Das hätte sich Alfred E. Schiller nie träumen lassen. Als er sich 1971 selbstständig machte, arbeitete er im Einmannbetrieb, entwickelte Geräte für den Medizinbereich und gab sie in Produktion. Später gründete er die Schiller AG, mietete eine DreieinhalbzimmerWohnung und fing an, die Geräte selbst zu produzieren. Und heute ist seine Firma weltweit Marktführerin in der Herstellung von Kardiographie(EKG)-Geräten, hat selbst Konkurrenten wie Siemens und Hewlett-Packard hinter sich gelassen und exportiert ihre Hightech-Geräte in alle Welt.
Alfred E. Schiller hatte gerade sein Physikstudium abgeschlossen, als er, inzwischen bei der BBC angestellt, an eine Fachtagung ging. Der Zufall wollte es, dass im selben Gebäude ein Medizinkongress stattfand, und Schiller schaute aus Neugier hinein. Das brachte ihn auf den Geschmack, Geräte für den Medizinbereich zu entwickeln.
Gefragte Weltneuheiten
Schiller lacht, wenn er daran zurückdenkt, wie er 1974 den Durchbruch schaffte: «Die Leute haben mir das Gerät fast aus den Händen gerissen.» Es handelte sich um ein Taschen-Elektrokardioskop, das sehr klein war und sich deshalb für den Notfalleinsatz eignete. Rettungsorganisationen und Hausärzte wollten es, die Rega bestellte auf Anhieb 40 Stück. Innert kurzer Zeit waren Bestellungen für 1000 Geräte zusammen. Und Alfred E. Schiller dämmerte es, dass er diese Menge unmöglich in Lizenz produzieren lassen konnte.
So gründete er die Schiller AG und fing selbst zu produzieren an. Seither ist die Firma nicht mehr zu bremsen: Sie entwickelt laufend neue Geräte und stellt sie an den Produktionsstandorten, in Baar und im französischen Wissembourg, auch gleich selbst her. Dazu gehören Elektrokardiographen, Patientenmonitore, Spirometer für die Lungenfunktionsmessung sowie Defibrillatoren. Auch ein paar Weltneuheiten sind dabei: Zum Beispiel EKG-Geräte, die auch die Lungenfunktion messen können.
Oder der Elektrokardiograph, den die Schiller AG 1984 auf den Markt brachte. Er ist ein Meilenstein in der Entwicklung von Medizingeräten, denn er war weltweit das erste Gerät, das mit seinem integrierten Computer nicht nur die Herztätigkeit aufzeichnen, sondern auch innert Sekunden das EKG interpretieren konnte. Das war etwas, was vorher als unmöglich eingestuft worden war. Und dann handelte es sich erst noch um ein sehr kompaktes Gerät mit LCD-Bildschirm.
Die kleinen Abmessungen der Geräte sind überhaupt eine Spezialität der Schiller AG. Dem ersten Produkt 1974 hatte die Grösse zum Durchbruch verholfen: Dass man es in der Tasche mitnehmen konnte. Die Mischung von High-Tech-Gerät und handlichem Kleinformat war genau das, was der Markt wollte. Die Miniaturisierung zieht sich seither wie ein roter Faden durch die Produktepalette.
Zudem beobachtet Schiller den Markt sehr genau, um die Geräte in die richtige Richtung weiterentwickeln zu können. Fachtagungen und Kontakte mit Hochschulen und Ärzten helfen, Bedürfnisse zu erkennen. Der Patron lässt es sich nicht nehmen, sich selbst zu informieren: «Ich lasse mir nicht sagen, wie es war, ich gehe selber hin.» Auf diese Weise behält der CEO die Nase im Wind.
Misstrauen gegen Banken
Das kann sehr nützlich sein, wenn es darum geht, die Firma weiterzuentwickeln. So hat er vor fünf Jahren die französische Firma Bruker Médical besucht, die Defibrillatoren herstellte und vor dem Aus stand. Schiller stellte fest, dass nur das Management schlecht war und kaufte die Firma. Als Erstes führte er flachere Hierarchien ein. Er setzte auf Eigenverantwortung und Mitdenken und reaktivierte gute Leute, die vom alten Management in die Ecke gestellt worden waren. Bereits im ersten Jahr erreichte die neue Schiller Médical SAS den Breakeven. Und die Schiller AG hatte ein neues Standbein.
Schon früh hat Alfred E. Schiller auch damit begonnen, Vertriebsgesellschaften zu gründen. Ziel war es, den Markt selbst zu beackern und die Daten der Kunden selbst zur Verfügung zu haben. Heute hat die Schiller AG rund um den Globus 20 Vertriebsgesellschaften. Weitere will sie in Südamerika, Kanada und England gründen.
Erstaunlich ist, dass Alfred E. Schiller sein Unternehmen ohne Fremdkapital aufgebaut hat. Die Banken haben ihm frühzeitig den Gedanken an Fremdfinanzierung ausgetrieben: Als er 1974 Geld suchte für die Gründung, fand er bei ihnen kein Gehör. Also ergriff er die Flucht nach vorn, verlangte Anzahlungen für die bestellten Geräte und finanzierte so deren Produktion. Seither finanziert er mit jeder Innovation die nächste.
Festhalten an der Schweiz
Zum Produktionsstandort hat Schiller eine klare Meinung: «Ein Verzicht auf den Standort Schweiz ist eine Todsünde.» Es sei hier sehr viel Wissen vorhanden, das bei Auslagerung verloren gehe. Zudem seien die Maschinen in China nicht billiger, nur die Leute, «und die arbeiten nicht selbstständiger».
Wichtig ist dem Patron, weiterhin die medizinischen Trends zu erkennen. Zum Beispiel den der Heimpflege, dem sich die Firma bereits jetzt widmet. Hier sieht er Entwicklungspotenzial: «Um Homecare wird man nicht herumkommen.» Vor allem aber will er, dass das Unternehmen an der Spitze bleibt: «Wir sind Pioniere und wollen es bleiben.»
Firmen-Profil
Name: Schiller AG, Altgasse 68, 6341 Baar
Gründung: 1974 in Baar durch Alfred E. Schiller
Geschäftsleitung: Alfred E. Schiller (Bild)
Umsatz: Rund 200 Mio Fr.
Beschäftigte: 170 in Baar, weltweit 550
Produkte: Elektrokardiographen, Spirometer, Patientenmonitore, Defibrillatoren, medizinische IT-Lösungen
Kunden: Ärzte, Kliniken, Rettungsorganisationen,Armee, Fluggesellschaften, Raumfahrt
Internet: www.schiller.ch
1 Kommentar
Herr Schiller hat leider bei seinem Interview übersehen, dass Firma Pharma-Schwarz, Monheim, 1980 einen Vertrag mit ihm über den Vertrieb der Mini-EKG geschlossen hatte. Ich sollte diese Geräte verkaufen, tatsächlich wurden diese im Weg von Studien an niedergelassene Ärzte im großen Stil verteilt. Für Herrn Schiller bedeutete das erheblichen Umsatz und hoher Bekanntheitsgrad. Das trug auch zum Teil zum Durchbruchs seines Unternehmens bei.