Solar – der Neue Markt ist wieder da», titelte die «FAZ am Sonntag». «Jeder, der irgendein Solarmodul herstellt, kann mit einem Börsengang mühelos dreistellige Millionenbeträge einsammeln», spottet ein Frankfurter Banker (siehe BILANZ 17/2005: «Deutscher Non-Event»).

Ganz so viel Geld braucht die Schweizer Swiss Solar Systems (3S) gar nicht, aber die Solareuphorie ist mittlerweile auch auf die Schweiz übergeschwappt. Der Ausgabekurs der ersten echten Schweizer Solaraktie lag bei 1.35 Franken, am Abend des ersten Börsentags konnte bereits ein Kurs von 6.20 Franken notiert werden. Die nachgeschobene Kapitalerhöhung für die bestehenden Aktionäre hat sich mehr als gelohnt. Die 3S ist kurzfristig gar der grösste Gewinner des Branchenindex PPVX, der vom deutschen Solarstrom-Magazin «Photon» veröffentlicht wird. Die 22 Spezialfirmen im Bereich Fotovoltaik kommen zusammen immerhin auf einen Börsenwert von 6,7 Milliarden Euro, den höchsten Stand der kurzen Geschichte.

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Die Politik ist es, die dem Solarmarkt einheizt. In Deutschland bekommt der Betreiber eines Solarkraftwerks dank dem Erneuerbare-Energien-Gesetz rund 50 Cent pro Kilowattstunde Strom, die er ins Netz einspeist. Das sei eine «Lizenz zum Gelddrucken», hiess es von Kritikern. Die Branche boomt aber weiter und hat bereits 130 000 Beschäftigte, Tendenz steigend. Auch der Schweizer Nationalrat hat sich Ende September sehr deutlich für eine kostendeckende Einspeisevergütung ausgesprochen. Damit würden jährlich 170 Millionen Franken in die Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Rohstoffen gesteckt. Unterstützung für eine entsprechende Änderung des Energiegesetzes kam dabei auch von Seiten der Bauindustrie und der Bauern. Nun liegt der Ball beim Ständerat, der das Geschäft noch beraten muss. Bei einer solchen Einspeisevergütung profitieren neben den Solaranbietern noch ganz viele andere Produzenten alternativer Energien (siehe Nebenartikel «Alternativenergien: Der Staat heizt ein»).

Nicht nur dank der Politik wird die Solarbranche immer professioneller. Weg von idealistischen Tüftlern, hin zu profitorientierten Firmen, heisst der aktuelle Trend. So investieren unter anderem auch die grossen Ölkonzerne BP und Shell viel Geld in den Zukunftsmarkt. Schliesslich ist mittlerweile allen klar, dass das Erdöl allein für die Energieversorgung nicht reicht. BP kreierte für sich sogar einen neuen Werbeslogan: Beyond Petrol. «Sonnenergie hat für uns eine strategische Bedeutung», heisst es aus der Konzernleitung von BP.

Die weltweite Produktion von Solarzellen stieg 2004 um mehr als 67 Prozent. Der Markt erreicht weltweit ein Volumen von sieben Milliarden Dollar, trotzdem liegt der Anteil an Sonnenergie am gesamten Stromverbrauch noch immer unter einem Promille.

Kritischer Punkt ist neben der immer noch teuren Zellenproduktion das fehlende Silizium, der Rohstoff für die Solarzellen. Bisher dienten Abfälle der Chipindustrie als Rohstoff. Diese Quelle kann die markant gestiegene Nachfrage nicht mehr decken. Deshalb werden jetzt speziell für die Solarindustrie neue Fertigungslinien bereitgestellt. Die Bank Sarasin schätzt, dass der Siliziumengpass frühestens in drei bis vier Jahren beseitigt sein wird. «Wenn genügend Silizium zur Verfügung steht, geht es erst richtig los», ist auch Adrian Kottmann, Geschäftsführer der BE Netz AG, überzeugt. Der Luzerner Energieberater gilt als Pionier der Solarbranche und beobachtet den aktuellen Börsenboom von Solarpapieren mit «gemischten Gefühlen».

«Früher ging es um Ideologie, jetzt ums Geschäft», sagt auch Benedikt Ortmann, Chef der deutschen SAG Solarstrom. Seine Firma legte seit Anfang Jahr gut 60 Prozent zu und damit deutlich weniger als der Spezialindex. Grosser und teurer Star ist immer noch SolarWorld. Die Aktie stieg in den vergangenen zwölf Monaten um rund 500 (!) Prozent. Das Unternehmen mit gut 650 Mitarbeitern wird derzeit mit einem Börsenwert von 1,5 Milliarden Euro gelistet. Im vergangenen Jahr verbuchte SolarWorld 200 Millionen Euro Umsatz. Im ersten Halbjahr 2005 legten die Verkäufe immerhin um knapp 50 Prozent zu, und es resultierte ein Konzerngewinn von gut 18 Millionen Euro.

