Das vergangene Jahr gehörte voll und ganz den Emerging Markets, salopp auch EmMas genannt. Der S&P/IFI, die Index-Messlatte für die Kursentwicklung an den Börsen von Schwellenländern, schoss um 41 Prozent in die Höhe – wohlgemerkt währungsbereinigt. Gut im Schuss zeigte sich vor allem die brasilianische Börse, die sich im Wert gleich verdoppelte. Doch auch Indien erfreute sich mit einem Indexplus von 84 Prozent eines veritablen Booms, und russische Aktien konnten im Durchschnitt einen Gewinn von 58 Prozent verbuchen. Vergleichsweise mager ausgefallen ist dagegen die Performance der etablierten Börsen, obgleich ein Plus von 20 Prozent beim MSCI World Index auch nicht ohne ist.
Die EmMas bieten gegenüber den etablierten Börsen höhere Kurschancen, doch sind gleichzeitig die Risiken erheblich grösser. Eine Binsenwahrheit. Und dennoch erstaunt jeweils die Heftigkeit, mit der sich Wetterumstürze an diesen Märkten einstellen. Seit diesem Frühjahr ist es vorbei mit der Kursherrlichkeit an den aufstrebenden Börsen. Nun ist zwar eine Korrektur nicht verwunderlich, doch hat sich diese in teilweise panikartige Verkäufe ausgewachsen. Die Börse in Moskau ist innert weniger Wochen um 26 Prozent abgestürzt, Bangkok hat 19 Prozent, Shanghai 29 Prozent verloren. Oder am indischen Aktienmarkt, dem Starperformer von 2003, ging innert lediglich dreier Handelstage ein Viertel der Börsenkapitalisierung verloren – 100 Milliarden Dollar lösten sich in Luft auf.
Bei den heftigen Einbussen spielen jeweils regionale Faktoren mit, so in Indien der unerwartete Wahlerfolg der Opposition, in Korea der Einbruch beim Konsum oder in Russland die Yukos-Affäre. Zu den regionalen Problemen gesellten sich global verbreitete Ängste, beispielsweise die Sorge allzu stark anziehender amerikanischer Zinssätze, ein Überschiessen des Ölpreises oder Bedenken, dass die von Überhitzung gezeichnete Wirtschaft Chinas ins Taumeln geraten und damit die Konjunkturerholung in ganz Asien gefährden könnte. Ökonomen jedoch geben zumindest bei den Zinsängsten Entwarnung.
Die Kurskorrektur, da sind sich die Experten einig, bietet eine gute Gelegenheit für einen Neueinstieg an den Emerging Markets. Mark Mobius beispielsweise erwartet für die nächsten Wochen und Monate zwar keine starken Kurssteigerungen. Doch der Chef von Templeton Asset Management und weltbekannte Börsenguru für Emerging Markets erachtet die Pause als «erstklassige Gelegenheit für Käufe». Denn schon bald, so ist Mobius überzeugt, wird es mit dem Kursfeuerwerk an den EmMas weitergehen (siehe Artikel zum Thema «Anlage: Lateinamerikanische Rosinen»). Sein Hauptargument: Die Wirtschaft in diesen Gebieten wächst weitaus stärker als jene in den Industriestaaten. Zudem sind Aktien aus Schwellenländern in den meisten Fällen klar unterbewertet. Wie übrigens auch die Währungen, die laut Mobius teilweise Unterbewertungen von 20 bis 30 Prozent gegenüber dem US-Dollar aufweisen.
Die West-Börsenmärkte haben jede Dynamik verloren und dümpeln seit Anfang 2004 lustlos vor sich hin. Die Wirtschaft will nicht so recht auf Touren kommen, allfällige Gewinnzuwächse bei den Unternehmen sind in den Kursen bereits eskomptiert. Da bieten Investments in EmMas eine attraktive Alternative, um lendenlahme Portefeuilles aufzupeppen. Doch Vorsicht, nirgendwo trifft die altbewährte Gleichung «hohe Gewinne gleich hohes Risiko» derart zu wie bei den Börsen von Schwellenländern. Deshalb sollte sich der Anteil an EmMas im Depot höchstens auf fünf bis sieben Prozent belaufen. Vorsicht auch vor Einzelaktien; deren Kauf ist meist mit hohen Kosten verbunden, oft ist die Liquidität dünn und damit der Kaufkurs schlecht, und die Informationen über das entsprechende Unternehmen lassen nicht selten auch zu wünschen übrig.
Halten Sie sich deshalb an Anlagefonds. Reine Länderfonds kommen nur dann in Frage, wenn der Investor von den Chancen eines Landes überzeugt ist. Regionenfonds bieten dagegen eine breitere Diversifikation und damit ein geringeres Risiko. In Zusammenarbeit mit Experten haben wir für Sie vier interessante Emerging Markets unter die Lupe genommen, und zwar Indien, Südkorea, Russland und Brasilien. Noch ein letzter Punkt: Investments in EmMas bedingen nicht nur eine gehörige Portion Risikobereitschaft, sondern auch Geduld. Viel Geduld.