Der Lockdown für alles und jedes im Frühjahr schien vielen fast wie der Todesstoss für Autos. Anleger stellten sich die Frage: Wenn jetzt eine Corona-Rezession kommt, die Menschen zu Hause bleiben müssen und mehr oder weniger eingesperrt sind – wer braucht da noch Autos?
Georg Pröbstl ist Chefredaktor des Börsenbriefs Value-Depesche. Der Börsendienst ist auf substanzstarke unterbewertete Aktien mit guten Perspektiven aus Deutschland, Österreich und der Schweiz spezialisiert. Die jährliche Performance des Musterdepots seit Start im April 2010 beträgt +14,6 Prozent (DAX: +7,8 Prozent).
Transparenzhinweis: Der Autor berät Anlageprodukte. In diesem Beitrag besprochene Aktien können zum Anlageuniversum zählen.
Die Aktien von Autobauern rauschten deshalb im März innert weniger Wochen um 30, 40 Prozent und mehr nach unten. Daimler hatte sich halbiert. Die Zulieferer des Sektors kamen natürlich mit unter die Räder. Autoneum etwa hatte zwischen Mitte Februar und Mitte März 60 Prozent an Wert verloren.
Erst der Einbruch, dann die überraschend starke Erholung
Tatsächlich gab es im ersten Halbjahr im Autosektor einen beispiellosen Einbruch. Weltweit wurden in den ersten sechs Monaten 28 Prozent oder 7,5 Millionen Fahrzeuge weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum.
Aber trotz Konjunktursorgen kam dann überraschend schnell die Erholung in Gang und jetzt steigt das Tempo und steigt und steigt. China meldete für September den dritten Monat in Folge Verkaufszahlen, die über dem jeweiligen Vorjahresmonat lagen. In dem Monat stieg der Absatz an Pkw und SUVs um 7,4 Prozent im Vergleich zum September 2019.
Zwar lag der Absatz im Reich der Mitte in den ersten neun Monaten damit immer noch mit 13,2 Millionen Fahrzeugen um 12,5 Prozent unter Vorjahr. Doch angesichts der rasanten Aufholjagd im dritten Quartal ist es fast nur eine Frage der Zeit, bis das Vorkrisenniveau erreicht oder gar übertroffen wird.
Die Stimmung im Autosektor ist besser als vor einem Jahr
Die deutschen Autobauer auf jeden Fall sind in China wieder gross im Geschäft. BMW beispielsweise verkaufte im dritten Quartal 36 Prozent mehr Fahrzeuge als im Vorjahreszeitraum. Rückenwind bringen auch Kaufprämien für E- oder Hybridautos.
Im dritten Quartal waren wegen grosszügiger staatlicher Förderprogramme bereits zehn Prozent der neu zugelassenen Autos E-Fahrzeuge. Der Anteil der Hybrid-Autos lag sogar bei zwölf Prozent. Kein Wunder, dass sich die Stimmung in der Branche verbessert.
Am grössten Automarkt Europas, in Deutschland, ist der Gesamtklimaindex im Autosektor nach aktuellen Daten des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung mit einem Stand von 8,5 Punkten jetzt höher als vor einem Jahr.
Auch die Zulieferer profitieren
Aber nicht nur die Autobauer nehmen kräftig Fahrt auf. Auch die Zulieferer können hoffen. Am wichtigsten Automarkt des Kontinents will der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für die gebeutelte Zulieferindustrie bis 2024 ein Hilfspaket im Volumen von 2,0 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.
Zwar konnten im Rahmen der Aufholjagd bereits viele Autotitel einen grossen Teil der März Verluste wieder ausgleichen. Doch insgesamt sitzen Auto-Anleger immer noch auf Kursverlusten im Vergleich zu den Hochs aus 2019 oder 2018 von 20 oder 30 Prozent.
Porsche – das dritte Quartal brachte hohes Tempo…
Angesichts der Aufholjagd im Sektor und auch des infolge monatelangem Lockdown wahrscheinlich erhöhten Nachholbedarfs auf Käuferseite, scheint ein Einstieg in den Autosektor nicht zu spät. Anleger werfen dabei einen Blick auf Porsche.
Der Sportwagenhersteller liegt zwar beim Absatz nach drei Quartalen noch fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau. Doch im Halbjahr lag das Minus noch bei zehn Prozent. Da Porsche auch im E-Segment zusehends Erfolge feiert, dürfte sich das Wachstum der Flitzer auch künftig weiter fortsetzen.
