Ein B2B2E-Geschäftsmodell («Business-to-Business-to-Employee») besteht, wenn ein Service-Provider (in unserem Beispiel ein Versicherer) mit einem Unternehmen eine Kooperation eingeht, um die bestehenden internen Kanäle des Unternehmens zu nutzen und seine Dienstleistungen oder Produkte direkt über diese internen Kanäle an die Mitarbeitenden zu vertreiben. Abhängig vom Produkt und vom gewählten Vertriebsmodell kann dies entweder unter dem eigenen Namen der Versicherung erfolgen oder als White-Label Angebot, bei dem der Arbeitgeber im Vordergrund steht.
Daniel Jontofsohn ist Director und Erik Norell Senior Manager bei EY Consulting. Sie beraten Versicherungen in Fragen rund um Strategie und Technologie.
Die grundlegende Idee hinter einem B2B2E-Modell ist, den Arbeitgebern dabei zu helfen, ihre Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit zu steigern, indem sie den Angestellten Zugang zu einer breiten Palette von Nebenleistungen («Fringe Benefits») und Ermässigungen ermöglichen. Für einen Versicherer heisst das, dass er seine Produkte und Dienstleistungen durch ein Unternehmen (beziehungsweise den Arbeitgeber) als Teil des Mitarbeiterangebotes vermarkten und verkaufen darf und so wesentlich niedrigere Vertriebskosten hat.
Insgesamt stellt das B2B2E-Modell sowohl für die Versicherungen und die Arbeitgeber als auch für die Angestellten einen Mehrwert dar – eine Win-win-win-Situation für alle Beteiligten. Der Versicherer erweitert seinen Kundenstamm durch den neuen Verkaufskanal, der Arbeitgeber bietet seinen Mitarbeitenden wertvolle Zusatzleistungen, und zuletzt erhalten die Mitarbeitenden Zugang zu Versicherungsprodukten und anderen Dienstleistungen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und preislich kompetitiv sind.
Vorteile für Versicherer: Nicht nur Erschliessung eines weiteren Vertriebskanals
Das B2B2E-Geschäftsmodell bietet neben der Erschliessung eines weiteren Vertriebskanals für Versicherungen noch eine Reihe weiterer Vorteile. Einer davon ist, dass das Versicherungsangebot massgeschneidert an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst werden kann.
Solche Programme können Gesundheitsabklärungen, Fitness-Challenges, Unterstützung der psychischen Gesundheit und Präventionsmassnahmen umfassen.
Durch die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, der als passiver Vermittler auftritt, zum Beispiel über ein Portal im Intranet des Arbeitgebers, können Versicherer gezielt auf die individuellen Anforderungen der Mitarbeitenden eingehen und dadurch massgeschneiderte Versicherungslösungen anbieten.
Ausserdem können Skaleneffekte durch die Bündelung von Versicherungsleistungen und den Verkauf an eine grössere Anzahl von Kundinnen und Kunden realisiert werden. Dies in Kombination mit den eingesparten Akquise- und Provisionskosten, was es dem Versicherer ermöglicht, Produkte zu sehr wettbewerbsfähigen Konditionen anzubieten und gleichzeitig die eigene Marge zu verbessern.
Arbeitgeber profitieren ebenso
Doch was sind genau die Vorteile für den Arbeitgeber, abgesehen davon, dass ihre Mitarbeitenden von Zusatzleistungen und besseren Konditionen profitieren? Versicherungsunternehmen können in diesem Kontext mit den Partnerunternehmen zusammenarbeiten, um zum Beispiel BGM-Massnahmen zu entwickeln und umzusetzen und folglich das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu fördern. Solche Programme können Gesundheitsabklärungen, Fitness-Challenges, Unterstützung der psychischen Gesundheit und Präventionsmassnahmen umfassen. Durch die Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens der Mitarbeitenden tragen Versicherer zu einer gesünderen und produktiveren Belegschaft bei.
Um die Prozesse zwischen Mitarbeitenden, Kundinnen und Versicherer so einfach wie möglich zu machen, spielt die Einbindung der Plattform in das Lohnsystem des Partnerunternehmens eine entscheidende Rolle.
