Ein Paukenschlag, den kein Beobachter so erwartet hatte: Josef Ackermann gibt seinen Posten als Chef des Verwaltungsrats der Zurich Insurance Group mit sofortiger Wirkung auf. Und die Finanzwelt spekuliert bereits wild über die Beweggründe für diese Entscheidung.
Es sind schwierige Wochen für die Schweizer Wirtschaftselite. Vor gerade einmal einem Monat nahm sich Swisscom-Chef Carsten Schloter das Leben. Vor wenigen Tagen starb Pierre Wauthier, der Finanzchef der Zurich Versicherung. Auch hier geht die Polizei von einem Suizid aus.
Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef reagiert nun. «Der unerwartete Tod Pierre Wauthiers hat mich zutiefst erschüttert», wird Ackermann im Communiqué des Versicherers zitiert. Das ist verständlich. Doch was folgt, macht stutzig: «Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag.»
Zu hohe Erwartungen an die Führungsetage?
Ein Satz, der viele Fragen aufwirft. Gibt die Familie des Verstorbenen dem Konzern eine Mitschuld am Tod von Wauthier? Waren die Erfolgserwartungen an die Führungsetage vonseiten des Verwaltungsrats zu gross? Klar scheint: «Der Druck, jahrelang als Topmanager im Rampenlicht zu stehen, ist immens», sagt ein Manager. Und: «Die Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, über mehrere Jahre die hohen Anforderungen zu erfüllen.»
Mit seinem Rücktritt will Ackermann nun Druck vom Konzern nehmen, wie er in der Mitteilung ebenfalls zitiert wird. Möglich, dass er damit den Verantwortungsbegriff sehr weit fasst. Der ehemalige «Deutschbanker» wird in der Schweiz von vielen Beobachtern geschätzt. «Josef Ackermann hat in seiner Karriere regelmässig Verantwortung übernommen», sagt Roman Geiser, Chef der Zürcher Beratungsfirma Farner Consulting.
«Dramatischer Vorwurf»
Doch der umstrittene Satz kann auch anders verstanden werden: Es scheint, dass die Familie Wauthier Ackermann und seinem fordernden Führungsstil zumindest eine Teilschuld für den Suizid gibt. Das Thema ist heikel. Es kursieren Gerüchte, die Witwe Wauthiers habe auf den Rücktritt Ackermanns gedrängt. «Die Pressemitteilung kann so verstanden werden, dass die Familie Wauthier nicht nur der Zurich etwas vorwirft, sondern Ackermann persönlich», sagt ein Schweizer Kommunikationsexperte, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit handelszeitung.ch.
Noch viel weiter geht ein Frankfurter Medien- und Finanzexperte: «Das ist ein dramatischer Vorwurf», so der Fachmann zu handelszeitung.ch. «Ich kann mich nicht erinnern, eine solche Mitteilung vonseiten eines Finanzunternehmens je schon einmal gelesen zu haben.»
Deutsche Bank gibt Ackermann-Kurs auf
Bekannt ist, dass Ackermann als Chef der Deutschen Bank (DB) eine hochkompetitive und laut Eingeweihten sogar «eisige» Stimmung im Vorstand schuf. Das anvisierte Renditeziel von 25 Prozent aufs Eigenkapital ist inzwischen berüchtigt und fast sprichwörtlich. Heute scheint das Verhältnis vergiftet: Die aktuelle Doppelspitze aus Jürgen Fitschen sowie Anshu Jain und Ackermann haben sich nichts mehr zu sagen. Das Tischtuch zwischen den beiden Parteien sei zerschnitten, wissen Insider zu berichten. Dabei war es Ackermann selbst, der den Inder Jain vor Jahren als seinen Nachfolger aufbaute.
Das umstrittene Renditeziel der Deutschen Bank kassierten Fitschen und Jain bereits vor gut einem Jahr. Die neue Führung versucht – zumindest in der Öffentlichkeit – einen völlig anderen Weg zu gehen als der Vorgänger. Da passt, dass die Deutsche Bank laut dem Wirtschaftsmagazin «Brand Eins» von ihren Beratern künftig keine Ertragsmaximierung mehr fordert. Das sagte Jürgen Fitschen, Co-Chef des grössten deutschen Geldhauses, dem Magazin: «Kein Mitarbeiter soll sagen können: ‘Die erwarten von mir ja immer noch, dass ich den Ertrag maximiere.’ Nein, das tun wir nicht.»