«Es gibt Hinweise für eine Überhitzung», sagt Christian Schindler von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Gleichzeitig hat aber die Branche den Merkel-Effekt erstaunlich rasch verdaut. Deutschland hat mittlerweile Japan bei den neu installierten Solarflächen überholt. Und pro Kopf werden in Deutschland sogar 20-mal mehr neue Solarkapazitäten installiert als in der Schweiz. Früher mal führend, hat die Schweiz den Anschluss an die Weltspitze des Wachstumsmarktes in den vergangenen Jahren verschlafen.

Das bedeutet anderseits für die Swiss Solar Systems grosse Wachstumschancen. Der einzige (an der Berner Börse) kotierte Solartitel der Schweiz ist kein klassischer Hersteller von Solarzellen. Die Berner liefern gleich einen Dachersatz, das Solarsystem übernimmt an Stelle von Ziegeln und Dachschindeln die Funktion als «Haut und Wetterschutz». Zusätzlich zu diesen integrierten Modulen hat sich 3S auch auf den Maschinenbau für Solarmodule konzentriert. Dabei werden so genannte Laminatoren entwickelt und hergestellt. «Das direkte Einfliessen unserer Produktionserfahrung in den Maschinenbau ist unser grösstes Plus», erläutert CEO Patrick Hofer-Noser das Geschäftsmodell der 3S. Im ersten Halbjahr 2005 lag der Umsatz mit knapp 2,2 Millionen Franken nur wenig unter dem ganzen Vorjahr. Der Betriebsverlust sank von 700 000 auf 200 000 Franken. Mit dem Superstart an der Berner Börse hat 3S aber schon sehr viel Wachstumsfantasie vorweggenommen.

Einzelaktien sind in der Zukunftsbranche relativ schwierig zu bewerten. Je nach Absicherung von Siliziumlieferanten und genauem Geschäftsmodell ergeben sich grosse Unterschiede in der Einschätzung der Börse. Grundsätzlich seien grössere, gut finanzierte Firmen im Vorteil, urteilen die Experten. Zugleich ist der frühe Einstieg, schon vor einem Börsengang, interessant. Hier helfen spezialisierte Beteiligungsgesellschaften oder Fonds; sie können, anders als Privatanleger, bereits früh investieren und die verschiedenen Geschäftsmodelle genauer unter die Lupe nehmen.

Die meisten der grossen Energiefonds setzen auf Öl- und Bohrfirmen. Wer konkret in Solarexperten investieren will, muss sich mit Nischen begnügen. Für die CS-Beteiligungsgesellschaft Prime New Energy war die Nische zu klein, sie gibt nach fünf Jahren auf (siehe Nebenartikel «Prime New Energy: Beteiligungsfirma zieht Stecker heraus» links).

Die Prime New Energy hat den Solarrausch verpasst, dies im Gegensatz etwa zur Sarasin-Beteiligungsgesellschaft New Energies Invest (NEI). Diese wird zwar selber nicht an der Börse gehandelt, brachte aber in den vergangenen zwölf Monaten eine Performance von gut 60 Prozent. Das Schwergewicht liegt bei Wachstumsfirmen vor dem Börsengang (Pre-IPO). Die mit Abstand grösste Position ist das Paket bei der ostdeutschen Solarwatt, knapp 15 Prozent des Portfolios sind bei Powerlight investiert.

Und mit mehr als 81 Prozent Anlagen in Fotovoltaik ist der Fonds erfolgreich, aber aggressiv. Der New Energy Fund von Merrill Lynch legte seit Anfang Jahr um knapp 40 Prozent zu. Mit seiner starken Ausrichtung auf den US-Markt sind seine Kursschwankungen grösser. Ein Nachteil für Schweizer Anleger ist, dass der Fonds in Dollars geführt wird. Er investiert grösstenteils in börsenkotierte Firmen, unter anderem sind knapp fünf Prozent beim Überflieger SolarWorld investiert. Mit mehr als 264 Millionen Franken Anlagen ist New Energy von Merrill Lynch der deutlich grösste der Nischenfonds. Der SAM Smart Energy Fund ist dagegen etwa 20-mal kleiner, er mutierte erst im September 2003 von einer Beteiligungsgesellschaft zu einem Fonds. In den vergangenen zwölf Monaten legte der Fonds gut 37 Prozent an Wert zu. Auch beim SAM liegt das Schwergewicht der Investitionen in den USA und nicht in Europa. Zudem ist der Anteil an Windenergietiteln deutlich grösser. Allerdings ist die langfristige Performance von SAM Smart Energy alles andere als erfreulich: Gegenüber Juni 2001 liegt der aktuelle Wert immer noch gut 70 Prozent tiefer.