Da sass er also, im Morgan-Stanley-Hauptquartier hoch über dem New Yorker Times Square, und musste eine extrem schwierige Entscheidung fällen. Die amerikanische Regierung drängte auf einen Zusammenschluss seiner Morgan Stanley mit der taumelnden Grossbank Wachovia, dem viertgrössten Player auf dem grössten Bankenmarkt der Welt. Das Finanzsystem wankte in diesen dramatischen Tagen im September 2008, und Finanzchef Colm Kelleher hatte nur wenig Zeit, um die Zahlen des Übernahmekandidaten zu prüfen. Doch die reichte ihm, um den Deal abzublasen. Seine feingliedrige Begründung: «Das ist ein Shit-Sandwich, das nicht einmal in mein grosses Maul passt.»
Fast 15 Jahre später sass der 65-Jährige im nicht ganz so weltläufigen Berner Medienzentrum, wieder ging es um eine Zwangsheirat, und seine Botschaft (die UBS bleibe «rock solid») verband er mit einer speziellen Note an die deutlich weniger erfahrenen Mitstreiter auf dem Podium: Finanzchef sei er schon «während der Finanzkrise gewesen» – und das, so die Implikation, bei der heute erfolgreichsten Investmentbank der Welt. Klare Ansagen, kein Wort zu viel, perfektes Pokerface. Da wirkte selbst der gewichtigste Gegenspieler auf der Gegenseite verunsichert: Ob die CS-Aktie morgen früh noch gehandelt werde, könne er nicht sagen, schlingerte Nationalbank-Präsident Thomas Jordan. Er reichte die Frage an die neben ihm postierte Finma-Präsidentin Marlene Amstad weiter – und sie musste vor versammelter Weltpresse ihren Behördenchef Urban Angehrn fragen, der in der ersten Reihe sass. Er wusste es auch nicht. Kelleher schaute stoisch auf die Medienleute. Bern traf auf die Wall Street.