Als der amerikanische Venture-Capital-Investor (VC) Benchmark im Jahr 1997 satte 6,7 Millionen Dollar in eBays Serie-A-Runde investierte, wurde die Firma mit 20 Millionen Dollar bewertet. Bereits zwei Jahre später war die mittlerweile an der Börse gehandelte eBay rund 21 Milliarden Dollar wert, und Benchmark verdiente über 4 Milliarden.
Es sind legendäre Investoren wie Benchmarks Peter Fenton oder Bill Gurley, die als Vorbild für Generationen von VC-Investoren dienten. Fenton und Gurley replizierten ihren eBay-Erfolg mit einer Fülle von Early-Stage-Investments in spätere Unicorns wie AOL, Uber, Dropbox, Discord oder Twitter und gehören zu den erfolgreichsten Investoren aller Zeiten. Gemeinsam mit ihnen verdiente eine Fülle von Limited Partners (Investoren in den Fonds), denn auf die Auswahl kommt es an. Seit den 1990ern ist Venture Capital diejenige Anlageklasse in der konventionellen Allokation mit der höchsten Ungleichheit der Ergebnisse. Während die Hälfte der amerikanischen VCs eine jährliche Rendite von etwas über 10 Prozent erzielte, konnten die besten zwei Prozent jährliche Renditen von über 50.
Max Meister ist Founding Partner von Bigmont Ventures mit Sitz Baar, ZG.
Auch sind die strukturellen Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen VCs beachtlich. Laut PitchBook haben europäische Fondsmanager über die letzten fünf (USA 18,5 vs. EU 12,7 Prozent p.a.), zehn (USA 16 vs. EU 11,6 Prozent p.a.) und zwanzig Jahre (USA 10,6 vs. EU 7,9 Prozent p.a.) schlechter performt als das amerikanische Pendant. Historisch hatten die amerikanischen Erfinder des Venture Capitals schlichtweg mehr Erfolg, wenn es darum geht, in Start-ups zu investieren.
Auf den ersten Blick ist dies nicht intuitiv. Insbesondere, weil das europäische Venture Capital-Ökosystem, speziell die VC-Fonds der 1990er und 2000er Jahre, zum Grossteil nach den erfolgreichen Vorbildern aus den USA modelliert wurden. Wieso also funktioniert die Kopie nicht so gut wie das Original?
Die Wurzeln der amerikanischen VCs
Seit der Erfindung des Venture Capitals geben die USA noch immer den Takt an. Die moderne Form des Venture Capitals nahm ab den 1960er Jahren Gestalt an, als rund um Arthur Rocks Fairchild Semiconductor die ersten VC-Investments in Technologieunternehmen über Fondsmodelle strukturiert wurden. Rocks Erfolg als Technologieinvestor zementierte die lokale Rolle entlang der Sand Hill Road, wo Pioniere des Venture Capitals in den 1970er Jahren wie Don Valentines Sequoia Capital und Kleiner Perkins ihre Büros errichteten.
Über Innovationszyklen hinweg – wie die Erfindung des Internets und darauf basierender Mainstream-Applikationen wie Google, Facebook oder YouTube – entstand ein rigides Kastensystem aus den besten Investoren, die seit der Entstehungsgeschichte des modernen Venture Capitals ein Unicorn nach dem anderen finanzierten, den Emerging Managers, die oft nach erfolgreichen Exits Erfolge im eigenen Fondsmodell hatten, denjenigen, die ihr Handwerkszeug bei den Tier One Managers lernten, und den Übrigen. Dabei besteht ein starker Survivorship Bias, also eine Überschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Erfolges, da erfolgreiche Fondsmanager stärker sichtbar sind als nicht erfolgreiche. Etwa zwei Drittel aller Fondsmanager schafften es nicht, einen zweiten Fonds einzusammeln, und lediglich etwa zehn Prozent vermochten mehr als vier Fonds zu lancieren.
Das Power Law
Fundamental sind amerikanische Investoren auf der Suche nach Homeruns, nach Ausreissern, deren Renditen das gesamte Kapital in einem VC-Fonds drei oder vier Mal retournieren könnten – ganz nach dem Prinzip des Power Law. Das Buch von Sebastian Mallaby mit gleichnamigem Titel ist längst in den Bücherregalen der Investmentteams bei europäischen VCs angekommen. Es beschreibt den Umstand, dass 90 Prozent der Returns in den besten VC-Fonds von nur einer Handvoll der Investments erwirtschaftet werden. Entgegen der Normalverteilung, wie sie beispielsweise bei der Körpergrösse in einer Population vorkommt, beherrscht das Power Law auch andere Industrien wie die Musik- oder Filmbranche. Dort sind einige wenige Künstler ungleich mehr nachgefragt als die grosse restliche Gruppe. Taylor Swift ist die Verkörperung des Power Law in der Musikbranche par excellence: Die Verkäufe der Künstlerin machten etwa zwei Prozent des gesamten US-Marktes aus und waren damit grösser als die Umsätze der gesamten Genres Jazz oder klassische Musik.
Umgemünzt auf die Geldanlage im Venture-Capital-Bereich, müsste man theoretisch also möglichst viele identisch hohe Investments tätigen, um die Chancen zu erhöhen, in eine Erfolgsgeschichte investiert zu sein und einen Ausreisser im Portfolio zu haben. In der Praxis ist es daher weitverbreitet, Investments dahingehend zu prüfen, dass ein potenzieller Exit der individuellen Beteiligung so viele Erträge erwirtschaften kann, dass der gesamte Fonds zurückbezahlt werden könnte. Und genau dies ist auch gängige Praxis in vielen US-Fonds.