… die Aktie notiert weit unter Buchwert
Porsche ist immerhin Kult und solche Produkte sind immer gefragt. In den letzten vier Jahren steigerte der Sportwagenhersteller seinen Absatz um 24,7 Prozent auf 280800 Fahrzeuge. Der Umsatz kletterte dabei sogar um überproportionale 32,5 Prozent auf 28,5 Milliarden Euro.
Bei einer üblichen Vorsteuermarge von rund zehn Prozent und einem moderaten 12er-KGV hätte das reine Porsche-Geschäft einen Wert von etwa 30 Milliarden Euro. Porsche kommt aber mit seinen börsennotierten Vorzugsaktien und den nicht notierten Stämmen auf eine Bewertung von etwa 15 Milliarden Euro.
Dazu kommt: Porsche hält 53,1 Prozent an den VW-Stammaktien und dieser Anteil bringt einen Wert von 22 Milliarden Euro in die Waagschale. Rechnet man das Porsche-Geschäft mit dem VW-Anteil zusammen, sollte der Autobauer aus Stuttgart eher 50 Milliarden Euro oder entsprechend etwa 150 Euro je Aktie kosten. Der Buchwert von Porsche liegt übrigens bei rund 115 Euro je Anteil.
Trotz Pandemie – Daimler will soviel verdienen wie im Vorjahr
Zwar verzeichnet Daimler in diesem Jahr in jedem Monat mit seiner Kernmarke Mercedes-Benz einen Absatzrückgang. Insgesamt wurden seit Jahresstart 12,7 Prozent weniger Autos verkauft als im Vorjahreszeitraum.
Aber derzeit greifen die Daimler-Kunden vor allem zu den Modellen der Oberklasse im hohen Preissegment und damit verdient der DAX-Konzern mehr Geld. Zudem haben die Schwaben auch die Kosten im Griff und so hält Firmenchef Ola Källenius in diesem Jahr wie schon 2019 einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 4,3 Milliarden Euro für erreichbar.
Das sind gute Nachrichten und die Aktie ist im Aufwind. Der Titel hat jetzt nicht nur den Widerstand an der psychologischen Marke von 50 Euro erreicht, sondern gleichzeitig auch die obere Begrenzungslinie des Abwärtstrends aus 2018. Der Kurs könnte ganz schnell durch diese Marken gehen und dann in Richtung 60 Euro laufen.
Continental – charttechnische Kaufsignale
Bei Autozulieferern herrscht ein geteiltes Bild. Reifenhersteller Continental konnte sich zum März-Tief fast verdoppeln und hat jetzt die psychologische Marke von 100 Euro fast und wie Daimler die obere Begrenzungslinie des Abwärtstrends aus 2019 erreicht.
Reifen werden immer gebraucht, egal ob Benziner, Diesel, E- oder Hybridfahrzeug und erreicht Conti wieder seine Gewinnlevels aus 2015 bis 2018 im Bereich von 14 Euro je Aktie, dann sind möglicherweise schon im nächsten Jahr wieder Kurse weit jenseits der 100 Euro drin.
Weniger erfreulich läuft es dagegen bei PWO. Der Anbieter von zahllosen Fahrzeugteilen wie etwa für Sitze, Airbags, Fahrwerk oder von Gehäusen für Elektromotoren und Klimaanlagen verbuchte nach neuen Monaten ein Umsatzminus von 25,5 Prozent.
Belastend waren auch Rückstellungen für Restrukturierungen in Höhe von zehn Millionen Euro und so rutschte der Autozulieferer im Neunmonatszeitraum mit 2,9 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern in die roten Zahlen. Im Vorjahreszeitraum stand dagegen noch ein Plus von 14,3 Millionen Euro.
PWO – da gibt es hohes Turnaroundpotential
Zwar sind die Zahlen noch nicht sonderlich ermutigend. Doch mit steigenden Absatzzahlen im Autosektor wird auch PWO zurückkommen. Derzeit sind aber nur die negativen Dinge bei PWO im Kurs drin. Die Aktie notiert deshalb auf einem 20jahres-Tief und 55 Prozent unter dem Buchwert von 36,74 Euro. Die Aktie hat hohes Turnaroundpotential!