Bilanz: Stört es Sie, dass Sie in der Öffentlichkeit als Millionär wahrgenommen werden?
Dieter Meier*: Die Vermögensangaben in der «Bilanz» stören mich sehr. Auch dass ich dort überhaupt erscheine, ist mir unangenehm. Der grösste Teil meines Vermögens sind Direktinvestitionen in Entwicklungen. Zum Beispiel solarbetriebene Bewässerungssysteme in Argentinien oder eine revolutionäre Kaltextraktion der Kakaobohne. Deren Rentabilität und Werthaltigkeit wird sich erst in Zukunft zeigen. Die Reichstenausgabe der «Bilanz» ist ein Katalog für Entführer und Kriminelle, die sich darin etwas aussuchen können.
Das stimmt doch nicht. Im Internet finden Sie über jeden Reichsten viel mehr Infos.
Dort müssen Sie aber jeden einzeln suchen. Kommt dazu, dass mir die Leute anders begegnen, seit ich in dem Heft erscheine. Und letztlich ist es für meine Kinder unangenehm, wenn alle lesen, was für ein «reicher Sack» ich angeblich sei.
Wie wirkt sich das auf Sie aus?
Die Leute fragen mich, warum ich mich im Reichenregister der «Bilanz» zeige. Sie können nicht wissen, dass es keinen juristischen Weg gibt, sich erfolgreich dagegen zu wehren. Selbst eine einstweilige Verfügung wäre in meinem Fall zwecklos, obwohl ja die Angaben äusserst spekulativ sind und oft gar nicht stimmen.
Wir sprechen hier nicht von Spekulationen, sondern von Berechnungen und Schätzungen, die den porträtierten Personen vorgelegt werden. So auch Ihnen.
Es sind Spekulationen. Ich habe viele Projekte in Entwicklung und kann selber nicht abschätzen, was sie wert sind. Es ist doch äusserst ungewöhnlich, dass ich mit irgendwelchen Belegen, Bankauszügen und Schätzungen meiner Beteiligungen eine Bringschuld habe, um zu beweisen, dass die Angaben nicht stimmen.
Die Schätzung über Ihr Vermögen entspricht der Realität. Ist Ihr Vater schuld an Ihrem Reichtum?
Er hat das Geld, das ich mit Yello verdiente, sehr gut angelegt. Ich verstehe nichts von der Börse. Ausserdem habe ich von meinen Eltern geerbt.
Wenn Sie nichts von der Börse verstehen: Warum haben Sie Ihre Aktienanteile an den Zermatter Bergbahnen BVZ von 17 Prozent und das 15-Prozent-Paket an Orell Füssli nie verkauft, sondern im Gegenteil immer wieder aufgestockt?
Weil das konservative Anlagen sind, die eine gute Sicherheit bieten. Mein Vater hat diese Anteile vor Jahrzehnten für mich als sogenannte «Grossmutteraktien» gekauft, die immer eine vernünftige Dividende abwerfen. Er fand, solange es das Matterhorn und die Schweizerische Nationalbank gebe, könne diesen Firmen eigentlich nichts passieren.
Glauben Sie nicht, dass die Öffentlichkeit Sie als Unternehmer wahrnimmt?
Doch, das glaube ich schon. Nicht zuletzt weil ich in Argentinien aus dem Nichts mit meinem Beef und meinem Wein zwei kleine Marken geschaffen habe. Beides findet in der Schweiz guten Anklang. Jetzt habe ich in Argentinien eine Fabrik mit aufgebaut, die Nahrungsmittel produziert. Da werde ich weitere Produkte herstellen, die ich aus Hongkong in Asien vertreiben werde.
Und jetzt kommt noch Schokolade dazu.
Ich habe von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Patente zur Kaltextraktion der Kakaobohne erworben. In einer ersten, kleinen Betriebsstätte stellen wir Schokolade her, die viel mehr der natürlichen Aromen enthält und weniger Zucker. Es ist ein revolutionäres Verfahren.
Sie sind reich, 71-jährig und könnten sich eigentlich zurücklehnen.
Fragen Sie einen Bergsteiger, warum er weiter klettert. Er erfährt sich am direktesten in der Auseinandersetzung mit dem Berg und nicht, indem er sich nach Florida zurückzieht und überlegt, ob er schon am Morgen oder doch erst am Nachmittag eine Runde Golf spielen soll. Mein Leben ist geprägt von neuen Erfahrungen. Mein Antrieb ist, mit wissenden und erfahrenen Leuten zu arbeiten und auf neuen Gebieten etwas zu entwickeln.
Haben Ihre Kinder schon Interesse an Ihrem unternehmerischen Erbe angemeldet?
Sie sind stark einbezogen, gehen aber ihre eigenen Wege: Sie produzieren Filme, entwerfen Kleiderkollektionen, führen das Label EnSoie, studieren Geschichte und Ethnologie. Wichtig ist, dass man die Kinder zu nichts drängt. Sie sollen ihren Interessen nachgehen. Klar, sie kennen die Zahlen meiner Unternehmungen genauso wie auch die Risiken. Oft besuchen sie mich in Argentinien und sehen vor Ort, was ich mache und warum. Ob sie in der Zukunft in meinen Firmen aktiv werden, weiss ich nicht.
