Der Dow Jones hat unlängst die 29’500-Marke erreicht. Wir visualisieren und stellen uns einen Wolkenkratzer mit 100 Stockwerken vor. Die Volatilität seit anfangs Jahr kann mit einer wilden Fahrt auf und ab in den obersten fünf Stockwerken erklärt werden. Nicht allzu dramatisch – ausser man zieht in Betracht, wie hoch eben dieser Finanz-Wohlfühl-Tower am 9. März 2009 in der der Finanzkrise war, nämlich etwa 22 Stockwerke und der Dow Jones damit bei 6'500 Punkten. Während der letzten 10 Jahre wurden also stolze weitere 78 Stockwerke aufgepfropft – doch am Fundament des Towers wurde nichts verändert bzw. verstärkt. Auch gab es nie neue Regeln, wer Zutritt zum Gebäude erhalten würde und unter welchen Bedingungen.

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Dies ist das Produkt von Zentralbankaktivitäten. Sie haben die Leitzinsen nach der Finanzkrise 2008/2009 sofort gesenkt und Liquidität in die Finanzmärkte gepumpt – via unter anderem Anleihenskäufen, allerdings ohne Rücksicht auf deren Qualität. Damit wurde Schlimmeres vermieden, aber auch neue Probleme geschaffen: Ein Zinssatz war und wird auch in der Zukunft das Mass für Risiko sein. Durch die Anleihenkäufe querbeet wurden Verzerrungen geschafften und diese Grundregel ausser Kraft gesetzt.

In 10 Jahren sind 48 Prozent aller US-Schulden entstanden

Schuldner schlechter Qualität aber auch Länder mit tiefer Bonität hatten fast unlimitierten Zugang zu den Emissionsmärkten. Sie konnten billiges Geld beschaffen, die Bonitätskriterien wurden verwässert. Schuldenberge und Defizite haben mittlerweile noch nie dagewesene Werte erreicht. Als erschreckendes Beispiel: 48 Prozent aller Schulden in den USA – seit deren Gründung vor 243 Jahren – wurden in den letzten 10 Jahren angehäuft. Ohne Hinweis, wie diese je wieder kompensiert bzw. zurückbezahlt würden.

Per Saldo haben sich die Wogen über die letzten Jahre gelegt – das jetzige Wirtschaftsumfeld, bzw. Wachstum als in Stein gemeisselt betrachtet. Sorglosigkeit hat sich breit gemacht. Man hat darauf setzen können, dass Verwerfungen der Märkte, sofort durch die Zentralbanken geglättet würden. Die Politik hingegen war träge, ideenlos und hat das Zepter nie richtig übernommen. Es fehlte an grundlegenden Ideen, Reformen und Strategien für die Zukunft.

Positive Performances sind notwendig

Die Märkte sind auf positive Performances dringend angewiesen. Auf Rendite angewiesene Investoren, wie zum Beispiel Pensionskassen, mussten mehr Risiken eingehen und gemäss TINA in die Aktienmärkte und Dividenden setzen. Sie konnten so Renditeausfälle zwar wett machen, sind aber umso mehr der Performance der Börsen ausgeliefert. Diese ist weiterhin nur nominal, eine Korrektur des Aktienmarktes wäre umso verheerender, weil auf einmal beides wegfallen würde.

Doch welcher Treiber könnte die Börsenparty just zu einem abrupten Ende und die Finanzwelt damit zurück auf den harten Boden der Realität bringen?

Wir wissen um die zu hohen Unternehmensbewertungen, das damit verbundene fehlende Gewinnwachstum, die hohen Defizite, die fehlende Kaufkraft des Konsumenten, die drohende Asset-Inflation, die anstehenden Wahlen und damit politische Schlüsselentscheidungen in verschiedenen Ländern sowie die machtpolitische Neupositionierungen auch in Form von Handelsbeziehungen.

Donald Trump hat das Kommando

Gut eingespielte Polit-Mechanismen der Vergangenheit werden in Frage gestellt. Donald Trump dürfte dabei den Takt angeben – er wird nach seinem Impeachment-Freispruch den bereits jetzt eingeleiteten US-Wahlkampf frei von politischer Correctness führen, weiterhin hemdsärmelig auftreten, die Interessen der USA unverfroren vertreten und alles tun, sein Mandat zu erneuern. Er wird deshalb reüssieren, weil er das sagt und auch tut, was viele denken und auch meinen. Somit wird er aber schwer zu tracken sein und unberechenbar bleiben und dabei das internationale Polit-Parket aufmischen.

Die Performance der Märkte ist auch umso erstaunlicher und nicht mehr nachvollziehbar, weil diese in 2020 bereits von verschiedenen exogenen Faktoren eingetrübt wurden – allerdings nur kurzfristig: Etwa durch die Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch die USA – und vice-versa die Bombardierung irakischer und US-Stellungen in Irak durch die Iraner. Den zweiten und wahrscheinlich noch unberechenbareren Faktor (dessen Outcome schwer abzuschätzen ist, weil die raportierten Zahlen und Fakten mit Recht in Zweifel gezogen werden dürfen) haben die Märkte bereits weggesteckt und mit neuen Höchständen beantwortet: die Ereignisse um das Coronavirus.

Chinesische Zentralbanken sorgten für Bonität

Grund für diese Loslösung der Index-Bewertungen von langjährigen charttechnischen Moving-Averages ist aber einmal mehr ein Umstand: die Zentralbanken! Es waren diesmal die chinesischen, die den Markt mit reichlich neuer Liquidität versorgt haben und damit den «Teflon-Effekt» der jüngsten Vergangenheit untermauert haben: Nämlich dass eine Korrektur grundsätzlich ein Kaufsignal darstellt und eine weitere Korrektur ohne Bedenken mit dem gleichen Rezept beantwortet und sogar mit zusätzlichem Prise Leverage angereichert werden darf.

Bei der jüngsten Erholung bzw. Markierung neuer Hochs war ein Treiber massgebend: Die den ETF’s zugrundeliegende Regel – den Indexvolumen-adjustiert zu tracken – muss bei positivem Momentum also Positionen angepasst werden. Dies ist ein technischer Faktor, der bei einer Trendumkehr des Marktes umso belastender sein wird. Nachdem alle fundamentalen Alarmsysteme offenbar versagt haben, eine Korrektur der Märkte vorauszusagen, wird es deshalb ein ganz anderer Faktor sein: Es ist eine Frage Zeit!

In den Jahren 2008/2009 wurde man von der Finanzkrise überrascht und damit überrannt. Eine Wiederholung muss ausgeschlossen werden. Die Zeit für Lösungsfindungen und Positionierung wird knapp. Deshalb ist es wichtig, das Fundament des Finanz-Towers zu verstärken und den Schwerpunkt in den Griff zu bekommen – just im Falle von erwarteten Erschütterungen.