Erfolgsverwöhnt, das sind wir. Wir gehen am liebsten davon aus, dass alles gut ausgeht. Das ist bequem und macht uns besonders verletzlich in Krisen. Das Risiko steigt, aufgrund falscher Annahmen zu handeln oder auch nicht. Die Anzahl Irrungen nimmt mit der Zeit zu. Wie entscheiden wir uns und was tun wir warum? Wie vermeiden wir Fehler und deren fatale Folgen und welche erkennen wir überhaupt, bevor sie eintreten?
2020 wurde viel über Verhalten geredet und wenig über die Beweggründe. Über die Festtage habe ich das Buch «Es hat sich ausverkauft!» von Reto Blum und Michael Frey gelesen und die Lektüre war wie ein erhellendes Erklärmodell für das vergangene Jahr.
Es ist ein idealer Einstieg in die Verhaltenswissenschaften und gleichzeitig ein kompakter Auffrischer für Kennerinnen und Kenner der Materie. Da ein Jahreswechsel kein Reset-Knopf ist, nach dessen Betätigung alles wieder so normal ist wie vor dem Virus-Einbruch, lohnt sich das Lesen gleich doppelt: Es hilft 2020 zu verstehen und es ist eine Gestaltungshilfe, um aus 2021 tatsächlich ein besseres Jahr zu machen.
Wäre unser Land eine Fabrik und unser Produkt Menschen, dann müssten wir uns die Frage stellen: Wollen wir jeden Tag um die hundert Tote und Tausende Erkrankte produzieren, die Zehntausende Quarantänen und weitere Ansteckungen nach sich ziehen?
Wollen wir täglich rund tausend Menschen mit gesundheitlichen Langzeitfolgen dieser Erkrankungen hervorbringen? Bei diesem Ressourcenverschleiss hätte der Unternehmer vermutlich längst Alarm geschlagen und wirksame Handlungen zur Reduktion des teuren und unproduktiven Ausschusses durchgesetzt.
Bis hin zur Stilllegung und Reparatur der Produktionsanlage als Investition in eine rentablere Zukunft. Veränderungen sind etwas Harziges. Gewohnheiten und Bequemlichkeiten stehen uns dabei im Weg und die Angst, mit einem Entscheid einen Fehler zu begehen, lähmt uns.
«Wollen wir jeden Tag um die 100 Tote produzieren?»
Zudem glauben wir lieber, wir hätten die Situation im Griff. Und weigern uns, uns auf das Abenteuer einzulassen, Probleme einzugestehen und ausserhalb unserer Komfortzone mit vermeintlich hohem Risiko Handlungen einzuleiten, die scheinbar unabsehbare Wirkungen auslösen.
Wie viel einfacher ist es doch, sich mit dem Absehbaren untätig abzufinden – damit leben zu lernen, auf Massnahmen zu verzichten – egal wie schädlich das ist. Doch macht uns das zukunftsfähig? Nein. Wir brauchen jetzt Unternehmergeist. Die Schweiz muss repariert werden.