Für international operierende Schweizer Investoren war es noch nie so wichtig wie jetzt, in ihren Strategien das Währungsumfeld einzubeziehen. Der schwindsüchtige Dollar, das schwache britische Pfund oder der kränkelnde Euro zerzausen schnell einmal die Performance. Eine der wenigen starken Währungen ist der Yuan. Kein Wunder, denn Chinas Wirtschaft boomt seit langem. Dennoch haben die chinesischen Börsen 2010 schlecht abgeschnitten: DerShanghai SE Composite Index verlor 15 Prozent. Das Wirtschaftswunder hat erste Dellen erhalten. Zwar ist das Bruttoinlandprodukt auch 2010 um 10,3 Prozent gewachsen. Allerdings zieht die Inflationsrate deutlich an. Die Wirtschaft zeigt Überhitzungsanzeichen, die Notenbank muss die Geldpolitik straffen. Chinas PräsidentHu Jintao wird alles daransetzen, dass die Teuerung nicht ausser Rand und Band gerät.
Die Rückschläge an den Aktienmärkten erachten viele Analysten als gute Gelegenheit für einen Einstieg. Denn an China kommen die Anleger nicht mehr vorbei. Das Land repräsentiert nicht nur die zweitgrösste Volkswirtschaft, sondern bringt mit den Märkten Shanghai, Shenzhen und Hongkong weltweit die zweitgrösste Börsenkapitalisierung auf die Waage. Wer auf lange Sicht investiert und Risiken nicht scheut, sollte Chinas Börsendrachen reiten, auch wenn er für einige Monate wohl noch etwas flügellahm ist. Direktengagements, soweit sie in China überhaupt möglich sind, würde ich nur in Ausnahmefällen tätigen. Dafür ist die Auswahl von China-Fonds aller möglichen Ausprägungen enorm breit.
Vorsicht – Rendite! In Zeiten, da die Zinsen auf tiefstem Niveau liegen, haben auf höchste Sicherheit bedachte Anleger einen schweren Stand. 0,80 Prozent im Franken-Euro-Markt auf zwölf Monate, 1,00 Prozent bei Kassenobligationen mit drei Jahren Laufzeit, 1,42 Prozent für die zehnjährige Anleihe der Eidgenossenschaft: Angesichts solcher Renditen kann ich verstehen, wenn die Risikoscheu vieler Anleger bröckelt. Doch ein Leser aus Baden zeigt sich etwas gar sorglos. Er schrieb mir: «Was halten Sie von griechischen Staatsbonds? Es kann doch gar nicht so schlimm kommen, dass dieses Land bankrottgeht.» Kann es nicht? Zehnjährige Obligationen der Hellenischen Republik rentieren gegen 16 Prozent, jene mit kürzeren Laufzeiten sogar weit über 20 Prozent. Wahnsinnsrenditen – die stutzig machen. Mir kommt eine altbewährte Gleichung in den Sinn: hohe Rendite = hohes Risiko. Für den Markt ist es ausgemacht, dass Griechenland nicht um einen Schuldenschnitt herumkommt. Dabei müssten auch die Gläubiger bluten. Lassen Sie sich deshalb nicht von den saftigen Renditen blenden.
Mogelpackung. Ich bin kein glühender Patriot, aber doch stolz auf unsere Unternehmen, die von hier aus ihre Aktivitäten rund um den Globus steuern, etwa Roche, Nestlé, Novartis. Nicht stolz bin ich dagegen auf Firmen, die sich durch die Hintertüre Swissness erkauft haben, beispielsweiseTransocean. Der Tiefseebohrer aus den USA, zu trauriger Berühmtheit gelangt durch die von ihm erbaute und in Feuer aufgegangene Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, verlegte vor Monaten seinen Hauptsitz nach Zug. Ein deutscher Kollege hat mich jüngst angerufen und wollte mehr wissen über diese «zwielichtige Schweizer Firma», wie er meinte. Auch sonst gilt Transocean für die Weltpresse als Schweizer Konzern. Juristisch mag das zwar korrekt sein. Dem Image unseres Landes ist das aber angesichts der ständigen negativen Schlagzeilen wenig zuträglich.
Mich ärgert vor allem, dass die Amerikaner einzig der monetären Vorzüge wegen ihre Zelte in der Zentralschweiz aufgeschlagen haben. Denn an der Turmstrasse 30 in Zug arbeiten gerade mal acht Leute; das sind 0,04 Prozent aller Beschäftigten. Bei Anfragen am Pro-forma-Hauptsitz verweisen einen die Telefonistinnen an Transocean in Houston. Im Verwaltungsrat ist gerade mal ein Schweizer anzutreffen – ein «Sekretär ausserhalb des Verwaltungsrates». Auch die eingeschweizerten Aktien haben bislang keine dicken Stricke zerrissen; seit ihrer Kotierung vor Jahresfrist büssten sie über ein Drittel ihres Wertes ein. Die Katastrophe im Golf von Mexiko ist für Transocean noch lange nicht ausgestanden, ja für KonzernchefSteven Newman kommt möglicherweise das dicke Ende erst noch. Die Aktien sind zu risikoreich.
Schweizer Pflaster für J&J. In einigen Monaten wirdSynthes vom Kurszettel verschwinden – weil das Schweizer Medtech-Unternehmen dann endgültig vonJohnson & Johnson, von Börsianern kurz J&J genannt, geschluckt wird. Schade, die Synthes-Papiere haben viel Kursfantasie geboten. Weitaus mehr jedenfalls als die Titel des Käufers. Denn der US-Konzern ist ein Börsenlangweiler im Quadrat. Über die letzten fünfzehn Monate haben sich die Aktien in einem Kursband von 57 bis 65 Dollar bewegt. Kein Wunder: J&J ist ein profilloser Gemischtwarenladen aus dem Sektor Gesundheit, mit einem Bein im Medtech-Geschäft. Im Angebot stehen Tampons, Babypflegeartikel, Medikamente, Diätprodukte, Implantate, Zahnseide, Wundpflaster und vieles mehr. Eine solch bunte Palette lässt bei Investoren kaum Euphorie aufkommen. Dazu gesellt sich ein hausgemachter Imageschaden: Der Gesundheitskonzern musste 200 Millionen Medikamente sowie mehr als 90 000 defekte Hüftgelenke zurückrufen.
FirmenchefWilliam (Bill) Weldon brauchte dringendst ein Erfolgserlebnis. Und das liefert ihm die Akquisition von Synthes. Für 21,3 Milliarden Dollar kauft er ein Bijou in Sachen Marktposition, Innovationsfreude, Ertragskraft. Damit kann er die lendenlahme J&J aufpeppen. Der Schweizer Konzern, Nummer eins im Markt für Unfallchirurgie und Nummer drei im Bereich Wirbelsäulenchirurgie, passt bestens zur US-Firma. Die J&J-Aktien haben denn auch nach Bekanntgabe der Übernahmevereinbarung ein hübsches Kursfeuerwerk abgebrannt, die Titel schossen innert kürzester Zeit um gegen zehn Prozent in die Höhe. Was mir dagegen nicht gefällt: Obwohl in der J&J-Kasse rund 28 Milliarden Dollar klimpern, werden zwei Drittel des Preises in Aktien abgegolten. Auf die Aktionäre kommt da eine enorme Verwässerung zu. Für mich sind die Titel zu wenig sexy, auch mit Blick auf das Dollarrisiko.
Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an:bahnhofstrasse@bilanz.ch