mitarbeitet, aber muss der Bund der Eigner sein?
Wie laufen die Geschäfte in China für Pilatus?
China läuft nicht gut. Wir haben dort ein Joint Venture, aber der Umsatz stockt. Wir prüfen, wie es dort für uns weitergeht. Das Problem ist nicht nur, dass es schwierig ist, das Kapital aus China abzuziehen. Ebenso hat es vom Politbüro die Entscheidung gegeben, dass führende Beamte nicht mehr mit dem Flugzeug zwischen den Städten reisen können. Das hat der Nachfrage für den PC-12 geschadet. Aber alles in allem ist China auch kein Hauptmarkt für Pilatus und deshalb ist es auch nicht so schlimm.
Sie verkaufen Flugzeuge ans europäische Militär, Geschäftsleute in den USA und Scheichs im Nahen Osten: Wie verhandelt man mit so unterschiedlichen Leuten? Machen Sie das alles selbst?
Jeder Kunde ist natürlich anders. Aber wenn man begriffen hat, dass Pilatus ohne seine Kunden keine Berechtigung hat, dann funktioniert das. Besonders im Nahen Osten braucht es wahnsinnig viel Zeit, bis Vertrauen aufgebaut ist. Aber dort sind die Menschen ähnlich wie ich - ich bin ein ehrlicher Viehhändler und mache viele Geschäfte immer noch per Handschlag. Für mich zählt das. Ich habe das bisher immer so gemacht und bin vielleicht nur zwei-, dreimal enttäuscht worden. Früher galt: Versucht ein Viehhändler einen anderen zu täuschen, erfährt das sofort die gesamte Branche und er ist erledigt.
Sie betreiben in Australien eine Angusrinderzucht, sind hierzulande auch als Landwirt aktiv und Eigentümer der Mineralwassermarke Knutwiler. Wann haben Sie eigentlich Zeit für solche Sachen?
Das läuft alles nebenher, meistens in der Nacht. Vor zwanzig Jahren, als ich in Australien anfing mit der Rinderzucht, war es allerdings sehr aufwendig, Kontakt zu halten. Telefonieren ins Outback, das war nicht so leicht. Nun mit E-Mails ist das sehr komfortabel. Ich leite das Geschäft über das Internet. Zwei-, dreimal im Jahr schaue ich in Australien auch selbst vorbei.
Rinder in Australien - ist das eine Herzensangelegenheit?
Ja, auch! Aber es ist echtes Business, das muss sich rechnen. Hier ist meine gesamte Altersvorsorge drin. Die Angusrinderzucht in Australien ist ein unglaubliches Risiko mit all den Dürren und dann wieder Monsunregen. Jeder, der im Outback etwas erreichen will, muss vor allem eins können: Think ahead. Das ist bei Pilatus auch so.
*Oscar Schwenk (72) ist Verwaltungsratspräsident von Pilatus Aircraft in Stans. Er arbeitet seit 1979 für das Unternehmen: erst als junger Ingenieur bis hin zum Chief Operation Officer. Später wurde Schwenk Vorsitzender der Geschäftsleitung, und seit 2006 ist er VR-Präsident.