BILANZ: Seit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers steckt die Branche der strukturierten Produkte in einer Flaute. Ist sie so auf Dauer überlebensfähig?
Esther Thoma: Die Branche hat die Kapazitäten bereits weitgehend angepasst. Die Lage ist nicht so trüb, wie sie oft dargestellt wird. Betroffen ist vor allem der Markt der an der Börse Scoach kotierten Aktienprodukte. Der andere Teil der nicht kotierten Zins- und Währungsprodukte verzeichnet kaum Rückgänge.
Wie lange dauert die Durststrecke noch?
Ich bin überzeugt, dass sich die Nachfrage wieder belebt, sobald das Vertrauen in die Aktienmärkte wächst. Allerdings werden wir sicher nicht so rasch das hohe Niveau von 2007 erreichen.
Kann die Effizienz noch weiter verbessert werden?
Die Automatisierung muss weiter ausgebaut werden. Die UBS hat mit der Internet-Plattform Investor schon viel in diese Richtung unternommen. Selbst mit kleineren Beträgen können Anleger zusammen mit ihren Kundenberatern auf dieser Online-Plattform Produkte vergleichen und selber kreieren. Damit entsprechen wir der wachsenden Fragmentierung und dem steigenden Bedürfnis nach massgeschneiderten Lösungen.
Gefragt werden von den Anlegern Kapitalschutzprodukte, auf den Markt kommen aber vor allem spekulative Hebelprodukte. Produzieren die Emittenten an den Kundenbedürfnissen vorbei?
Zum einen sind Produkte im Zinsbereich selten kotiert, und im Aktienbereich ist das Marktumfeld für Kapitalschutzprodukte mit tiefen Zinsen und hohen Volatilitäten ungünstig. Zum andern ist das Warrants-Geschäft antizyklisch. Emittenten müssen mit einer breiten Palette von Laufzeiten und Ausübungspreisen für die wichtigsten Basiswerte am Markt präsent sein. Bei hohen Kursschwankungen muss das Angebot deshalb laufend den neuen Preisen der Basiswerte angepasst werden.
Was kann die Branche selbst zum Aufschwung beitragen, nachdem
die Transparenz in vielen Bereichen bereits verbessert worden ist?
Im Vordergrund steht für mich die Rückkehr zu einfachen Produkten, die den Anlegern gut erklärt werden können.
Läuft mit den pfandbesicherten Produkten die Entwicklung nicht gerade in die Gegenrichtung?
Die Anleger müssen den Mechanismus der Pfandbesicherung nicht zwingend im Detail verstehen. Wichtig zu wissen ist, dass sie damit vor dem Zahlungsausfall des Emittenten geschützt sind, nicht aber vor den Verlusten aufgrund der Marktrisiken, die dem Produkt innewohnen.
Werden die Anleger ausreichend über die Risiken informiert, oder braucht es wie bei Fonds ausführliche Emissionsprospekte?
Was nützen solche Prospekte, wenn die Kunden sie nicht lesen oder nicht verstehen? Verbesserungsbedarf sehe ich eher bei den Basisinformationen, den Term Sheets. Da sollten die Risiken oft etwas prominenter und verständlicher dargestellt werden.
Müsste nicht auch die Schulung der Kundenberater verbessert werden?
Die UBS legt grossen Wert auf die Ausbildung ihrer Kundenberater. Zudem leisten Ausbildungsanbieter wie das Swiss Derivative Institute einen wichtigen Beitrag. Stand bisher eher das einzelne Produkt im Zentrum, so wird in Zukunft der Fokus vermehrt auf den adäquaten Einsatz im Portfolio des Kunden gerichtet werden.
Was nützt die Schulung, wenn der Druck zum Produkteverkauf besteht?
Im Retailgeschäft gehören strukturierte Produkte nicht zum Basisangebot. Wir setzen diese im Private Banking ein, wo unsere Berater auch ausgebildet sind.
Sind strukturierte Produkte für Kleinanleger überhaupt geeignet? Sie haben ja selbst einmal gesagt, dass dazu professionelles Wissen nötig sei.
Das ist keine Frage der Grösse, sondern der Bereitschaft, sich mit diesen Produkten auseinanderzusetzen.
Sie haben im Sommer 2007 im Casinotheater Winterthur vor breitem Publikum für diese Produkte geworben. War das eine Sommerkomödie?
Wir wollten damit das Verständnis für diese Produkte fördern. Das Publikum hat aktiv mitgewirkt und kritisch hinterfragt.
Auch Martin Ebner hat kurz vor dem Crash 2001 in Turnhallen für das Aktiensparen geworben.
Wir führen solche Informationsveranstaltungen seit Jahren regelmässig durch, nicht nur in Boomphasen.
Braucht es die Messe für strukturierte Produkte noch, an der die UBS nicht mehr auftreten wird?
Ich finde gerade in Krisenzeiten eine Messe als Plattform für Transparenz und Aufklärung wichtig. Wir sind dieses Jahr nur aus Kostengründen nicht dabei.
Verdienen Sie mit diesen Produkten überhaupt noch Geld?
Ja – es ist immer noch ein wichtiges Geschäft.
Esther Thoma (40), seit 1995 bei der UBS, leitet seit 2003 das Team strukturierte Produkte im Aktienbereich. Im März 2009 wurde sie in den Vorstand des Schweizerischen Verbandes für Strukturierte Produkte (SVSP) gewählt.