Für europäische Nacheiferer passiert hier jedoch ein Denkfehler, denn das Power Law herrscht nicht nur im eigenen Portfolio, sondern eben auch innerhalb der ganzen Branche der VCs. Das bedeutet, dass die besten VC-Fonds einen überproportional besseren Zugang zu Top-Investments haben und ihre «unfairen Vorteile» ausnutzen. In einem deutlich engeren europäischen Markt, insbesondere mit amerikanischer Konkurrenz, überschätzt die Mehrheit der europäischen VCs ihren Zugang zu den besten Firmen. Dies hat zur Folge, dass sie systematisch schlechter abschneiden als Akteure, die entweder bereits in der Historie den VC-Markt dominierten oder ein eigenes Erfolgskonzept erarbeitet haben.
Der europäische VC-Markt
Selbst für diesen erlauchten Kreis der europäischen Dealmaker wie Index, Creandum, 468 Capital, Hedosophia, UVC Partners oder Lakestar, die die europäischen League Tables anführen, sind darüber hinaus die eigentümlichen Charakteristika im europäischen Markt eine Herausforderung. Dieser ist nämlich mit 45 Milliarden Dollar nur halb so gross wie der US-Markt, was das investierte Kapital anbelangt, weist deutlich härtere Finanzierungskonditionen in späteren Runden auf und ist geprägt durch substanziell weniger Exits sowohl über einen IPO als auch über strategische Verkäufe.
Nicht nur die Frequenz der Exits ist wesentlich tiefer im europäischen Markt, sondern auch der Wert der Start-ups bei einem Exit. 2023 betrug dieser durchschnittlich nur 23 Millionen Euro. Historische Zahlen zeigen zudem, dass die Chance von Start-ups in den USA, die erfolgreich eine Series A aufgenommen haben, auch eine Series B zustande zu bringen, etwa bei 25 Prozent lag. In Europa war diese Vergleichskennzahl deutlich kleiner als 20 Prozent.
«Der Mangel an Wachstumskapital und insbesondere dem damit verbundenen Know-how im Schweizer Markt ist ein fundamentales Problem für unsere Start-ups», meint Andreas Göldi, Partner beim Frühphaseninvestor B2Venture: «Gerade jetzt in einem abkühlenden Marktklima ist es auch wieder schwieriger geworden, an internationale Geldgeber zu gelangen. Das bremst die Innovationskraft der Schweiz deutlich.» Göldi nennt hier einen interessanten Punkt. Durch die fehlenden Wachstumskapitalrunden im europäischen Umfeld und die tiefere Anzahl an Exits gibt es wiederum auch weniger Mehrfachgründer mit dem essenziellen Wissen, wie man Start-ups von 5 auf 50 Millionen Umsatz und mehr skaliert.
Das Modell für die nächste Dekade
Angesichts der tiefen und wenigen Exits im europäischen Markt sowie der schweren Bedingungen für Start-ups, überhaupt dorthin zu gelangen, ist es einleuchtend, dass die Strategie vieler VC-Fonds auf der Suche nach Homeruns in der Breite nicht aufgehen konnte. Es ist evident, dass die wesentlich schlechteren Finanzierungsbedingungen im europäischen Umfeld, insbesondere in späteren Phasen, in den Investmentthesen berücksichtigt werden müssen. Wir sehen europäische Erfolge insbesondere dort, wo die VCs auf die grundsätzlich unterschiedlichen Gegebenheiten eingegangen sind, abseits von dem auf dem Power Law basierenden «Spray & Pray»-Ansatz mit grossen, passiven Portfolien.
Mit einem in höchstem Masse operativ aktiven Ansatz sind gerade VCs wie Creandum führend, die mit einer Handvoll Firmen im Portfolio und dem Raum für Follow-on-Investments echten Wert schaffen. Darüber hinaus erzielen diejenigen Investoren Erfolge, die den europäischen Funding Gap schliessen und selbst beste Verbindungen zu amerikanischen Wachstumsinvestoren (ab Series B) und internationalem Talent haben, sodass ihre Portfoliofirmen bestmöglich für das internationale Fundraising positioniert sind.
Einige schweizerische Investoren haben die Zeichen der Zeit längst erkannt. Der Early-Stage-Investor Session.vc hat jüngst über seinen zweiten Fonds informiert und betont, dass er damit bewusst mit dem Power-Law-Ansatz brechen und das konventionelle VC-Modell in Frage stellen würde. «Der Aufbau eines breiten Portfolios voller passiver Investments war unserer Owner-Operator-DNA schon immer fremd», meint Philippe Bubb, Founding Partner von Session.vc. Mit «Owner-Operator-DNA» beschreibt er den gerade im Private Equity verbreiteten Ansatz, als Eigentümer in hohem Masse aktiv und operativ mit den Unternehmen zusammenzuarbeiten, in die investiert wurde.
Die Erfolge im europäischen Venture-Capital-Markt in den nächsten zehn Jahren werden mit Fondsmodellen erzielt, welche die Eigenheiten des Marktes nicht nur berücksichtigen, sondern sich diese auch zunutze machen. Die Owner-Operator-Mentalität, die Bubb erwähnte, war mir immer sehr nah und etwas, das ich intuitiv verstanden habe. Aussergewöhnlich hohe Renditen entstehen dort, wo Investmentteams echte Partnerschaften mit herausragenden Gründern voller grosser Ideen eingehen, die Ärmel hochkrempeln und während sechs bis zehn Jahren einzigartige Geschäftsmodelle bauen.