Der Börsencrash 1987 ging als «Schwarzer Montag» in die Geschichte ein. Seither hat sich die Welt zwar stark verändert, dennoch gibt es frappierende Parallelen: Damals wie heute waren die Börsen auf Rekordkurs. Im August 1987 hatte der Dow Jones mit 2736 Punkten eine Bestmarke erreicht, bevor er am 19. Oktober binnen weniger Stunden um fast 23 Prozent abstürzte. Es ist bis heute der grösste Crash der Nachkriegszeit.

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Beunruhigend sei daran, dass Elemente von damals in der derzeitigen Verfassung der Finanzmärkte wieder erkennbar seien, sagt Lucy O'Carroll, Chefvolkswirtin des Vermögensverwalters Aberdeen Standard. «Die Bewertungen waren damals genauso überdehnt, wie sie es heute sind.» Aktuell liegt das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) – eine wichtige Kennziffer zur Beurteilung des Preisniveaus – im Dow Jones bei knapp 21. Dies bedeutet, dass die Aktienkurse der dort notierten Unternehmen im Schnitt den Gewinn je Aktie um das 21-Fache übersteigen. Der langjährige Durchschnitt liegt bei 15.

Gefahr in Europa kleiner

Der Dow-Jones-Index mit den US-Standardwerten übersprang am Dienstag erstmals die Marke von 23'000 Punkten, der Dax ist ebenfalls auf Rekordkurs und liegt aktuell bei fast 13'100 Zählern. Das ist ein Plus von 1200 Prozent seit seiner Einführung 1988. Rechnet man die Kursentwicklung bis 1987 zurück, lag das Minus des deutschen Leitindex am «Schwarzen Montag» bei neun Prozent.

Zwar bestimmten 1987 ganz andere Faktoren den Handel, führt O'Carroll weiter aus. Schliesslich sei dem Crash nicht ein Jahrzehnt vorausgegangen, in dem die Zentralbanken Billionen von Dollar, Euro und Yen in die Märkte gepumpt hätten. «Aber die resultierenden Schwachstellen sind vergleichbar. Mit weltweiten Aktienmärkten, die immer höhere Allzeithochs erreichen, könnten die Märkte wohl derzeit für ein böses Erwachen reif sein.»

Selbst Notenbanker wie EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny warnen vor der Absturzgefahr vor allem an den US-Märkten, geben sich für die europäischen Märkte aber gelassener. Das KGV des Dax liegt aktuell bei 14 und damit knapp unter dem langjährigen Mittel.

Computer als Multiplikatoren des Problems

Anders als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gab es 1987 keinen konkreten Auslöser für die Verkäufe. Der damalige Präsident Ronald Reagan beteuerte, der Wirtschaft des Landes gehe es gut. Das kann Donald Trump dieser Tage auch ohne Umschweife behaupten. Der damalige Chef der New Yorker Börsenaufsicht SEC, David S. Ruder, sagte später, steigende Zinsen und ein hohes Handelsdefizit hätten zu den Massenverkäufen beigetragen. Der Programmhandel – eine Art Vorläufer des heutigen Algo-Tradings – habe aber alles noch verschlimmert.

«Vollautomatisierte Handelssysteme werden auch für andere Börsen-Crashs verantwortlich gemacht», betont James Bateman, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Fidelity. «Vor allem für den sogenannten ‹Flash Crash› von 2010, bei dem der S&P 500 in nur 20 Minuten um sechs Prozent in die Tiefe rauschte.»

Regeln für den Notfall

Auf dem Börsenparkett in Frankfurt wurden die Orderzettel 1987 noch per Hand ausgefüllt. «Wir kamen mit den Verkaufsaufträgen gar nicht mehr hinterher», erinnert sich ein damals 26-jähriger Börsianer. «Ich ging zu meiner Freundin und sagte ihr: ‹Ich glaube, ich habe heute richtig viel Geld verloren.› Danach habe ich eine Flasche Whisky aufgemacht», sagt ein anderer Händler.

Später stellten die Börsenaufseher Regeln auf, um Verkaufsprogramme in die Schranken weisen zu können – zum Beispiel durch Handelsunterbrechungen bei hohen Kursausschlägen. Die Macht der Maschinen sei dadurch aber nicht gebannt, warnt Fidelity-Experte Bateman. «Seit 1987 hat sich der Anteil der mit vollautomatisierten Handelsmodellen durchgeführten Transaktionen am amerikanischen Aktienmarkt von 13 Prozent auf heute 27 Prozent mehr als verdoppelt.»

Faszinierender Roman- und Filmstoff

Die Ereignisse vom 19. Oktober weckten 1987 bei vielen Erinnerungen an den historischen Crash vom 28. Oktober 1929 und wurden wie dieser Teil der Kultur. Für die Enkel der Händler von einst war die Börse bis dahin eine Einbahnstrasse nach oben gewesen. Stellvertretend für diese Generation von Händlern der 1980er-Jahre fühlte sich der Broker Sherman McCoy in Tom Wolfes Roman «Im Fegefeuer der Eitelkeiten» gar als «Master of the Universe».

Oliver Stone setzte mit dem Film «Wall Street», in dem Gordon Gekko nach seinem Motto «Gier ist gut» Geschäfte machte, ein weiteres Denkmal. Und der Crash-Schreck hielt auch nicht ewig an. Schon Anfang 1989 notierte der Dow Jones wieder über seinem Vor-Crash-Niveau.

(reuters/jfr)