Urologen und Pharmaforscher sprechen von der zweiten sexuellen Revolution. Das Krankheitsbild der erektilen Dysfunktion ist zum globalen Milliardenbusiness geworden. Auf kaum einem andern medizinischen Gebiet wie der Impotenz haben die Forscher von Bayer, Abbott, Eli Lilly, Merck und Co. seit der zufälligen Entdeckung von Viagra so viele Anstrengungen unternommen. Es lockt der Honigtopf der Sexpillen.

Kein Wunder: Der weltweite Markt für Potenzpillen wird auf über 5 Mrd Fr., die Zahl der potenziellen Kunden auf 150 Mio geschätzt. Gemäss dem Praxisleitfaden Allgemeinmedizin treten bei rund 2% aller 40-jährigen Männer Erektionsstörungen auf; bei den 55-Jährigen sind es bereits 7% und bei den 65-Jährigen 25%. Andere Quellen gehen von noch höheren Zahlen aus: Danach sind ungefähr die Hälfte der Männer zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr von Erektionsstörungen betroffen.

Vier Jahre lang besass die weltgrösste Pharmafirma, Pfizer, mit ihrem Blockbuster Viagra praktisch ein Monopol. Daneben existierten einzig eine teure Spritze namens Caverject (Pharmacia) und das so genannte medizinische urethrale System zur Erektion (Muse) in Form eines winzigen Zäpfchens. Doch Viagra beherrscht den Markt. Die Verkaufszahlen erreichten im vergangenen Jahr 2,5 Mrd Fr. In der Schweiz erzielte das «schönste blaue Ding, das je erfunden wurde» («Playboy»-Chef Hugh Hefner) einen Umsatz von 24 Mio Fr. (zu Publikumspreisen). Dies entspricht einem Marktanteil von knapp 90%.

*Ein Schwächling*

Ums De-facto-Monopol von Viagra ist es nun aber geschehen. Seit einem Jahr in der Schweiz zugelassen ist Uprima. Die Pille stammt aus den Labors von Tap Pharmaceuticals, einem Joint Venture von Takeda und Abbott. Vermarktet wird es nur von Abbott. Takeda hat sich von der Registrierung zurückgezogen, weil die tiefen Verkaufszahlen in Deutschland negative Rückschlüsse auf den Schweizer Markt auslösten. In der Schweiz hat das Produkt bisher keine Stricke zerrissen. In den ersten neun Monaten erreichten die Verkäufe rund eine halbe Mio Fr. Bei den Urologen kommt Uprima unterschiedlich an. Die einen reden von einer «echten Alternative zu Viagra». Ein anderer spricht von einer «relativ bescheidenen Wirkung», weshalb das Abbott-Produkt nie seine erste Wahl sei. Uprima eignet sich eher für jüngere Patienten, die unter psychischen Blockaden leiden. Viagra verkauft sich eher bei physischen Störungen.

Härtere Konkurrenz erwächst Pfizer mit der Lancierung zwei weiterer Produkte. Dabei geht es um Cialis von Eli Lilly und Levitra von Bayer. Seit einer Woche ist Cialis in verschiedenen EU-Ländern, unter anderem in Deutschland, zugelassen. In der Schweiz liegt das Dossier zurzeit zur Prüfung bei Swissmedic in Bern. «Wir sind bereit, das Produkt sehr rasch und effektiv zu vermarkten», sagt Gilles Arnoux, Geschäftsführer von Eli Lilly Schweiz. Die Zulassung könne jeden Tag erfolgen. Ein konkretes Datum will er nicht nennen. Eine Aussendienstmitarbeiterin rechnet damit, dass Cialis im Mai die Zulassung erhält.

Diese Einschätzung teilt der Zürcher Urologe Peter Karrer. Er verspricht sich von Cialis einen erheblichen Mehrnutzen im Vergleich zu Viagra. Laut Firmenangaben soll die Wirksamkeit von Cialis 36 Stunden dauern. Dies erlaube den Männern, die Pille lange vor dem Geschlechtsakt einzunehmen und Peinlichkeiten zu vermeiden. Denn Viagra muss, kurz bevor es zur Sache geht, eingenommen werden.

Die klinischen Daten untermauern laut Lilly sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit der neuen Potenzpille. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass sich die Verträglichkeit eines Medikamentes erst in der breiten Anwendung offenbart. Seit der Einführung von Viagra hat jedenfalls die Zahl der Todesfälle beim Beischlaf («Mors in Coitu») sprunghaft zugenommen. Die Rede ist von 600 Todesopfern. Ob die Ursache bei Viagra lag, liess sich jedoch nie beweisen.

*Ambitiöse Ziele*

Auf den Markt drängt auch Levitra, der neue Hoffnungsträger von Bayer. Mitte März soll die EU-Zulassung erteilt werden, spekulieren die Leverkusener. In der Schweiz wird es noch etwas dauern. Doch die Erwartungen sind hoch: 25% Marktanteil strebt Bayer in der Schweiz an. Die Vermarktung erfolgt zusammen mit Glaxo. Im Vergleich zu Viagra soll Levitra schneller und länger wirken, verspricht Marc Neuenschwander, Leiter Pharma Schweiz von Bayer.

Werden Levitra und Cialis Viagra ernsthaft bedrohen? Die Analysten von Lehman Brothers verneinen dies. Für Cialis prognostizieren sie nach drei Jahren 1 Mrd Fr., für Levitra 750 Mio Fr. Umsatz. Pfizer könne sich bis dann aber auf 3,5 Mrd Fr. steigern und behalte die Nase vorn.

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