Die ersten Ergebnisse, an die sich Thomas Gulich errinnern kann: 7:2 und 4:2. Sie stammen aus dem Jahre 1978: 7:2 siegte GC gegen den FCZ, 4:2 gegen Basel. Am Schluss der Saison waren die Grasshoppers mit einem Punkt Vorsprung auf Servette Genf Meister. Und der jugendliche Gulich, ein angefressener Hoppers-Fan, stolz wie Anton.

Genau wie 2003. Bereits zum 27. Mal haben die Blauweissen in diesem Frühjahr das nationale Championat für sich entschieden. Äusserst knapp zwar, aber alles andere als unverdient. Das musste man schliesslich auch in Basel eingestehen. Schliesslich hat Kollers junge Truppe von der ersten Runde an an der Tabellenspitze gestanden. Ein nicht zu überbietender Rekord. Was also gibt es Schöneres, was gibt es aber auch Schwierigeres für einen neuen Präsidenten, als einen Klub in solch einer erfolgreichen Phase zu übernehmen?

*Den Puls des Fans fühlen*

Das Hardturmstadion ist an diesem herrlichen Sommernachmittag menschenleer. Gulich hat die Qual der Wahl: 10 000 Sitzplätze sind frei, die Hälfte liegt im Schatten, die andere Hälfte unter der sengenden Sonne von Zürich-West. Der neue GC-Präsident, ein ungemein sportlich wirkender Anfangsvierziger, entscheidet sich für Platz 4/33; schön im Schatten, mit Blick auf die Logen, von denen aus der Klubvorstand die Spiele gegen den Rest der Liga verfolgt. «Ich werde bestimmt nicht immer dort oben sitzen, ich will mich unter die Fans mischen, schliesslich ist es wichtig zu wissen, wie die Leute über unsere Mannschaft reden.»

Fans seien Kunden und Kunden müsse man pflegen, sagt der Nachfolger von Anwalt Peter Widmer bei den Heugümpern. Gulich, ein Präsident zum Anfassen? Nicht unbedingt und schon gar nicht bedingungslos, erwidert er. Natürlich, den Kontakt mit den Anhängern scheue er überhaupt nicht, aber als Aushängeschild des Vereins verstehe er sich weniger. Da seien ja noch die Spieler, der Trainer, die bei Fans und Medien wohl stärker gefragt sind als er, der Präsident.

Wie wird man eigentlich Präsident der Grasshoppers? Gulich muss nicht lange überlegen, auch das in Fussballerkreisen äusserst beliebte «Ja guet», das einer jeden Antwort vorangestellt wird, entfällt für einmal: «Man wird halt gefragt.» So einfach ist das. Es gibt aber auch eine Vorgeschichte. Im Fall von Gulich diese: 33 Jahre lang sei er regelmässig auf den Hardturm gepilgert, um seinem GC, der Jugendliebe, die Daumen zu drücken. «Das Team war mir einfach sympathisch, weshalb, das kann ich heute nicht mehr sagen.»

Die Sympathie hatte Bestand, doch dass er seinem Lieblingsverein einmal als Präsident vorstehen würde, daran freilich habe er nie gedacht. Allerdings, wer sich wie Gulich in Donatorenvereinigungen (Donnerstag-Club, Business Club) engagiert, der muss sich nicht wundern, wenn ihn eines Tages eine entsprechende Anfrage erreicht. Lange überlegen habe er denn auch nicht müssen, um einen Entscheid zu treffen. «Für mich war sofort klar, dass ich dieses Amt übernehmen werde.» Seit Wochenbeginn ist Gulich somit Präsident jenes Schweizer Fussballvereins, an dem sich die Geister scheiden wie an keinem zweiten im Lande.

*Ein «Typischer» Fan von GC*

GC nämlich mag man oder mag man nicht. Dazwischen gibt es nichts. Ein Schicksal freilich, das der Schweizer Rekordmeister mit den ganz Grossen im europäischen Fussball wie etwa dem FC Bayern oder dem AC Milan teilt. Es ist das Schicksal der Erfolgreichen. Und Erfolg wollen die Hoppers auch in Zukunft haben.

Gulich, Sohn eines Unternehmensberaters, ist zusammen mit seinem Bruder hoch über dem Zürichsee aufgewachsen. Nach dem Studium als Wirtschaftsinformatiker an der Uni Zürich, nach Stationen etwa bei einem IBM-Agenten und der Schweizer Rück, nach der Dissertation, stieg er vor sieben Jahren bei der Credit Suisse ein. Heute leitet der 42-Jährige den Bereich Leasing der CS Group, seinen Wohnsitz hat er in Männedorf, an der Zürcher Goldküste.

