Es ist ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Schweizer Banken: Der rasante Ausbau des Geschäfts in den USA endete vor zehn Jahren in einem erbitterten Steuerstreit, der den Instituten milliardenschwere Bussen einbrockte und als Brandbeschleuniger für das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses wirkte.
Viele Institute zogen sich daraufhin aus den USA zurück. Doch nun entdecken einige den weltgrößten Vermögensverwaltungsmarkt neu: Auf der Suche nach Wachstumsmöglichkeiten wollen sie reichen Amerikanern Investments ausserhalb der USA schmackhaft machen. Und dieses Mal soll alles steuerkonform ablaufen.
Zur Zielgruppe zählen - je nach Strategie der Bank - reiche US-Amerikaner mit Wohnsitz in ihrer Heimat sowie Auswanderer. Ein Sonderfall ist die größte Schweizer Bank UBS: Sie bietet Amerikanern nicht nur an, ihre Gelder im Ausland (offshore) zu verwalten, sondern verfügt auch über ein großes Vermögensverwaltungsgeschäft in Nordamerika, bei dem Kunden ihr Geld vor Ort in den USA deponieren. Die dortige Einheit macht etwa die Hälfte der gesamten Vermögensverwaltungssparte der UBS aus.
Warum der Markt so attraktiv ist, ist schnell erklärt: In den USA haben die Reichen und Superreichen diversen Studien zufolge soviel Vermögen angehäuft, wie nirgendwo sonst auf der Welt. «Nordamerika ist einer der größten Märkte mit einem sehr hohen Anteil an reichen und ultra-reichen Personen», sagte Ralph Kreis, Director bei der Beratungsgesellschaft AlixPartners. Und sein Kollege Martin Büchel ergänzt: «Das ist insbesondere für Schweizer Banken sehr interessant, die teilweise in ihrem Heimmarkt eher dürftige Wachstumschancen haben beziehungsweise in Europa einen reifen Markt vorfinden, der nicht so stark wächst.»
Sicherer Hafen
Dominiert wird das Geschäft in den USA weitgehend von heimischen Banken. Doch ab einem gewissen Vermögen verteilen die Reichen ihr Geld gerne auf mehrere Institute und verschiedene Regionen. Und hier wittern Schweizer Banken ihre Chance: Sie werben mit steuerkonformen internationalen Anlagemöglichkeiten in einem stabilen Land mit einer krisensicheren Währung wie dem Franken. «Wir bieten einen sicheren Hafen an», erläutert der für den US-Markt zuständige Vontobel-Manager Patrice Humbel.
Angeboten werden Vermögensverwaltungsmandate mit Investitionen in Aktien und Anleihen in Euro, Dollar und Franken. Besonders gefragt sind zudem Edelmetalle wie Gold, das die Kunden physisch in der Schweiz halten. «Zwei Drittel unserer Kunden haben eine europäische DNA - das sind Deutsche, Italiener, Franzosen oder Schweizer, die in der ersten, zweiten oder dritten Generation in den USA sind.» Vontobel will das Geschäft in den USA ausbauen - unter anderem mit der Übernahme von Kunden der Genfer Konkurrentin Lombard Odier.
Um US-Bürgern entsprechende Anlageprodukte anbieten zu dürfen, benötigen die Institute ab einer Größe von über 15 US-Kunden oder einem verwalteten Vermögen von mehr als 25 Millionen Dollar eine Lizenz der US-Börsenaufsicht SEC. Sie hat damit Einblick in die Kundenbücher der Banken - Geheimniskrämerei wie früher ist also nicht mehr möglich. «In der Schweiz gibt es etwa 40 bis 50 Institute, die diese Lizenz haben», sagt AlixPartners-Director Büchel.
Deren Zahl habe sich in den vergangenen fünf bis sechs Jahren verdoppelt, sagte ein anderer Experte. Ihr US-Geschäft bündeln viele Institute aus praktischen und regulatorischen Gründen in separaten Einheiten, die unabhängig vom Rest der Bank agieren. Die Genfer Privatbank Pictet kommt in dem separat geführten Bereich Pictet North America Advisors auf ein verwaltetes Vermögen von 6,2 Milliarden Dollar. Bei der UBS-Tochter Swiss Financial Advisors machte das Geschäft zuletzt rund fünf Milliarden Franken aus. Bei der Vontobel-Einheit Swiss Wealth Advisors sind es 2,4 Milliarden Franken - längerfristig peilt die Bank fünf Milliarden Franken an.
Komplex und teuer
Doch das Geschäft ist komplex und teuer: Zu einem speziellen Produktangebot für US-Kunden kommen aufwendige Vorschriften der US-Steuerbehörden (FATCA) hinzu. Oftmals liefern die Banken den Kunden die aufwendigen Steuererklärungen mit, die diese dann nur noch an die Behörden weiterreichen müssen. Deshalb lohnt sich das Offshore-Geschäft Branchenkennern zufolge ganz generell erst ab einem verwaltete Vermögen von rund zwei Milliarden Dollar - es sei denn, man fokussiert sich auf ein Spezialsegment wie zum Beispiel besonders reiche Kunden.
Einige Institute - darunter Credit Suisse und Julius Bär - betreiben kein Private-Banking-Geschäft mehr in den USA. Doch ausgewanderte US-Bürger, die mittlerweile etwa in Europa und Asien leben, sind bei den meisten Banken ab einem gewissen Vermögen nach wie vor willkommen.
Das gilt auch für die UBS, die neben ihrem Vermögensverwaltungsgeschäft in den USA das Geschäft mit US-Auswanderern beleben will. Details zur Strategie will die UBS auf einem Investorentag am Donnerstag bekanntgeben.
(reuters/mlo)