Zusätzlich können die in dem B2B2E-Modell zusammengetragenen Daten (in konsolidierter und anonymisierter Form) genutzt werden, um dem Arbeitgeber gesamtheitliche Erkenntnisse und Analysen über seine Belegschaft zur Verfügung zu stellen. Dies hilft Arbeitgebern dabei, frühzeitig Trends in der Belegschaft zu erkennen und datengestützte Entscheidungen in Bezug auf zum Beispiel Sozialleistungen und Versicherungsbedürfnisse zu treffen.
Einsatz von Technologie für eine nahtloses digitales Kundenerlebnis
Für die erfolgreiche Umsetzung eines B2B2E-Modells spielt Technologie eine entscheidende Rolle. Um die Vorteile des Modells zu realisieren, wird eine von dem Versicherer zur Verfügung gestellte digitale Plattform benötigt. Durch Einsatz einer solchen Plattform können Versicherungsprodukte und -dienstleistungen nahtlos in die Arbeitsumgebung der Angestellten (zum Beispiel ins Intranet des Arbeitgebers) integriert werden. Zu den Features der Plattform gehören eine sichere Integration für den Transfer von spezifischen Daten, deren angemessene Verwendung für die Erstellung personalisierter Angebote sowie durchgängige und nahtlose digitale Prozesse («Client Journeys») für die Beratung und Betreuung der Kundinnen und Kunden. Um die Prozesse zwischen Mitarbeitenden, Kundinnen und Versicherer so einfach wie möglich zu machen, spielt die Einbindung der Plattform in das Lohnsystem des Partnerunternehmens eine entscheidende Rolle. Dadurch lassen sich beispielsweise Prämienzahlungen vom Lohn des Mitarbeiters direkt begleichen oder Schadenmeldungen einfach erstellen. Jedoch bedingt solch eine Integration einen gewissen Grad an Exklusivität zwischen Unternehmen und Versicherer. Ganzheitlich gesehen ermöglichen diese Features eine reibungslose und sichere Zusammenarbeit zwischen dem Versicherer und dem Arbeitgeber sowie eine schnelle und flexible Anpassung der Versicherungsangebote an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Die dadurch realisierte Effizienzsteigerung ermöglicht eine höhere Frequenz beim Kundenkontakt und hat einen positiven Effekt auf die Kundenzufriedenheit und -bindung.
Schrittweise Umsetzung
Um ein B2B2E-Modell erfolgreich einzuführen, muss der Versicherer schrittweise vorgehen. Die Basis dazu bildet eine gründliche Marktanalyse, um die genauen Bedürfnisse sowie Erwartungen von Arbeitgebern (als Partnerunternehmen) und deren Angestellten (als Endkundschaft) zu verstehen. In enger Zusammenarbeit mit einigen ausgewählten Partnerunternehmen wird dann das entsprechende Produktangebot entwickelt, um passende Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen den Angestellten offerieren zu können. Eine reibungslose technologische Integration zwischen dem Versicherer und den B2B-Partnern ist unerlässlich. Um ein nahtloses Kundenerlebnis zu gewährleisten, wird vom Versicherer eine digitale Plattform entworfen und realisiert. Getestet wird das Ganze in einem Pilotprojekt, wobei mit den ausgewählten Partnern getestet wird, wie die Plattform, das Betriebsmodell und die Zusammenarbeit mit den Partnern funktionieren. Durch die gesammelten Daten und Erfahrungen des Piloten kann vor der Markteinführung das Betriebsmodell optimiert werden, bevor es auf einen grösseren Markt und weitere Partnerfirmen ausgerollt wird.
Der Markt ist bereit für ein B2B2E-Modell
Das B2B2E-Geschäftsmodell verspricht eine innovative Lösung, indem es dem Versicherer ermöglicht, ihren Endkundinnen und Endkunden passende Versicherungsprodukte zu einem wettbewerbsfähigen Preis und durch einen neuen Vertriebskanal anbieten zu können.
Das Timing für eine Markteinführung in der nahen Zukunft ist optimal, da erstens das Thema Fringe Benefits (Lohnnebenleistungen) für die Arbeitgeber von steigender Bedeutung ist, zweitens weil die technologischen Voraussetzungen da sind, um die notwendige nahtlose, durchgängige Integration (was bis dato auf dem Markt nie voll umgesetzt wurde) verhältnismässig schnell und kostengünstig umzusetzen – und zuletzt drittens, weil das Modell in Zeiten von steigender Konkurrenz und höherem Margendruck Vorteile gleichermassen für Versicherer, Arbeitgeber und Angestellten bietet.