Alles klar, wird da nicht nur der FCZ-Fanblock skandieren, ein typischer GCaner halt. Gulich schmunzelt, er kennt den Ruf, der seinem Verein vorauseilt. Jener nämlich, dass Führung und Fans im Bewusstsein lebten, im Vergleich zur Konkurrenz etwas Besseres zu sein. «Es ist wahr, wir wollen besser sein als die anderen, dies aber auf der sportlichen Ebene, was wohl nachvollziehbar ist», betont der begeisterte Langstreckenläufer, «dass wir hingegen ?etwas Besseres? sein wollen, dies stimmt überhaupt nicht.» Ein Blick in die gerade letzte Saison wieder dichter gewordenen Fanreihen zeige, dass hier eine Durchmischung herrsche wie in anderen Stadien auch.

Trotzdem: GC hat unter Fussballbegeisterten ein spezifisches Image. Ein Umstand, dem Gulich gezielt Gegensteuer geben will. Seiner Ansicht nach muss die Marke GC in Zukunft noch besser präsentiert und genutzt werden. «Wir wollen in der Öffentlichkeit als sympathischer, glaubwürdiger Verein wahrgenommen werden.» Ein erster Schritt in diese Richtung sei bereits in der abgelaufenen Saison gemacht worden. «Die Tatsache, dass der Klub jungen, bisher wenig bekannten Spielern eine Chance gegeben hat, bescherte uns sehr viele Sympathien.» Es sei dies eine Philosophie, an der die Vereinsspitze festhalten wolle. Schliesslich sei GC finanziell nicht in der Lage, ständig auf Einkaufstour zu gehen und arrivierte Spieler am Laufmeter einzukaufen. Vielmehr liege die Stärke eben in der Förderung der eigenen Talente und von Nachwuchsspielern, betont der einstige Küsnachter Junior und verweist auf das Projekt Campus, jenes Zentrum, das in den nächsten Jahren in Niederhasli entstehen und nebst Geschäftsstelle und Trainingsplätzen auch ein Internat beheimaten soll.

Die Zukunft des Schweizer Fussballmeisters liegt in der Jugend. Sie liegt in den sportlichen Erfolgen, dem Erreichen der Champions League etwa, der Verteidigung des nationalen Championates auch. Und die Zukunft hängt in Zeiten wie diesen selbstverständlich von den finanziellen Möglichkeiten des Klubs ab. Im Hardturm hat sich diesbezüglich eine Zäsur angekündigt. Denn mit Rainer E. Gut und Fritz Gerber ziehen sich Ende Saison zwei potente und grosszügige Geldgeber aus dem Verein zurück. Über 70 Mio Fr. dürften die beiden bis zu diesem Zeitpunkt in den Grasshopper-Club investiert haben - Geld, das inskünftig über andere Kanäle eingefahren werden muss.

*Ohne Beckham, dafür Budgetbewusst*

Da liegt die Vermutung nahe, dass sich die Hoppers mit der Wahl von Credit-Suisse-Mann Gulich zum Präsidenten des Verwaltungsrates gleichzeitig auch einen Schlüssel zum Tresor der Grossbank verschafft haben. Eine Annahme, die völlig falsch sei, versichert dieser: «Ich stehe dem Verein als Privatperson vor, nicht als Abgeordneter der CS. Mein Arbeitgeber ist insofern in mein Engagement involviert, als dass er mir den Freiraum für diese Tätigkeit gewährt - Geld aber bringe ich bestimmt keines mit.» Dieses müsse anderweitig beschafft werden. Wie, darüber werde zur Zeit intensiv beraten. Die Rechnung ist relativ einfach: Knapp 10 Mio Fr. nimmt der Verein jährlich ein, das Budget für nächste Saison beläuft sich auf rund 15 Mio Fr. Fehlen 5 Mio. «GC als Krösus zu bezeichnen würde wohl kaum den Tatsachen entsprechen», sagt der Ökonom, mit einem Blick auf den Konkurrenten FC Basel.

Und was, wenn nicht Geld, bringt Thomas als Antrittsgeschenk mit auf den Hardturm? Einen Beckham vielleicht, einen Figo, so wie andernorts seine Amtskollegen es jeweils zu tun pflegen, wenn sie gewählt werden? Der wortgewandte Sportoffizier der Felddivision 6 setzt ein breites Lachen auf: «Die Fähigkeit, mit Menschen und Zahlen umgehen zu können, das bringe ich mit.» Klingt zwar nicht so spektakulär wie Zidane oder Yakin, ist für ein Unternehmen, das längerfristig plant und sein Budget einhalten will, jedoch kaum von Nachteil. Im Gegenteil.

Ein Versprechen für die nahe Zukunft gibt Gulich aber bereits heute ab: «Klar, GC wird nächste Saison wieder Schweizer Meister.» «Schau?n mer mal», würde Kaiser Franz da wohl sagen. Und in Basel schenken sie eh? keinem Glauben, dessen Herz seit 33 Jahren für Blau-weiss schlägt.

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