Der Schweizer Aktienleitindex SMI wird Ende Jahr wahrscheinlich nahe bei 8300 Punkten stehen. Das lässt sich aus den Schätzungen der 128 Finanzprofis ableiten, die dieses Jahr am Schweizer CFA Forecast Dinner teilgenommen haben. Diese Daten liegen der «Bilanz» exklusiv vor. Die eine Hälfte der Teilnehmer schätzte den SMI Ende Jahr höher ein, die andere tiefer – mathematisch ist das der Median.
«In den vergangenen Jahren waren die Teilnehmer jeweils relativ treffsicher», sagt Christian Dreyer, Organisator des Anlasses und Geschäftsführer der CFA Society Switzerland, einer Standesorganisation von Finanzprofis. Beim Forecast Dinner im letzten Jahr sahen die Finanzprofis richtig voraus, dass der SMI 2015 nur wenig Aufwärtspotenzial habe. Gestartet war der SMI bei 8938 Punkten, und der Median der Schätzungen prognostizierte einen Wert von 9001 Punkten – am Ende waren es 8834 Punkte. «Die vergangene Treffsicherheit bedeutet natürlich nicht, dass es dieses Jahr wieder klappt», ist Dreyer wichtig anzumerken.
Hohe Treffsicherheit bei aggregierten Schätzungen
Die sogenannte Weisheit der Vielen führt dazu, dass die aggregierten Schätzungen oft eine sehr hohe Treffsicherheit zeigen. Im Buch «The Wisdom of the Crowds» analysiert der US--Finanzjournalist James Surowiecki das Phänomen und illustriert den Effekt mit zahlreichen Beispielen, etwa dem amerikanischen U-Boot «Scorpion», das im Jahr 1968 vermisst wurde. Als mögliche Unglücksstelle kam ein Umkreis von rund 40 Kilometern in Frage, was die Suche fast hoffnungslos machte. Der Marineoffizier John Craven fragte Experten nach ihrem Tipp, wo das U-Boot sein könnte. Anschliessend begann er, in der mathematischen Mitte der Tipps zu suchen, und siehe da, das -U-Boot war nur 75 Meter davon entfernt.
Genau wie bei der U-Boot-Suche handelt es sich bei den Teilnehmern des CFA Forecast Dinners um Experten für die zu schätzende Variable. Sie sind im Durchschnitt 40 Jahre alt, haben 14 Jahre Erfahrung in der Finanzindustrie und die mindestens dreijährige Ausbildung zum CFA-Charterholder bewältigt, deren drei Prüfungen nur jeder fünfte Teilnehmer schafft.
Auch Goldpreis wurde geschätzt
«An diesem Abend können die Teilnehmer unabhängig ihre Meinung vertreten», sagt Dreyer und meint damit, dass sie nicht eine Bankmeinung wiedergeben müssen.
An dem Dinner wurde nicht nur der Endstand des SMI geschätzt, sondern einer ganzen Reihe von Indizes. Den US-Aktienindex S&P 500 sehen die Experten Ende Jahr bei 1902 Punkten, also unwesentlich höher als derzeit. Auch der Goldpreis bleibt demnach etwa an Ort stehen und beendet das Jahr bei 1204 Dollar pro Unze. «Aus allen drei Prognosen lässt sich ableiten, dass die derzeitige Börsenpanik von den Teilnehmern als unbegründet eingestuft wird», sagt Dreyer.
Wende bei Zinsen – weniger Banken
Im Gegensatz zu den Aktienkursen und zum Goldpreis sehen sie die Zinsen in den USA deutlich steigen. Ende Jahr sollen zehnjährige US-Staatsanleihen mit 2,02 Prozent verzinst werden, fast ein Drittel höher als derzeit, da der Zinssatz 1,56 Prozent beträgt. Zudem sehen sie den Dollar gegenüber dem Euro leicht steigen, auf 1, 09 Dollar für einen Euro.
Interessant ist auch die Schätzung der Anzahl Banken, die es Ende Jahr in der Schweiz noch geben wird. Derzeit sind es 275 Banken. Es wurde keine einzige Schätzung abgegeben, die diese Zahl steigen sieht. Im Median wird sie auf 261 Institute Ende Jahr geschätzt. Der pessimistischste Schätzer sieht die Anzahl Banken gar auf 188 fallen.
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