Wie haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Ich habe am Hottingerplatz als Achtjähriger Christbäume ausgetragen. Die habe ich auf einem Ziehkarren zum Teil bis nach Witikon transportiert. Manchmal gabs einen Fünfliber Trinkgeld, eine wunderbare Sache.
Was haben Sie mit dem Geld gemacht?
Weihnachtsgeschenke gekauft. Das war mein Stolz.
Sie haben zu Ihrer Studienzeit exzessiv Poker gespielt. Wegen des Geldes oder wegen des Spieles?
Kein Spieler spielt wegen des Geldes. Das Spiel ist eine Weltflucht. Man ist wie ein Boxer im Ring: busy surviving. Und hinter diesem Ring gibt es keine Welt. Die Sucht ging bei mir so weit, dass ich Schachspielern, die im Café Odeon im ersten Stock ihre Partien spielten, Geld gegeben habe, damit sie gegen mich Poker spielen.
Sie waren 30 Jahre an der Marke Ulysse Nardin beteiligt. Sind Sie ein Uhrentyp?
Absolut. Für mich ist die Uhr eine Kathedrale fürs Handgelenk. Das einzig legitime Schmuckstück, das sich für den Mann geziemt. Ich gehe an keinem Uhrenschaufenster vorbei, ohne hineinzuschauen. Mich fasziniert die Ästhetik der Funktion einer mechanischen Uhr.
Sie tragen heute eine Rolex Daytona, wohl 20'000 Franken wert. Ein klassisches Statussymbol.
Rolex-Uhren sind eine Währung. Ich trage dieses Modell, weil es eine sehr robuste und total verlässliche Stahluhr ist.
Was verdienen Sie heute eigentlich pro Jahr mit Tantiemen von Yello-Songs?
Um die 30'000 Franken. Das kommt hauptsächlich von Radio und Fernsehen. Früher war es mehr. Yello hat sieben Jahre lang keine CD mehr auf den Markt gebracht. Mit Spotify-Streams verdient man kaum etwas und mit Konzerten auch nur, wenn man grosse Säle bespielt.
Haben Sie mit Ihren vier Konzerten Ende Oktober in Berlin Geld verdient?
Nein, wir legten drauf. Wir haben ganz bewusst einen Aufwand betrieben, der finanziell nicht gerechtfertigt ist. Wir wollten nicht guckkastenmässig in einem normalen Konzertsaal spielen. Ausserdem haben wir ein Yello-Livedokument geschaffen, das über die vier Auftritte im Kraftwerk Berlin hinausgeht. Wir machen daraus einen Konzertfilm, der den Verlust vielleicht deckt.
Warum sprechen Sie eigentlich mit uns, obwohl Sie nicht in der Reichsten-«Bilanz» erwähnt werden wollen?
Um den Lesern der «Bilanz» zu sagen, warum ich diese Erwähnung als etwas sehr Unangenehmes empfinde, und um darzulegen, dass Geld mich einzig interessiert, um etwas auf die Beine zu stellen, Risiken einzugehen und Innovationen voranzutreiben. Jedes Neuland ist ein Risiko, so wie jede Bergbesteigung eines ist. Mit Direktinvestitionen versuche ich, auf verschiedensten Gebieten etwas zu bewegen. Es geht mir nicht darum, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen.
Im Ernst?
Natürlich muss man Geld verdienen, sonst gehts nicht weiter. Wenn ich nur Fehlinvestitionen getätigt hätte, wäre ich nicht in der Lage, mit jungen Argentiniern eine Firma aufzubauen oder am Rio Negro die Steppe zu bewässern. Dafür gibt mir keine Bank einen Kredit. Ich würde mir nie eine Yacht kaufen. Es gibt Leute, die verkaufen ihre Firmen, leisten sich eine 120-Meter-Yacht und lassen sich darauf ablichten. Mein Luxus sind ein gutes Paar Schuhe, feine Wollsocken und ein vernünftiges Tuch am Leib. Die Grenzen meiner Betätigung als Unternehmer oder sogenannter Künstler sind fliessend: Geld gibt mir die Möglichkeit, Neuland zu betreten. Das macht mich glücklich. Alles andere interessiert mich ebenso wenig, wie in der «Bilanz» als einer der Ärmsten unter den 300 Reichsten zu erscheinen.
*Dieter Meier (71) verbindet in seiner Laufbahn künstlerisches Experiment mit unternehmerischer Kreativität: als Live-Performer, Filmer, Musiker («Yello»), Investor, Rinderzüchter, Weinbauer und seit neustem auch als Chocolatier. Geschätztes Vermögen: 150 bis 200 Millionen Franken.
Wer die drei reichsten Frauen der Schweiz sind, sehen Sie im Video: