Dieser Tage räumt Mario Draghi sein Büro bei der EZB. Seine Amtszeit wird aber noch lange die Märkte prägen. Insbesondere seine klare Ansage «Whatever it takes», mit der er im Juli 2012 versprach, dass die EZB den Euro um jeden Preis stützen werde, hallt lange nach.
Zum Abschied sollten die Finanzminister der Eurozone ihm ein lautes «Grazie Mario!» hinterherrufen. Die in seiner Amtszeit eingesetzten Instrumente der EZB sorgten für eine Deckelung der Nominalzinsen und ermöglichten allen Eurostaaten, ihre auslaufenden Staatschulden günstig am Markt zu refinanzieren. Und dass Draghi sein Erbe fortgesetzt sehen möchte, machte er bei seinen letzten Auftritten als Chef der EZB klar: Er forderte von den Finanzpolitikern in Deutschland, den Niederlanden oder Österreich noch einmal, nicht auf einer «schwarzen Null» zu beharren, sondern den fiskalpolitischen Raum nun auch zu nutzen.
Marc Brütsch ist Chefökonom von Swiss Life Asset Managers. Mit seinen präzisen Prognosen hat er bereits zweimal den «Forecast Accuracy Award Switzerland» des britischen Research-Unternehmens Consensus Economics gewonnen.
Gerade Deutschland könnte bei tief bleibenden Zinsen über mehrere Jahre ein Haushaltsdefizit in Kauf nehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass seine Staatsschuldenquote die Maastricht-Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wieder übersteigt. Seine Nachfolgerin Christine Lagarde wird deshalb sehr bald mitten in der Debatte um die künftige Lastenverteilung zwischen Geld- und Fiskalpolitik stehen und dabei viel Geschick brauchen.
Allem Lob zum Trotz – Mario Draghi hat seiner Nachfolgerin mit dem zeitlich unbefristeten Anleihekaufprogramm ein Ei gelegt. Bisher galt, dass die EZB innerhalb ihres Mandats bleibt, solange sie maximal 33 Prozent sämtlicher Anleihen eines Staates kauft. Jenseits dieser Schwelle setzt sich die EZB dem Vorwurf aus, sie würde Staatsfinanzierung betreiben. Diese eigene Grenze rückt jetzt näher: Im Falle Deutschlands und der Niederlande wird dies bei unverändertem Kapitalschlüssel spätestens 2021 soweit sein.
Interesse an Klimaprojekten
Vor diesem Hintergrund wird die neue Spitze der EZB in absehbarer Zeit wohl nicht nur das Inflationsziel überdenken, sondern auch ihren «Instrumentenkoffer» nochmals erweitern. Ein möglicher Schritt Richtung Vollendung der Währungsunion wäre die Ausgabe von Eurobonds. Bisher scheiterte diese Idee am Widerstand Berlins. Dort, wie auch in Wien, machen sich die grünen Parteien daran, Regierungsverantwortung einzufordern – und diese haben Interesse an der Finanzierung von Klimaprojekten durch die Zentralbank. Andere politische Kreise machen mit der populären Modern Monetary Theory Druck auf die Geldpolitik oder stellen die direkte Finanzierung von Infrastrukturprojekten durch die EZB zur Disposition.
Mario Draghi hat also 2012 den Kurs für Christine Lagarde vorgegeben. Und die neue EZB-Chefin muss nun dafür sorgen, dass sich auch der zweite, fast wichtigere Satz von Draghis Rede im Jahr 2012 bewahrheitet. Er sagte damals nicht nur, dass die EZB den Euro mit allen Mitteln vor dem Auseinanderbrechen retten würde. Er sagte auch: «And believe me, it will be enough.»